Politik
Die Akte Lindner
9. Januar 2023, 18:15 Uhr aktualisiert am 9. Januar 2023, 18:15 Uhr
Wenn der Chef im Schlamassel sitzt, muss sein stärkster Recke ran. In der Immobilienaffäre um Christian Lindner schickt die FDP Wolfgang Kubicki nach vorne. Gewohnt wortgewaltig stürzte er sich ins Getümmel. Der Gegner ist die Generalstaatsanwaltschaft in Berlin, die ein Ermittlungsverfahren gegen Lindner prüft und das öffentlich gemacht hatte.
"Die Berliner Justizsenatorin sollte zurücktreten, mindestens aber die Generalstaatsanwältin entlassen", forderte Kubicki und polterte im gleichen Atemzug wider die Presse: Die Berichte über Lindners enge Beziehung zur BBBank und die Arbeit der Ermittler "sind eine politische Charakterlosigkeit und eine erhebliche Persönlichkeitsrechtsverletzung sondergleichen, die personelle Konsequenzen nach sich ziehen muss." Rumms.
Die Forderung nach personellen Konsequenzen für Journalisten ist im Berliner Betrieb eine Ungewöhnlichkeit, sieht man von der AfD ab. Es gehört zum demokratischen Grundverständnis, dass es die Medien als Kontrolleure der Politiker braucht. Warum Kubicki die Lautstärke derart hochdrehte, bleibt sein Geheimnis. Denn bislang sind die im Raum stehenden Vorwürfe gegen Lindner unangenehm, aber noch keine Bedrohung für seinen Ministerposten.
Im Raum steht eine mögliche Vorteilsnahme durch den Minister
Es geht um die freundschaftlich anmutende Nähe des Ministers zur BBBank, der er seit einigen Jahren verbunden ist. "Ich bin also sehr gerne gekommen", sagte Lindner etwa in einer Rede bei einer Abendveranstaltung des Geldhauses im Jahr 2018. "Ich mache keine Werbung, das verstehen Sie. (…) Dennoch will ich sagen, dass die genossenschaftliche Säule unseres Finanzwesens mir in besonderer Weise sympathisch ist".
In den Jahren 2018 und 2019 trat Lindner fünfmal bei Veranstaltungen des Kreditinstitutes auf, das 1921 als Badische Beamten-Genossenschaftsbank in Karlsruhe gegründet wurde. Er kassierte dabei laut der Bundestagsverwaltung insgesamt zwischen 24 500 und 51 000 Euro. Die genaue Summe lässt sich nicht bestimmen, weil die Abgeordneten ihre Einkünfte in mehreren Stufen mit verschiedenen Geldspannen melden müssen.
Lindner nahm später, als er schon Finanzminister war, ein Grußwort per Video auf. Es wurde zur Feier des 100-jährigen Jubiläums im Mai vergangenen Jahres ausgespielt.
Die enge Beziehung zur BBBank wäre unproblematischer, wenn sie nicht auch den Kauf seines Hauses im vornehmen Berliner Stadtteil Nikolassee per Kredit finanziert hätte. Der FDP-Vorsitzende hatte die Immobilie für 1,65 Millionen Euro erworben und lässt sie nach seinen Wünschen umgestalten. Im Grundbuch steht eine Grundschuld zugunsten der Bank von rund 2,8 Millionen Euro. Diese Zahlen hatte der Spiegel bereits im Herbst ausgegraben.
Wegen der Prüfung durch die Generalstaatsanwaltschaft wird die besondere Beziehung Lindners zu seiner Hausbank wieder zum Aufregerthema. Im Raum steht eine mögliche Vorteilsnahme durch den Finanzminister, der als oberster Dienstherr der behördlichen Finanzaufsicht fungiert. Lindner selbst hat den bekannten Medienanwalt Christian Schertz eingeschaltet, um ihn in der Sache vor Unheil zu schützen.
"Seine private Immobilienfinanzierung hat Herr Lindner lange vor der Übernahme seines Ministeramtes begonnen. Alle Konditionen waren stets marktüblich", teilte Schertz mit. Grußworte zu Firmenjubiläen gehörten außerdem zu den Aufgaben eines Ministers. Seine Auftritte bei Veranstaltungen der Bank "hat Herr Lindner allen Regeln des Deutschen Bundestages entsprechend zudem damals gemeldet, transparent gemacht und veröffentlicht", so der Jurist.
Persönlich äußern wollte sich der FDP-Chef nicht zu seiner Immobilienfinanzierung mit Gschmäckle. Auch sein Ministerium gab sich schmallippig. "Angesicht der Tatsache, dass es sich um eine laufende Prüfung handelt, kann ich mich darüber hinaus nicht äußern", sagte eine Sprecherin.
Der Verein Finanzwende, der der Lobbymacht von Banken und Versicherungen etwas entgegensetzen will, hält Lindners Liaison mit der BBBank für grenzwertig. "Es war ein Fehler, dass Christian Lindner genau mit dieser Bank eine solche Geschäftsbeziehung einging und diese als Minister noch verfestigte", sagte Finanzwende-Geschäftsführer Daniel Mittler der Funke-Mediengruppe. Bei marktüblichen Kreditkonditionen habe Lindner Alternativen gehabt. "Das Mindeste wäre die Offenlegung gewesen", sagte Mittler.