Pandemie
Bundestag soll künftige Corona-Schutzregeln beschließen
18. März 2022, 7:41 Uhr aktualisiert am 18. März 2022, 7:41 Uhr
Viele Länder Europas haben die meisten Corona-Vorschriften fallen gelassen. Künftig soll es auch hierzulande nur noch Basisregeln geben. Doch nicht nur aus den Bundesländern kommt Kritik daran.
Die umstrittenen Pläne der Ampel-Koalition für die künftigen Corona-Schutzregeln in Deutschland sollen am Freitag besiegelt werden. Am Vormittag soll der Bundestag (9 Uhr) die geplante neue Rechtsgrundlage für Alltagsauflagen beschließen.
Kurz danach (12.30 Uhr) soll sich der Bundesrat in einer Sondersitzung abschließend damit befassen. Die Gesetzespläne sehen nur noch wenige allgemeine Vorgaben zu Masken und Tests in Einrichtungen für gefährdete Gruppen vor. In Bussen und Bahnen soll weiterhin Maskenpflicht gelten können.
Für regionale "Hotspots" kann es jedoch weitergehende Beschränkungen geben, wenn das Landesparlament für diese eine besonders kritische Corona-Lage feststellt. Die neue Rechtsgrundlage soll von diesem Sonntag an gelten, da die jetzige am Samstag endet. Zahlreiche Bundesländer wollen aber noch eine vorgesehene Übergangsfrist nutzen und aktuell geltende Schutzregeln bis zum 2. April aufrechterhalten.
Beratungen und Streitigkeiten
Bei den Beratungen von Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Ministerpräsidenten der Länder hatte es Streit über den neuen Rechtsrahmen gegeben. Konkrete Beschlüsse für das weitere Vorgehen im Frühjahr wurden nicht gefasst. Von Länderseite kam parteiübergreifend Kritik an den Plänen der Bundesregierung. Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Hendrik Wüst (CDU) aus Nordrhein-Westfalen, nannte die geplante Neuregelung "rechtlich unsicher und praktisch nicht umsetzbar". Das gelte vor allem für die Regelung zu "Hotspots" in kritischer Lage. Scholz hatte die Pläne verteidigt.
Im Bundesrat ist das Gesetz nicht zustimmungspflichtig. Für einen möglichen Antrag auf eine Anrufung des Vermittlungsausschusses wäre eine Mehrheit von 35 Stimmen in der Länderkammer nötig. Zugleich besteht Zeitdruck für eine schnelle Anschlussregelung, da sonst ab Sonntag gar keine Rechtsgrundlage für Corona-Maßnahmen mehr bestünde.
Auch Kommunen sehen den künftigen Rechtsrahmen kritisch. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, bezeichnete die Hotspot-Regelung in der "Rheinischen Post" (Freitag) als unpraktikabel. Sie führe zu einem "Flickenteppich". Landsberg begrüßte, dass die Länder die Übergangsregelungen bis zum 2. April nutzen wollen. Danach "wäre es sinnvoll, jedenfalls die Maskenpflicht nicht nur in den öffentlichen Verkehrsmitteln, sondern auch in öffentlich zugänglichen Räumen aufrecht zu erhalten, etwa in Behörden, in Geschäften oder bei Veranstaltungen".
Corona-Maßnahmen in anderen Ländern
Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, sieht die Hotspot-Regelung ebenfalls als "bürokratisch und zu träge" an. Betroffene Landkreise sollten selbst über schärfere Instrumente und ohne vorherigen Beschlusses des Landtags entscheiden können, forderte Sager in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Freitag). Den weitgehenden Verzicht auf den bewährten Instrumentenkasten wertete Sager als "vielleicht etwas zu mutig".
Der Bundesvorsitzende des Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, bezeichnete die politische Debatte zwischen Bund und Ländern in den vergangenen Tagen als "chaotisch". Nach der Ministerpräsidentenkonferenz bleibe vollkommen unklar, nach welchen Kriterien die Politik die Corona-Lage bewerte, sagte Weigeldt der "Rheinischen Post". "Das ist Pandemie-Bekämpfung nach tagesaktuellem Bauchgefühl."
FDP-Vize Wolfgang Kubicki hingegen verteidigte die Pläne der Koalition. Fast alle Länder um Deutschland herum hätten ihre Corona-Maßnahmen ohne Probleme für ihr Gesundheitssystem gelockert, sagte er der "Augsburger Allgemeinen". "Wir müssen den gleichen Weg gehen, sonst sind wir der Geisterfahrer in Europa", warnte der Liberale.