Tradition auf Nordseeinsel
Klaasohm ohne Prügel? Borkumer feiern umstrittenen Brauch
5. Dezember 2024, 18:44 Uhr
Begleitet von einem Polizeiaufgebot und von einem großen medialen Interesse hat auf der Nordseeinsel Borkum der umstrittene Nikolausbrauch Klaasohm begonnen. Kurz vor dem Beginn des Festes, bei dem in der Vergangenheit gewalttätige Übergriffe auf junge Frauen dokumentiert worden waren, bekräftigte der Vorsitzende des Vereins Borkumer Jungens, Maxi Rau, dass es keine Schläge mit Kuhhörnern gegen Frauen mehr geben soll.
"Was ich Ihnen auf jeden Fall versichern kann ist, dass wir Gewalt gegen Frauen ab jetzt nicht mehr tolerieren", sagte Rau, der als Vorsitzender auch Oldermann genannt wird, bei einer Pressekonferenz. In den Verein, der das Fest veranstaltet, dürfen nur männliche Inselbewohner ab 16 Jahren eintreten.
Borkums Bürgermeister Jürgen Akkermann (parteilos) setzt darauf, dass die Zusage der Borkumer Jungens gilt. Dazu habe der Verein, wie in den Vorjahren schon, seinen Mitgliedern eine klare Ansage gemacht. "Das ist verboten und das ist dieses Mal noch eindringlicher gemacht worden", sagte der Bürgermeister der Deutschen Presse-Agentur. "Wir wollen das nicht mehr, auch wenn es früher so war. Wir distanzieren uns da ganz klar von."
Bei dem Brauch, der seit Generationen auf der ostfriesischen Insel gefeiert wird, verkleiden sich am Vorabend vor dem Nikolaustag sechs junge Männer mit Masken, Schafsfellen und Vogelfedern als sogenannte Klaasohms.
Das Fest steht in diesem Jahr besonders im Fokus: Ein Bericht des ARD-Magazin "Panorama" hatte vor einigen Tagen gewalttätige Übergriffe auf Frauen bei vorherigen Klaasohm-Festen auf der ostfriesischen Insel dokumentiert. In dem Beitrag berichten Borkumerinnen anonym von aggressiven Übergriffen. Ein Team filmte im vergangenen Jahr, wie Frauen bei dem Fest auf der Straße von "Fängern" festgehalten wurden und ihnen die Klaasohms mit einem Kuhhorn auf den Hintern schlugen.
Die Recherche löste bundesweit Empörung aus. Die Borkumer Jungens kündigten danach an, den "Brauch des Schlagens" abzuschaffen.
Zum Auftakt des Festes am Nachmittag war die Stimmung auf den Straßen ausgelassen. Zuerst wurden die Klaasohms von Borkumerinnen und Borkumern an ihren Vereinslokalen abgeholt und zu einer Halle geführt - begleitet von lautem Tuten mit Hörnern. Viele Teilnehmer hatten Kuhhörner dabei.
Auch viele Familien, junge Mädchen und Kinder begleiteten die Klaasohms auf ihrem Zug, wie ein dpa-Reporter berichtete. Nach vorläufigen Schätzungen der Polizei waren rund 500 Menschen auf den Straßen unterwegs. Bis zum späten Nachmittag sei "alles störungsfrei" abgelaufen, sagte eine Polizeisprecherin.
Am frühen Abend kam es - der Tradition folgend - in einer Halle unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu einem symbolischen Kampf der Klaasohms. Danach laufen die Klaasohms unter großem Getöse auf festgelegten Routen durch die Stadt. Bislang gehörte zu diesem Teil auch der "Brauch des Schlagens" dazu. Frauen, die sich zu nah an die Klaasohms wagten, wurden von ihnen mit einem Kuhhorn verhauen.
Die Polizei erklärte vor dem Beginn des Festes, mit "starken Kräften" im Einsatz zu sein. "Wir möchten Straftaten verhindern", sagte Malte Hagspihl, Sprecher der Polizeidirektion Osnabrück. Die Stadt Borkum teilte zudem mit, eine Telefonnummer und Räume einzurichten, wo sich Frauen melden können, sollte es zu gefährlichen oder unangenehmen Situationen kommen.
Zum Höhepunkt des Festes sollte es am späten Donnerstagabend auf einem zentralen Platz kommen: Dort springen die Klaasohms von einer meterhohen Säule nacheinander in eine Menschenmenge.
Die derzeit laufende Diskussion hält auch die emeritierte Historikerin an der Universität Oldenburg, Katharina Hoffmann, für nötig. Dass der "Brauch des Schlagens" abgeschafft wird, begrüßt die Wissenschaftlerin, die unter anderem 2020 zu Klaasohm geforscht hatte. "Die Borkumerinnen und Borkumer sind spät dran. Aber es ist gut, dass sie jetzt diesen Schritt gemacht haben. Dennoch ist es wichtig, sich weiterhin mit dem Brauch auseinanderzusetzen und ihn weiter zu verändern", sagte Hoffmann der dpa.
Hoffmann sagte, es wundere sie, dass viele Borkumer betonten, das Fest sei wichtig für die Identität und das Zugehörigkeitsgefühl auf der Insel. "Das ist schon sehr irritierend, dass man ein solches Fest braucht, um zu spüren, wer man ist und wozu man gehört."
Auf der Insel gab es nach den Medienberichten auch Solidaritätsbekundungen für das Fest, rund 200 Frauen zogen am vergangenen Wochenende bei einer Demonstration über die Insel.
In der Nacht zum Nikolaus oder am Nikolaustag treiben auch im Allgäu furchteinflößende Gestalten in Fellgewändern mit Tierköpfen oder Kappen mit Ochsenhörnern ihr Unwesen und jagen dabei Zuschauer. Beim sogenannten Klausentreiben geht es laut der Internetseite des Allgäus darum, böse Nachtgeister zu vertreiben.
Früher dienten die wilden Hiebe auf Passanten und Gegenstände nach Angaben des Klausenvereins Sonthofen dem Zweck, alles zu vertreiben, was sich bewegte oder verdächtig wirkte. "Heutzutage findet dies natürlich gesittet unter Beachtung bestimmter Regeln und Richtlinien durch die Klausen statt", heißt es auf der Internetseite des Vereins. Die Klausen sind verkleidete junge Männer. In einigen Orten gibt es aber auch einen vergleichbaren Brauch für Frauen. Beim Bärbeletreiben treiben an Hexen erinnernde verkleidete Frauen ihr Unwesen und sind auch mit Ruten bewaffnet.
Krampus heißt eine gruselige Gestalt in Begleitung des Nikolaus in Österreich und Oberbayern. In vielen Gemeinden werden rund um den 6. Dezember Krampusläufe veranstaltet, junge Männer tragen Holzmasken, zottelige Fellkostüme und Glocken. Körperverletzungen kommen bei diesen Volksfesten immer wieder vor, dabei werden auch Krampusse von Zuschauern attackiert. Laut des Vereins Tourismus Oberbayern München sind die Krampusläufe heute zivilisierter als früher, dennoch gehe es dort immer noch rau zu.
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