Ministerpräsidentenwahl
Kompromisssuche: Wählt Thüringens Linke CDU-Chef Voigt?
10. Dezember 2024, 14:51 Uhr
Thüringens Koalitionäre CDU, BSW und SPD gehen auf die Linke zu, damit die Ministerpräsidentenwahl nicht zur Zitterpartie wegen möglicher AfD-Stimmen wird. Zwei Tage vor der geplanten Wahl von CDU-Chef Mario Voigt am Donnerstag im Landtag machten die Fraktionen der sogenannten Brombeer-Koalition der Linken in Erfurt ein Angebot. Hintergrund ist, dass CDU, BSW und SPD im Landtag nur 44 von 88 Sitzen haben.
Bei dem Angebot gehe es um eine aktive Einbindung der Linken als konstruktive Opposition im Landtag - eine Art Regelwerk zwischen den drei Koalitionären und der Oppositionsfraktion, sagte Voigt in Erfurt. Er benutzte das Wort "Pflichtenheft", das der scheidende Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linken) geprägt hat für den künftigen parlamentarischen Umgang der vier Fraktionen.
Seit Wochen gibt es ein Tauziehen zwischen der Linken und den Koalitionären über eine schriftliche Vereinbarung, die nach dem Willen der Linken den Verzicht auf Mehrheiten zusammen mit der AfD enthalten soll.
Voigt sagte, die Koalition biete der Linken ein offizielles, monatliches Gesprächsformat mit den parlamentarischen Geschäftsführern der vier Fraktionen an. Zudem lade man die Linke ein, bei zentralen Reformvorhaben ihre Ideen einzubringen, so Voigt nach einem Treffen mit Vertretern der vier Parteien in Erfurt.
Im Gegenzug werde erwartet, dass am Donnerstag der erste Wahlgang bei der Ministerpräsidentenwahl "vernünftig funktioniert" und zügig ein Haushalt aufgestellt und verabschiedet werden könne. Voigt bezeichnete dieses Angebot als "3-plus-1-Format" - Kernelemente seien die Ministerpräsidentenwahl, der Haushalt und Weichenstellung bei Reformen.
Thüringens SPD-Chef Georg Maier betonte, dass es sich bei dem Angebot nicht um einen Tolerierungsvertrag handelt. "Es ist nicht so, dass hier ein Vertragswerk unterschrieben wird." Die CDU hatte bislang stets eine schriftliche Vereinbarung mit der Linken abgelehnt. Den Christdemokraten verbietet ein Unvereinbarkeitsbeschluss eine festgeschriebene Zusammenarbeit mit der Linken.
Der Thüringer Linke-Chef Christian Schaft sagte nach dem Treffen, die Brombeer-Parteien hätten sich auf die Linke zubewegt. "Wir bleiben jetzt im Gespräch, aber ich würde sagen, es ist möglich, dass eine Lösung gefunden werden kann." Der Vorschlag solle an diesem Mittwoch in der Fraktionssitzung der Linken beraten werden, kündigte Schaft an.
Bei der Ministerpräsidentenwahl am 12. Dezember tritt nach der nun vorliegenden Einladung zur Landtagssitzung nur Voigt für die Brombeer-Koalition an - er hat keinen Gegenkandidaten. Laut Verfassung ist in den ersten beiden Durchgängen bei der Wahl des Regierungschefs eine absolute Mehrheit von 45 Stimmen nötig. Den drei Partnern, die ihren Koalitionsvertrag an diesem Mittwoch unterschreiben wollen, fehlt damit eine Stimme.
Ob die AfD als stärkste Fraktion mit 32 Sitzen ihren Chef Björn Höcke im zweiten Wahlgang aufstellt, soll sich erst kurz vor der Wahl am Donnerstag entscheiden. Höcke hat dies nicht ausgeschlossen. Für den ersten Durchgang sind keine Bewerbungen mehr möglich, weil dafür eine 48-Stunden-Frist gilt.
Seit Tagen wird in Thüringen diskutiert, wie sich Voigt verhalten sollte, wenn er im ersten Wahlgang mit erkennbaren Stimmen der AfD gewählt werden sollte, die in Thüringen vom Landes-Verfassungsschutz als erwiesen rechtsextrem eingestuft wird.
Die Linke hat bisher erklärt, dass es keine einzelnen Stimmen von ihr geben werde, sondern nur von den zwölf Abgeordneten gemeinsam. Im dritten Wahlgang reicht Voigt die relative Mehrheit, über die seine Koalition verfügt. Gewählt ist dann, wer die meisten Stimmen bekommt.
Seit Jahren wird in Thüringen über die Auslegung der Verfassung diskutiert, wenn es bei der Ministerpräsidentenwahl zu einem dritten Wahlgang mit nur einem Kandidaten kommt. Landtagspräsident Thadäus König hat sich nun auf eine Variante festgelegt. Er folge der Mehrheitsmeinung in der Rechtsliteratur und werde die Gegenstimmen bei einer konkurrenzlosen Kandidatur im dritten Wahlgang nicht berücksichtigen, sagte König in Erfurt. "Das bedeutet, der Wahlvorschlag ist angenommen, wenn eine oder mehrere Ja-Stimmen vorliegen."
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