Seismograph der Pandemie

Im Auge der Krise: Der Corona-Krisenstab vom Roten Kreuz


Der Krisenstab des Bayerischen Roten Kreuzes kommt zu einer Lagebesprechung zusammen.

Der Krisenstab des Bayerischen Roten Kreuzes kommt zu einer Lagebesprechung zusammen.

Von Tabitha Nagy

Im O2-Hochhaus in München sitzt das Corona-Zentrum vom Roten Kreuz in Bayern. Es ist der Seismograph der Pandemie - und der schlägt nun wieder aus.

München - Wenn Daniel Pröbstl über seine Arbeit spricht, wird schnell klar: Auch für den Katastrophenschutz ist eine Krise, wie wir sie derzeit erleben, einmalig. Der 33-Jährige leitet den Corona-Krisenstab des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK), der seit fast zwei Monaten in der ersten Etage des O2-Towers am Georg-Brauchle-Ring untergebracht ist.

"Ein Krisenstab, wie es ihn noch nie vorher gegeben hat"

Zwischen 15 und 20 Mitarbeiter aus allen Fachbereichen suchen hier nach Lösungen, analysieren die Pandemie-Entwicklung anhand von Fallzahlen und Rückmeldungen aus Bezirks- und Kreisverbänden, kümmern sich um Schutzmaterial. "Es ist ein Krisenstab, wie es ihn noch nie vorher gegeben hat", sagt Pröbstl der AZ. Noch nie bestand ein Stab, der etwa bei Hochwasser oder Zugunglücken eingerichtet wird, so lange wie jetzt, noch nie war er so groß - bei Bedarf kann er auf 30 Mitarbeiter erweitert werden.

Krisenstab-Leiter Daniel Pröbstl.

Krisenstab-Leiter Daniel Pröbstl.

Dreimal täglich gibt es eine Lagebesprechung. Zum Tag der Pflege sind auch der BRK-Präsident Theo Zellner und Gerda Hasselfeldt, Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes, vor Ort. Genau an diesem Tag sorgen Entwicklungen in der Pflege für Aufruhr: Der Verband beschäftigt sich mit Forderungen des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV), dass Pflegekräfte zunächst in Kurzarbeit geschickt werden sollen, bevor sie Leistungen aus dem staatlichen Schutzschirm beziehen dürfen. "Das ist angesichts der hohen Belastungssituation in unseren Altenheimen eine fatale Entwicklung und das vollkommen falsche Signal", so Zellner.

Pflege: Personal- und Geldmangel

BRK-Landesgeschäftsführer Leonhard Stärk sagt der AZ: "Noch vor ein paar Wochen hieß es, wir haben eklatanten Personalmangel. Und dann sollen wir unsere Leute in Kurzarbeit schicken? Wir weigern uns." Es müsse klar sein, dass Leistungen für Pfleger nicht an eine Beantragung von Kurzarbeit gekoppelt sein dürfen.

Zudem bereitet die Finanzierung Sorgen. Kosten für coronabedingte Ausfälle bei Personal und Betten bekommen Pflegeheime zwar von der Regierung erstattet, aber nur zum Teil. Den Rest müssen die Pflegeheime selbst zahlen, was besonders für kleinere Träger schnell zur Belastungsprobe werden könnte, so Stärk. Das BRK fordert auch, dass Pflegekräfte regelmäßig auf Covid-19 getestet werden.

Man sei froh, dass es in den Heimen wieder Besuche gebe, sagt Stabsleiter Pröbstl. Dennoch bereitet sich das BRK auch auf eine zweite Infektions-Welle vor - etwa bei der Materialbeschaffung. Auch hier fehlt Geld: Der Verband ist mit 27 Millionen Euro in Vorleistung gegangen, vom Freistaat gab es erst sieben Millionen zurück. Derzeit fehle es vor allem an Schutzkleidung, dafür könne der Bedarf an Masken besser gedeckt werden. Auch Desinfektionsmittel gebe es im Moment ausreichend. "Ich betone: im Moment. Wir können immer nur den Moment bewerten, im Grunde heute und morgen. Übermorgen kann es wieder ganz anders ausschauen."

Das BRK ist derzeit besonders auf Spenden angewiesen. IBAN: DE067005 0000 0000 022 222; BIC: BYLADEMMXXX; Verwendungszweck: Corona-Soforthilfe

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