Studie
Klimaschutzmaßnahmen machen sich schon kurzfristig bezahlt
2. November 2021, 7:50 Uhr aktualisiert am 2. November 2021, 7:50 Uhr
Klimaschutz kostet jetzt und bringt erst viel später einen Nutzen - oft gilt das als ein Argument, warum Maßnahmen so schwer in Angriff zu nehmen sind. Eine Studie entkräftet diese Ansicht.
Klimaschutzmaßnahmen können schon in den kommenden Jahren einen Nutzen für die Volkswirtschaft haben - durch eine Verringerung der Luftverschmutzung.
Das zeigen Forschende am Beispiel der USA. Durch Maßnahmen, die zur Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels führen, könnten allein die USA 163 Billionen US-Dollar bis zum Jahr 2050 einsparen, unter anderem durch gesündere Menschen und höhere Ernteerträge, berichtet die Gruppe um Drew Shindell von der Duke University in Durham (North Carolina, USA) im Fachjournal "Proceedings of the National Academy of Sciences" ("PNAS").
"Studien haben gezeigt, dass die langfristigen Schäden durch den ungebremsten Klimawandel die weltweiten Klimaschutzkosten übersteigen, aber dass die Kosten den kurzfristigen Nutzen für das Klima bei Weitem übersteigen, was sofortige Maßnahmen untergräbt", schreiben die Forscher.
Vorteile in Kosten-Nutzen-Bilanz einbeziehen
Wenn für den Klimaschutz Verbrennungsmotoren durch Elektromotoren ersetzt werden und zur Energiegewinnung zunehmend weniger fossile Brennstoffe verwendet werden, dann gibt es auch weniger Abgase und die Luft wird sauberer. Shindell und Kollegen plädieren dafür, diese Vorteile unbedingt in die Kosten-Nutzen-Bilanz einzukalkulieren.
Für ihre Berechnungen nutzten die Wissenschaftler die neuesten Szenarien aus dem 6. Sachstandsbericht des IPCC (Weltklimarat), dessen erster Teil am 9. August 2021 veröffentlicht wurde: die gemeinsam genutzten sozioökonomischen Pfade (Shared Socioeconomic Pathways, SSP). Sie zeigen verschiedene soziale und wirtschaftliche Entwicklungswege bis zum Jahr 2100 auf und werden im Coupled Model Intercomparison Project Phase 6 (CMIP6) genutzt, für das die wichtigsten Klimamodelle weltweit ausgewertet wurden. Auf dieser Basis berechneten die Forscher die Veränderungen bis 2070 für die Nation und die einzelnen US-Bundesstaaten.
Auf nationaler Ebene vergleicht das Team um Shindell das Szenario mit dem zweitehrgeizigsten Ziel (die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen) mit dem zweiungünstigsten Szenario (Erwärmung um 3,6 Grad bis 2100). Obwohl demnach nicht die Entwicklungswege, die am weitesten auseinanderliegen, miteinander in Beziehung gesetzt wurden, sind die Unterschiede enorm: Durch die Maßnahmen für das Zwei-Grad-Ziel würden in den USA 4,5 Millionen vorzeitige Todesfälle verhindert, außerdem 1,4 Millionen Krankenhausaufenthalte, 300 Millionen Tage Arbeitsausfall, 1,7 Millionen Fälle von Demenz und der Verlust von 440 Millionen Tonnen Feldfrüchten.
"Der in Geld übersetzte Gesamtnutzen in diesem Jahrhundert wird von der Gesundheit dominiert und ist aufgrund des besseren Verständnisses der Auswirkungen von Hitze und Luftverschmutzung auf die menschliche Gesundheit viel größer als in früheren Analysen", betonen die Forscher.
Vermiedene Schäden übersteigen Kosten für Klimaschutz
Bereits bis 2030 könnte der volkswirtschaftliche Gewinn der sauberen Luft das 5- bis 25-Fache der Klimaschutzkosten betragen. Die vermiedenen Schäden durch Hitze übersteigen den Berechnungen zufolge zwischen 2040 und 2055 die Kosten für den Klimaschutz. Schäden durch einen höheren Meeresspiegel, durch Starkwetterereignisse, Dürren und Waldbrände sind da noch gar nicht eingerechnet.
Für Sebastian Helgenberger vom Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) in Potsdam ist es sehr wichtig, dass solche wirtschaftlichen Berechnungen durchgeführt werden: "Sie machen deutlich, dass sich Klimaschutzmaßnahmen auch kurzfristig lohnen". Indem die Dringlichkeit zu handeln durch Chancen untermauert würden, könnten mehr Menschen zum aktiven Klimaschutz motiviert werden. Helgenberger verweist auf ähnliche Studien des Umweltbundesamtes (UBA). Schon 2014 ermittelte eine UBA-Studie, dass allein durch einen ambitionierten Klimaschutz das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands im Jahr 2030 um rund 30 Milliarden Euro höher liegen könnte.
Auch Karsten Haustein vom Helmholtz-Zentrum Hereon in Geesthacht findet die Studie sehr gut und sehr bedeutsam. Er sieht als ihren Hauptaspekt an, dass die hohen Anfangskosten der Klimaschutzmaßnahmen mehr als kompensiert werden, wenn die vermiedenen Gesundheitskosten infolge der verringerten Luftverschmutzung eingerechnet werden. "Dadurch fällt das immer wieder vorgebrachte Argument einer unzumutbaren Kostenbelastung in sich zusammen", erklärt Haustein. Nach seinen Kenntnissen dürfte dies für Europa und Deutschland nicht anders aussehen als für die USA in der Studie aufgezeigt.