Landtagswahl

Brandenburg-Wahl: Wankt Scholz, wenn Woidke fällt?


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Für die SPD steht bei der Brandenburg-Wahl viel auf dem Spiel. (Archivild)

Von dpa

Bundeskanzler Olaf Scholz ist weit weg, wenn am Sonntag in den Berliner Parteizentralen die ersten Prognosen zur Wahl in Brandenburg über die Bildschirme rauschen. Bei ihm wird es dann 12.00 Uhr mittags sein. High Noon. Der SPD-Politiker nimmt am Zukunftsgipfel der Vereinten Nationen in New York teil, zu dem alle 193 Mitgliedstaaten eingeladen sind. Deutschland und Namibia sind Gastgeber der seit mehr als einem Jahr terminierten Veranstaltung, da darf der deutsche Regierungschef nicht fehlen.

Vielleicht ist es dem Kanzler aber sogar ganz recht, sich die Wahlergebnisse erst einmal aus sicherer Entfernung anzuschauen. Denn Scholz kann bei dieser Wahl eigentlich nichts gewinnen.

Sollte Ministerpräsident Dietmar Woidke sein Ziel erreichen, und die SPD doch noch zur stärksten Partei vor der zurzeit in den Umfragen führenden AfD machen, dann wird es heißen: Er hat das nur geschafft, weil er konsequent auf die Wahlkampfhilfe des Kanzlers verzichtet und sich in der Migrationsdebatte sogar gegen die SPD-geführte Bundes-Ampel positioniert hat.

Sollte Woidke nur auf Platz zwei landen und dann wie ankündigt die Regierungsbildung jemand anderem aus der SPD überlassen, wird man wieder einmal Scholz und seine zerstrittene Regierung dafür verantwortlich machen. Eine Lose-Lose-Situation also für den Kanzler.

Es gibt auch noch ein drittes Szenario, das nach den letzten Umfragen aber nur noch ein theoretisches ist. Dass die SPD auch noch von der CDU oder dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) überholt wird und den Ministerpräsidentenposten verliert, gilt als praktisch ausgeschlossen. Aber auch Platz zwei könnte die Bundespartei ein Jahr vor dem regulären Termin für die Bundestagswahl ziemlich durchschütteln - und gefährlich für Scholz werden.

Spätestens seit den verheerenden Ergebnissen der SPD bei der Europawahl sowie bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen gilt der Kanzler als angezählt. Seine persönlichen Umfragewerte sind seit Monaten tief im Keller. Im aktuellen ZDF-Politbarometer bewerten 65 Prozent seine Arbeit als eher schlecht und nur 32 Prozent als positiv. Die SPD liegt in den Umfragen zur Bundestagswahl bei dürftigen 14 bis 16 Prozent, die CDU/CSU kommt stabil auf mehr als das Doppelte. Dass der Unmut sich noch nicht Bahn gebrochen hat, ist vor allem der Rücksicht auf den Wahlkampf in Brandenburg geschuldet.

Allerdings hat mit Franz Müntefering nun ausgerechnet der beliebteste noch lebende Ex-Parteichef kürzlich ausgesprochen, was so mancher in der SPD denkt: Die Frage der Kanzlerkandidatur bei der nächsten Bundestagswahl sei offen, sagte er dem "Tagesspiegel". Und er lobte Verteidigungsminister Boris Pistorius, der in allen Politiker-Ranglisten weit vor Scholz auf Platz eins liegt. Dieser inszeniere sich nicht als "feiner Minister", sondern sei "ein Oberbürgermeister-Typ", und das sei seine Stärke. "Pistorius wirkt dadurch natürlich und ist deshalb für wichtige Ämter im Gespräch."

Wenige Tage später wagte sich mit dem Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter der erste prominente Kommunalpolitiker aus der Deckung. "Wenn jemand wie Boris Pistorius ein solches Ansehen hat, muss die SPD auch darüber nachdenken, ob er die beste Wahl für die Kanzlerkandidatur ist oder ob man mit dem amtierenden Bundeskanzler ins Rennen geht", sagte er dem "Tagesspiegel".

Die Debatte ist damit bereits eröffnet. Nach der Brandenburg-Wahl könnte sie anziehen, wenn Woidke verliert. Daran dürfte dann auch das Abwiegeln des Verteidigungsministers nichts mehr ändern. "Der Glaube, (…) einer könnte der Messias sein oder eine, den halte ich für einen Irrglauben", sagte Pistorius noch am Donnerstagabend bei einer Veranstaltung der "Zeit" in Hamburg. Über Szenarien für den Fall einer Niederlage Woidkes wollte er nicht spekulieren.

Auch die anderen beiden Ampel-Parteien gehen in eine schwierige Wahl. Die Grünen müssen erneut um den Wiedereinzug in einen Landtag bangen: Umfragen sehen sie an der Fünf-Prozent-Grenze - bei der letzten Landtagswahl kamen sie noch auf ein zweistelliges Ergebnis. Die Fortsetzung der schwergängigen Ampel-Koalition wird aber bisher nicht infrage gestellt - auch wenn Parteichef Omid Nouripour jüngst mit den Begriffen "Übergangskoalition" und "Übergangslösung" sehr deutlich gemacht hat, welche Perspektiven er für das Zweckbündnis mit SPD und vor allem FDP sieht. Bis zur nächsten Bundestagswahl will man aber durchhalten.

Auch die FDP kann mit Umfragewerten von vier Prozent auf Bundesebene eigentlich kaum ein Interesse an Neuwahlen haben. Der Unmut über die Ampel ist bei den Liberalen aber besonders groß. Nach den Wahlen in Thüringen und Sachsen, wo sie nur noch auf 1,1 und 0,9 Prozent kam, war es nicht nur der übliche Verdächtige Wolfgang Kubicki, stellvertretender Parteivorsitzender, der eine Fortsetzung des Bündnisses offen infrage stellte. Auch andere Bundestagsabgeordnete wie die nicht gerade als Krawallmacherin bekannte Vize-Fraktionschefin Gyde Jensen stimmten ein.

Fest steht schon jetzt, dass jede einzelne Ampel-Partei sich nach der Brandenburg-Wahl noch stärker auf sich selbst besinnen wird. Selbst die SPD, die sich lange Zeit in der Moderatorenrolle zwischen Grünen und FDP sah, will diese nun ganz ablegen. Am Sonntagabend um 18.00 Uhr beginnt der Bundestagswahlkampf so richtig. Inhaltliche Kompromisse werden dann noch schwieriger, als sie ohnehin schon sind.

Und Konfliktthemen gibt es in der Ampel von der Migrationspolitik über den Haushalt und die Wachstumsinitiative bis zu Rente und Tariftreuegesetz wahrlich genug - und damit vielleicht doch noch potenzielle Bruchstellen für die Koalition. FDP-Parteichef Christian Lindner spricht von einem "Herbst der Entscheidungen" - und kokettiert mit einem vorzeitigen Ende der Ampel. Manchmal bedeute Mut, trotz Kontroversen in einer Koalition zu bleiben, sagte er der "Rheinischen Post". "Manchmal bedeutet Mut aber auch, ins Risiko zu gehen, um neue politische Dynamik zu schaffen."

Die Union kann vergleichsweise entspannt in die Brandenburg-Wahl gehen. CDU-Chef Friedrich Merz hat Fakten geschaffen - und mit dem CSU-Vorsitzenden Markus Söder wenige Tage vor dem Wahltag die seit langem im Raum schwebende K-Frage geklärt. Merz macht's. Die getrennte Zustimmung der Unionsgremien am Tag nach der Brandenburg-Wahl ist nur noch Formsache. Doch direkt danach beginnt die Zeit der Bewährungsprobe. Hält der Burgfrieden zwischen Merz und Söder? Zweifel sind angebracht.

Dass CDU-Spitzenkandidat Jan Redmann in Brandenburg kaum Chancen hat, Ministerpräsident zu werden, gilt intern als eingepreist. Selbst wenn die Landespartei hinter dem Bündnis Sahra Wagenknecht auf Platz vier landen würde, werde das den frisch gekürten Kanzlerkandidaten Merz kaum beschädigen, glauben sie in der CDU. Dann könnten eher noch die schwierigen Regierungsbildungen in Sachsen und Thüringen für Turbulenzen sorgen und Merz ins Schlingern bringen.

Der Blick auf die Bundestagswahl ist nach Brandenburg übrigens ziemlich unverstellt. Bis zum 28. September 2025 gibt es nur noch eine Landtagswahl, und die findet in Scholz' Heimatstadt statt: Am 2. März wählt Hamburg eine neue Bürgerschaft. Die bundespolitische Bedeutung wird in Berlin aber gering eingeschätzt. In der Hansestadt gelten eigene Gesetze, heißt es.


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