Es ist gar nicht so schwer
Tüten, Kosmetik, Strohhalme: So vermeiden Sie Plastik
19. Mai 2019, 8:37 Uhr aktualisiert am 19. Mai 2019, 8:37 Uhr
Die Deutschen verbrauchen weniger Plastiktüten - und doch immer noch zu viel Kunststoff. So schaffen auch Sie es zu verzichten. Es ist gar nicht so schwer.
München - Die Tüte kommt langsam aus der Mode, sehr langsam. Im vergangenen Jahr verbrauchten die Menschen in Deutschland 24 Tüten - das waren fünf weniger als im Jahr zuvor. Diese Zahlen hat die Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung am Freitag veröffentlicht. Trotzdem: Nirgends in der EU wird pro Kopf mehr Verpackungsmüll verbraucht als in Deutschland: 220 Kilo pro Kopf und Jahr sind es hierzulande. Der europäische Durchschnitt liegt bei 167,3 Kilo.
Die AZ hat einige Tipps zusammengefasst, wie auch Sie es schaffen können in Ihrem Haushalt Plastik weitestgehend einzusparen.
Konkrete Tipps um Plastik zu vermeiden
Ziel ist: "Auf so viel Plastik wie möglich zu verzichten: zu Hause, beim Einkaufen und unterwegs", sagt Autorin Charlotte Schüler im Interview mit der AZ. Damit die Umstellung leichtfällt, hier sieben Schritte für den Anfang:
- Das allerwichtigste: Das Ablehnen lernen. Lehnen Sie Plastiktüten oder Werbegeschenke konsequent ab - mit der Erklärung, sie wollen Müll sparen.
- Vermeiden Sie Impulskäufe. Fragen Sie sich: Brauche ich das wirklich? Habe ich nicht schon Ähnliches?
- Bereit für die Herausforderungen im Plastikwahnsinn? Starten Sie an einem Wochenanfang, rät die Psychologie.
- Verbannen Sie alle Plastikflaschen und Plastikdosen aus ihrem Alltag: Kaufen Sie sich eine Trinkflasche aus Edelstahl, kaufen Sie eine Brotzeitbox aus Metall und einen Baumwollbeutel für Semmeln.
- Küchenbretter und Kochlöffel aus Plastik durch hochwertige Utensilien aus Holz, Edelstahl oder Keramik ersetzen - auch wenn die teurer sind. So vermeiden Sie, dass durch Abrieb winzige Plastikpartikel in das Essen und in ihren Körper wandern.
- Bevor Sie Lebensmittel ohne eine Plastikverpackung einkaufen, brauchen Sie die Vorräte auf. Räumen Sie ihren ganzen Küchenschrank aus. Organisieren Sie sich Schraubgläser und Einweckgläser für Nudeln, Linsen, Nüsse, Zucker, Mehl und mehr.
- Nie wieder herkömmliches Spülmittel in der Plastikflasche kaufen: Hier ein altes Rezept, das sich bewährt hat: Ein Esslöffel Soda, ein Esslöffel Natron und 500 ml Wasser. In eine Glasflasche füllen - und gut schütteln. Die Flüssigkeit bleibt wässrig und schaumlos. Die Zutaten gibt's im Drogerie-Markt, im Bio-Markt und im nachhaltigen Online-Handel, z.B. bei: www.naturlieferant.de
Kosmetik ohne Kunststoffe
Bei der täglichen Pflege kann man gut an Plastik sparen. Haarseifen (am besten ohne Palmöl) verursachen viel weniger Verpackungsmüll als Shampoos, mit dem Saft einer halben Zitrone kann man die Haare danach noch glänzender machen.
Wer beim Abschminken sparen möchte: Ein Abschminktuch aus Bambusfasern oder selbst gemachte Abschminkpads reduzieren Müllberge. Statt klassischer Abschminkprodukte kann man zu Kokosöl (am besten fair gehandelt und in Bio-Qualität) greifen. Kokosöl kann man im Glas kaufen.
Ebenfalls sparen kann man, indem man aufhört, Reisegrößen zu kaufen. Besser ist es, umzufüllen. Eine alte Reisegrößenpackung von Sonnenmilch lässt sich einfach wiederauffüllen.
Alternativen zu Plastik
Die Industrie wirbt mit Alternativen zu Plastik, leider macht das die Entsorgung teilweise sogar noch komplizierter. Denn nicht jede Alternative ist automatisch gut.
- Biologisch abbaubarer Kunststoff: Ist ebenfalls Plastik, er zerfällt, ohne Giftstoffe zurückzulassen. Allergings tun das mache dieser Kunststoffe nur in speziellen Kompostieranlagen. Für den Verbraucher schwer einzuschätzen.
- Kompostierbarer Abfall darf nicht auf den heimischen Komposthaufen. Auch er zerfällt nur in industriellen Kompostieranlagen.
- Es gibt heimkompostierbaren Kunststoff, allerdings: Der Zersetzungsprozess kann lange dauern.
- Biokunststoff besteht aus natürlichen Materialien. Wird derzeit noch erforscht.
Keine Plastikstrohhalme mehr!
Bunte Strohhalme aus Plastik sind eine überflüssige Müllquelle. Der Wunsch bei der Bestellung: "Ohne Halm, bitte", wird fast immer beachtet, hat die junge Plastikvermeiderin Charlotte Schüler festgestellt. Die EU will diese Plastik-Einwegprodukte ab 2021 verbieten.
- Wer das Saugen am Halm aber sehr liebt - oder ein Getränk mit viel Eis im Glas vor sich hat - kann einen wiederverwendbaren Trinkhalm aus Glas, Bambus oder Edelstahl nehmen. Hier die Vorteile jeder Variante:
- Tipp für Partys: Naturstrohhalme aus Roggen. Wenn das Glas ausgetrunken ist, kann der Gastgeber die benutzten Trinkhalme ohne schlechtes Gewissen in den Bio-Müll werfen.
- Moderner Trinkhalm aus bruchsicherem Glas: Der wichtigste Vorteil ist, "man sieht, ob der Halm innen auch richtig sauber ist", findet Charlotte Schüler.
- Bambus: Zwar sind Bambushalme ökologisch und schön leicht, aber nicht zu 100 Prozent geschmacksneutral.
- Idee für den nächsten Kindergeburtstag: Lange Makkaroni als Halme verteilen. Das spart Plastik - und die kleinen Gäste finden die Nudeln witzig.
Plastik vermeiden in Unverpackt-Läden
Hier riecht es so gut, das erinnert an früher", bekommt Christine Kilech in ihrem Laden oft zu hören. Denn im "Mutternatur" in Harlaching gibt es die Lebensmittel wie anno dazumal: an einer Bedientheke - und offen: ohne Verpackung. Im Laden duftet es dann eben nach Getreide, aromatischen Gewürzen und Bio-Äpfeln. Eine nostalgische olfaktorische Mixtur, genau wie in den Tante-Emma-Läden der 70er Jahre, sagen viele Kunden.
Egal ob Linsen, Gurken oder Tee: Plastikfrei und nachhaltig, unverpackt und regional sind alle Waren in den Regalen aus Naturholz: Nichts hat eine Plastikhülle. Damit ist das "Mutternatur" der vierte "Unverpackt-Laden" in München.
Die 46-jährige Inhaberin Christine Kilech wohnt nur wenige Häuser weiter und hat vier Kinder. Mittags bietet sie in Harlaching Salate, belegte Brote und Karotten-Ingwersuppe. Dazu serviert sie einen Mandel- oder Haferdrink.
Besonders breit ist ihr "Unverpackt"-Sortiment: Backzutaten, Nudeln oder Reis, Essig und Öl werden für die Kunden in mitgebrachte Beutel, Dosen und Flaschen abgefüllt.
Die Heumilch zapfen sich die Verpackungsvermeider alle selbst. Wer Alternativen zum bunten Plastikstrohhalm sucht, wird hier fündig. Außerdem gibt es Säckchen aus Bauernleinen für Brotlaibe, für Obst und Gemüse.
Second-Hand-Möbel, auch alte Kinositze, und eine Kinderspielecke machen "Mutternatur" zum neuen Harlachinger Familientreff: "Nudeln, Bio-Gemüse und Spülmittel gehen besonders."
Auch das Café läuft. "Wir wurden von Anfang an gut angenommen", freut sich Christine Kilech aus dem Münchner Süden. Ihr modernes Tante-Emma-Sortiment ist frei von Parabenen, Silikonen und garantiert auch "tierversuchsfrei". (Grünwalder Straße 244, www.mutternaturladen.de).
Noch ein paar Tipps zum Plastik vermeiden
Zum Schluss gibt's hier noch ein paar Extra-Tipps für besonders Fleißige:
- Butter wird oft in Plastikschälchen verkauft. Diese kann man recyceln, weniger Müll erzeugen allerdings Pergamentverpackungen.
- Ersetzen Sie Spülschwämme durch Bürsten mit Holzgriff. Sie halten länger.
- Outdoorkleidung enthält viele Kunstfasern, die sich beim Waschen lösen und so in den Wasserkreislauf geraten. Deshalb sollte man sie selten waschen und wenn, dann in einem speziellen Waschbeutel, der die Plastikrückstände daran hindert, ins Wasser zu gelangen (z.B. Guppyfriend, 30 Euro, gibt es über den Waschbär-Versandhandel). Ebenfalls wichtig: Darauf achten, Produkte zu kaufen, bei denen die Hersteller einen Reparatur-Service anbieten. Vieles lässt sich flicken.
- Es ist besser, große Packungen zu kaufen als kleine. Besonders überflüssig: Packungen, in denen wiederum kleinere Einzelpackungen sind (z.B. bei Gummibärchen).
- Kaufen Sie keine Luftballons mehr, sie sind nur kurz schön und dann sehr lange Plastikmüll. Es gibt auch Dekomöglichkeiten aus Papier.
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