Wahlkampf

Bundestag stimmt mit knapper Mehrheit für härtere Migrationspolitik

Nach dem Messerangriff von Aschaffenburg ist der Umgang mit Migration in den Fokus des Wahlkampfes gerückt. Das Thema dominiert auch die letzte komplette Sitzungswoche des Bundestages. Ein Überblick.


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Harte Debatte im Bundestag zur Migrationspolitik: Friedrich Merz, CDU-Vorsitzender und Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, antwortet im Bundestag auf die Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, M). Links sitzt Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundeswirtschaftsminister. 

Von dpa

Das Wichtigste in Kürze:

  • Nach dem Messerangriff von Aschaffenburg mit zwei Toten hat der Bundestag am Mittwoch hart über eine verschärfte Migrationspolitik debattiert.
  • CDU-Chef Friedrich Merz und die CDU/CSU-Fraktion legten als Reaktion auf den Angriff dem Bundestag zwei Anträge vor. Der erste umfasst einen Fünf-Punkte-Plan, der unter anderem die Zurückweisung von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen, dauerhafte Grenzkontrollen und eine Inhaftnahme vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer beinhaltet. Der zweite Antrag zur inneren Sicherheit sieht zusätzliche Befugnisse für Sicherheitsbehörden vor, unter anderem, dass IP-Adressen länger gespeichert werden dürfen.
  • Die Abgeordneten stimmten dem ersten Antrag mit knapper Mehrheit von nur drei Stimmen zu. Der zweite fand keine Mehrheit.
  • In dem Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, die Inhalte des Fünf-Punkte-Plans zu veranlassen. Der Antrag ist rechtlich jedoch nicht bindend. Abstimmungen über Anträge dienen dem Bundestag einerseits dazu, ein Stimmungsbild aufzuzeigen. Andererseits können die Antragsteller die Bundesregierung auffordern, sich zu Sachfragen zu äußern oder einen Gesetzesentwurf vorzulegen.
  • Am Freitag steht der entsprechende Gesetzesentwurf zur Abstimmung. Zusätzlich werden die Abgeordneten über das Zustrombegrenzungsgesetz final abstimmen. Die Neuregelung soll unter anderem den Familiennachzug zu Geflüchteten mit eingeschränktem Schutzstatus beenden. Sollten das Plenum den Gesetzesentwürfen zustimmen und diese auch den Bundesrat passieren, müssten sie von der Regierung umgesetzt werden.

Alle Details zu der Debatte im Bundestag und die Reaktionen der Fraktionen im Überblick:

Wie haben die Abgeordneten abgestimmt? 

Der erste Antrag für mehr Zurückweisungen erhielt 348 Ja-Stimmen, 345 Nein-Stimmen, 10 Abgeordnete enthielten sich. In der Debatte hatten sich Abgeordnete von Union, FDP und AfD sowie einige fraktionslose Abgeordnete für den Vorschlag ausgesprochen. Das BSW kündigte an, man werde sich enthalten. SPD, Grüne und Linke positionierten sich dagegen.

Der zweite Antrag für weitreichende Reformen bekam 190 Ja-Stimmen, 509 Nein-Stimmen und 3 Enthaltungen. In der Debatte hatten sich Abgeordnete von SPD, Grünen, Linke, BSW, AfD und FDP gegen den Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion ausgesprochen. 

Was steht im ersten Antrag? 

In dem ersten Antrag heißt es: "Es gilt ein faktisches Einreiseverbot für Personen, die keine gültigen Einreisedokumente besitzen und die nicht unter die europäische Freizügigkeit fallen." Dies soll ausdrücklich auch für Menschen gelten, die in Deutschland einen Asylantrag stellen wollen. Wer vollziehbar ausreisepflichtig ist, soll in Haft genommen werden. Vorgesehen ist zudem eine größere Rolle der Bundespolizei bei Rückführungen. 

Ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder sollen unbefristet so lange in Arrest kommen, bis sie freiwillig ausreisen oder die Abschiebung vollzogen werden kann. Gefordert werden auch dauerhafte Grenzkontrollen. Allerdings gibt es seit einigen Monaten auf Anordnung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ohnehin stationäre Kontrollen an allen deutschen Landgrenzen. 

Was steht im zweiten Antrag?

In dem Unionsantrag heißt es: "Wenn Menschen, die bei uns zu Gast sind und Hilfe in Anspruch nehmen, straffällig werden oder Konflikte auf deutschem Boden austragen, muss ihr Aufenthalt beendet werden." Die Befugnisse zur elektronischen Gesichtserkennung sollen ausgeweitet werden - auch an Bahnhöfen und Flughäfen. Telekommunikationsunternehmen sollen zur Speicherung von IP-Adressen verpflichtet werden, mit denen sich Geräte im Internet identifizieren lassen. Der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten, häufig Bürgerkriegsflüchtlinge, sowie alle freiwilligen Aufnahmeprogramme sollen gestoppt werden. Die Einsatzkräfte an den deutschen Grenzen sollen personell verstärkt werden.

Die FDP hatte bereits im Vorfeld erklärt, sie werde dem Antrag wegen der darin enthaltenen Vorschläge zur Vorratsdatenspeicherung nicht zustimmen. Bei der Vorratsdatenspeicherung würden Anbieter gesetzlich verpflichtet, die Telefon- und Internetverbindungsdaten der Nutzer zu sichern, sodass Ermittler später darauf zugreifen können.

Welche Reaktionen gab es nach der Abstimmung?

SPD und Grüne warfen der Union vor, die politischen Mitte verlassen zu haben und machten CDU-Chef Friedrich Merz persönlich dafür verantwortlich. Nach einem solchen Votum, dürfe man "nicht so einfach zur Tagesordnung" übergehen, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich.

Merz bot SPD und Grünen neue Verhandlungen an und versicherte, "keine anderen Mehrheiten als die in der demokratischen Mitte unseres Parlaments" zu suchen. Er fügte hinzu: "Wenn es hier heute eine solche Mehrheit gegeben hat, dann bedaure ich das."

Die AfD-Fraktion sprach von einem historischen Moment. "Herr Merz, Sie haben geholfen, den hervorzubringen", rief Fraktionsgeschäftsführer Bernd Baumann dem CDU-Chef zu. "Jetzt und hier beginnt eine neue Epoche. Jetzt beginnt etwas Neues. Und das führen wir an, das führen die neuen Kräfte an, das sind die Kräfte von der AfD."

Was war der Inhalt von Scholz' Regierungserklärung? 

Scholz warf Merz in seiner Regierungserklärung vor, die klare Abgrenzung zu extrem rechten Parteien aufzugeben. "Sie nehmen die Unterstützung der AfD für Ihre rechtswidrigen Vorschläge offen in Kauf", rief er dem Oppositionsführer in seiner Regierungserklärung im Parlament zu. Scholz sprach Merz die Regierungsfähigkeit ab, weil er Pläne vorlege, die dem Grundgesetz und dem EU-recht widersprächen. "Es gibt Grenzen, die darf man als Staatsmann nicht überschreiten", sagte er. "Politik in unserem Land ist doch kein Pokerspiel. Der Zusammenhalt Europas ist kein Spieleinsatz. Und ein deutscher Bundeskanzler darf kein Zocker sein. Denn er entscheidet im schlimmsten Fall über Krieg oder Frieden."

Wie reagierte Merz auf Scholz' Rede?

Merz wies den Vorwurf der Rechtswidrigkeit klar zurück. Der EU-Vertragsartikel 72 eröffne dem nationalen Recht den Vorrang bei einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, sagte er. "Wie viele Kinder müssen noch Opfer solcher Gewalttaten werden, bevor sie auch der Meinung sind, dass es sich hier um eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung handelt?", fragte er. Zudem sei im Artikel 16a des Grundgesetzes ausdrücklich geregelt, dass sich nicht auf das Grundrecht auf Asyl berufen könne, wer aus einem EU-Mitgliedstaat oder einem Land einreise, in dem die Europäische Menschenrechtskonvention gelte.

Merz verwies darauf, dass alle Versuche, mit SPD und Grünen zu einem Konsens in der Migrationspolitik zu kommen, in den letzten drei Jahren gescheitert seien. Nun wolle er "aufrechten Ganges das tun, was unabweisbar in der Sache notwendig ist". Dafür nehme er auch Bilder von jubelnden AfD-Abgeordneten in Kauf, auch wenn diese "unerträglich" sein werden. Scholz' Mutmaßung, dass die Union nach der Wahl eine Koalition mit der AfD eingehen könnte, wies Merz als "niederträchtig" und "infam" zurück: "Ich werde alles tun, das zu verhindern."

Was war der Auslöser für die neue Migrationsdebatte? 

Ein offenbar psychisch kranker Mann aus Afghanistan hatte am Mittwoch vergangener Woche einen zweijährigen Jungen mit marokkanischen Wurzeln aus einer Kindergartengruppe mit einem Messer getötet. Ein 41 Jahre alter Familienvater, der sich zwischen Angreifer und Kinder stellte, starb ebenfalls. Weitere Menschen wurden schwer verletzt, darunter ein zwei Jahre altes Mädchen syrischer Abstammung. Der 28 Jahre alte Angreifer war ausreisepflichtig, er befindet sich in einer psychiatrischen Einrichtung. Der Tat ging eine Reihe anderer Attacken voraus, bei denen ebenfalls Ausländer unter Tatverdacht stehen.

 

2 Kommentare:


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Christian L.

am 29.01.2025 um 18:09

Ist das in der Sache jetzt gut oder schlecht?



Roger S.

am 30.01.2025 um 08:02

Frage, was ist schlecht am 1. Antrag: "Es gilt ein faktisches Einreiseverbot für Personen, die keine gültigen Einreisedokumente besitzen und die nicht unter die europäische Freizügigkeit fallen." und 2. Antrag: "Wenn Menschen, die bei uns zu Gast sind und Hilfe in Anspruch nehmen, straffällig werden oder Konflikte auf deutschem Boden austragen, muss ihr Aufenthalt beendet werden."? Weil eine demokratisch gewählte Partei hier ihre Zustimmung erteilt hat zur Sache? Nein! Richtig so. Am 23. Februar finden die Wahlen statt. Sollte der Wählerwille durch die Verteilung der Stimmen eine Mehrheit für die CDU/CSU auf Platz 1 und die AfD auf Platz 2 ergeben, ist es im demokratischen Prozess wichtig, dass die Ergebnisse respektiert werden. In diesem Fall würde es der Verantwortung der beiden Parteien entsprechen, die gewonnenen Mandate anzunehmen und ihre politischen Aufgaben gemäß dem Wahlergebnis wahrzunehmen. Dies stellt sicher, dass der Wählerwille in der politischen Gestaltung angemessen berücksichtigt wird.



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