Katastrophenschutz
Faeser setzt nicht auf Bunker - Warninfrastruktur wichtiger
14. Februar 2023, 19:33 Uhr aktualisiert am 15. Februar 2023, 5:23 Uhr
Zivilschutz-Bunker für Millionen Menschen wird es in Deutschland nach den Vorstellungen von Bundesinnenministerin Nancy Faeser auch in Zukunft nicht geben. Die vorhandenen Ressourcen sollten besser genutzt werden für eine effektive Warnung, für Notstromaggregate, Notbrunnen und Anlagen zur Aufbereitung von Trinkwasser sowie für mobile Unterkünfte zur vorübergehenden Unterbringung und Versorgung einer größeren Anzahl von Menschen, sagte die SPD-Politikerin bei einer Veranstaltung der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
Auf die Frage, was mit der 2022 begonnenen Bestandsaufnahme zu Bunkern sei, antwortete sie: "Nein, das ist aus meiner Sicht nicht realistisch, dass das ein Szenario ist, sondern wir müssen uns auf andere Dinge konzentrieren."
Außenministerin Annalena Baerbock besichtigte die riesigen Bunkeranlagen unter der finnischen Hauptstadt Helsinki. "In Sachen Zivilschutz ist Finnland Vorreiter in Europa und Vorbild für uns alle", sagte sie. Die unterirdischen Anlagen böten 900.000 Menschen Platz - mehr als die Stadt Einwohner hat. In Friedenszeiten werden die Anlagen unter anderem als Sporthallen genutzt. In Finnland gibt es 50.500 Bunker, die fünf Millionen Menschen Schutz bieten. Das Land hat 5,5 Millionen Einwohner. Die Anlagen stammen aus der Zeit des Kalten Krieges. Finnland hat eine rund 1340 Kilometer lange Grenze zu Russland.
Auf diese lange Grenze verwies Baerbock in einer Antwort auf die Frage, warum Deutschland solche Schutzanlagen nicht habe. Deutschland sei "zum Glück in der Vergangenheit diesem Risiko, dass wir selber verwundbar sind, nicht in dem Maße ausgesetzt" gewesen wie andere Länder, sagte sie. Sie betonte aber auch, dass der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine eine Zeitenwende bedeute. "Vorsorge ist gerade in diesen Zeiten der beste Schutz", sagte sie.
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Leon Eckert sagte: "Es existieren kaum mehr 600 Schutzräume in Deutschland." Ein flächendeckender Ausbau von Schutzräumen wäre extrem teuer - "Geld, das anderweitig für den Bevölkerungsschutz dringend gebraucht wird". An erster Stelle stehe dabei eine Warninfrastruktur, die jeden erreicht. Neben der Abwehrfähigkeit von IT-Attacken müsse der bauliche Schutz kritischer Infrastrukturen in den Vordergrund rücken.
In Deutschland war 2007 entschieden worden, die öffentlichen Schutzräume abzuwickeln. Dieser Prozess wurde im März 2022 - nach Beginn des Ukraine-Kriegs - zunächst gestoppt. Der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Ralph Tiesler, hatte im vergangenen Herbst in einem Interview gesagt, aktuell laufe eine Bestandsaufnahme der noch vorhandenen Bunker und Schutzkeller. 2023 solle dann geschaut werden, "welche davon sich theoretisch wieder reaktivieren lassen". Tiesler wies zugleich darauf hin, dass es auch früher "nie mehr Schutzräume als für drei Prozent der Bevölkerung" gegeben habe.
Das BBK teilte auf Anfrage mit: "Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine wurde die Entlassung öffentlicher Schutzräume aus der Zivilschutzbindung durch den Bund ruhend gestellt und entschieden, gemeinsam mit den Ländern zunächst eine Bestandsaufnahme aller noch dem Zivilschutz unterliegenden Schutzräume vorzunehmen."
Diese komplexe dreistufige Bestandsaufnahme sei mit umfassenden, zum Teil sehr zeitaufwendigen Prüfmaßnahmen verbunden. Dabei werde insbesondere der bauliche Zustand der Anlagen, die Funktionsfähigkeit von zivilschutztechnischen Einrichtungen - etwa Lüftungsanlagen oder Schutzraumtore - sowie die Möglichkeit der Reaktivierung der Anlagen überprüft. Mit einem Abschluss der Bestandsaufnahme sei nach derzeitigem Stand spätestens Ende März zu rechnen. "Im Anschluss wird eine Entscheidung zum weiteren Vorgehen getroffen", teilte ein Sprecher mit. Das Thema dürfte auch auf der nächsten Konferenz der Innenminister von Bund und Ländern zur Sprache kommen, die im Juni in Berlin stattfindet.