Abgeordnetenhauswahl
Berliner CDU will mit SPD Koalitionsverhandlungen aufnehmen
2. März 2023, 2:07 Uhr aktualisiert am 2. März 2023, 19:41 Uhr
Knapp drei Wochen nach der Wiederholungswahl in Berlin zeichnet sich das Aus für die bisherige rot-grün-rote Regierungskoalition ab. Der Wahlsieger CDU kündigte heute an, Koalitionsverhandlungen mit der SPD aufzunehmen. Zwar sei auch in den Sondierungsgesprächen mit den Grünen "neues Vertrauen" entstanden. "Nichtsdestotrotz gibt es mehr inhaltliche Schnittmengen mit den Sozialdemokraten", sagte der CDU-Fraktions- und Landesvorsitzende Kai Wegner.
Der Landesvorstand der Sozialdemokraten hatte sich bereits am Mittwoch für Koalitionsgespräche mit der CDU entschieden - obwohl auch das bisherige Dreierbündnis von SPD, Grünen und Linken im neuen Parlament eine Mehrheit gehabt hätte. Die bisherigen Koalitionäre zeigten sich enttäuscht vom Vorgehen der Sozialdemokraten.
Nach Angaben Wegners sollen die Koalitionsverhandlungen in der kommenden Woche beginnen. Sollten diese erfolgreich abgeschlossen werden, dürfte der 50-Jährige neuer Regierender Bürgermeister werden und die erst seit Dezember 2021 als Regierungschefin amtierende Franziska Giffey ablösen. Die SPD-Landesvorsitzende hat ihre Bereitschaft erklärt, Senatorin in der neuen Landesregierung zu werden. Einen Regierungschef in Berlin hatte die CDU zuletzt mit Eberhard Diepgen gestellt, der von 1984 bis 1989 und von 1991 bis 2001 amtierte.
"Wir haben uns einen sehr straffen Zeitrahmen gesetzt. Wir haben gesagt, wir wollen in vier Wochen fertig sein", sagte Wegner im Fernsehsender "Welt". "Also Ende März soll der Koalitionsvertrag stehen." Dann folge die Mitgliederbefragung der SPD zu den Vereinbarungen. Aus Wegners Sicht ist es realistisch, dass der Senat Ende April oder Anfang Mai starten könne.
Seit 17. Februar hatten die Parteien in Sondierungen ausgelotet, ob es eine gemeinsame Basis für Koalitionsverhandlungen und für eine Regierungsbildung gibt. Die CDU sprach je dreimal mit SPD und Grünen. SPD, Grüne und Linke kamen ebenfalls dreimal zusammen.
"Wir haben eine ganz klare Prämisse", sagte Wegner. "Wir wollen, dass Berlin Berlin bleibt." Aber es müsse an allen Stellen wieder funktionieren. Wichtig seien eine funktionierende Verwaltung, eine sichere und saubere Stadt und eine gut ausgestattete Polizei, die jene Unterstützung bekommen, die sie brauche. Wegner kündigte außerdem Lösungen an, um dem "Mietennotstand" Herr zu werden. Der Mieterschutz müsse auf neue Beine gestellt werden. "Wir wollen den Wohnungsneubau voranbringen und das Angebot hochfahren", sagte er. In der Mobilitätspolitik sei das Ziel, die Interessen von Radfahrern, Fußgängern, ÖPNV-Nutzern und Autofahrern gleichermaßen zu berücksichtigen. Ein weiterer Schwerpunkt werde der Klimaschutz sein.
Am Montag sei geplant, die Arbeitsgruppen für die Verhandlungen einzusetzen. In den Tagen darauf werde die Dachgruppe mit dem Spitzenvertretern der Parteien zum ersten Mal zusammenkommen und das weitere Prozedere beraten.
Die CDU hatte die Wiederholungswahl am 12. Februar mit 28,2 Prozent gewonnen. SPD und Grüne bekamen beide 18,4 Prozent. Die Sozialdemokraten haben mit 53 Stimmen nur einen hauchdünnen Vorsprung vor den Grünen. Sie schnitten so schlecht ab wie noch nie bei einer Abgeordnetenhauswahl. Die Linke kam auf 12,2 Prozent, die AfD auf 9,1. Die FDP flog mit 4,6 Prozent aus dem Parlament, das nun fünf statt bisher sechs Fraktionen hat.
Die SPD-Landesvorsitzende Giffey hatte den Schwenk ihrer Partei von Rot-Grün-Rot zur CDU mit "Respekt vor dem Wahlergebnis" begründet. Mit den bisherigen Partnern Grüne und Linke habe es keinen Neubeginn geben können.
"Es hatte sich für uns nicht angedeutet", sagte die Linken-Landesvorsitzende Katina Schubert der Tageszeitung "taz" (Online). "Sowohl der Stil, wie es bekannt wurde, als auch die Begründung, mit der das erfolgt, ist mir in keinster Weise nachvollziehbar." Die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus, Silke Gebel, sagte dem Fernsehsender Phoenix: "Wenn man sechs Jahre gut zusammenarbeitet, ist es doch sehr seltsam, überraschend und ein ganz klarer Vertrauensbruch, wenn man dann von einem Koalitionspartner aus der Zeitung erfährt, dass er sich für jemand anderen entschieden hat." Natürlich sei es das gute Recht der SPD, einen anderen politischen Weg einzuschlagen, "es gebietet doch der Anstand, dass man dann das persönliche Gespräch sucht".
Die Wahl am 26. September 2021 hatte der Berliner Verfassungsgerichtshof wegen "schwerer systemischer Mängel" und zahlreicher Wahlfehler für ungültig erklärt. Das Gericht ordnete eine komplette Wiederholung an. An der Dauer der fünfjährigen Legislaturperiode ändert sich nichts. Sie endet also 2026.