Panorama

Kirchenasyl für traumatisierten Syrer: Junger Mann flüchtet sich in die Christuskirche


Symbolbild: Julian Strathenschulte/dpa

Symbolbild: Julian Strathenschulte/dpa

Von jv

In Landshut gibt es den ersten Fall von Kirchenasyl: Seit Donnerstag gewährt die evangelische Gemeinde der Christuskirche einem jungen Syrer Unterschlupf. Der Mann sollte nach Ungarn "rückgeführt" - also abgeschoben - werden und hatte sich deswegen in die Christuskirche geflüchtet.

Das Problem ist nicht etwa, dass der Asylantrag des Mannes unbegründet wäre. Im Gegenteil: Bei Syrern liege die Anerkennungsquote derzeit bei 99 Prozent, sagte Stephan Theo Reichel, Landesbeauftragter für Kirchenasyl der Evangelischen Landeskirche Bayern. Vielmehr seien die Schwierigkeiten in diesem Fall auf das sogenannte Dublin-Abkommen zurückzuführen. Dieses sehe vor, dass der für den Asylantrag zuständige Staat festgestellt und der Betroffene dann dorthin zurückgeschickt wird. In der Regel sei der Staat zuständig, der die Erstregistrierung vorgenommen hat, sprich wo der Flüchtling erstmals auf EU-Boden aufgegriffen wurde.

Im Fall des Landshuter Syrers ist dies Ungarn, wo er nach Reichels Worten "unter Zwang registriert und dann wieder laufen gelassen" worden sei. Eine Rückführung in dieses EU-Land hält der Kirchenvertreter generell für unzumutbar. Der Grund: "In Ungarn wandern Flüchtlinge nicht selten in Gefängnisse mit schlechtem Essen und kaum medizinischer Versorgung." Diese Behandlung sei nicht mit menschenrechtlichen Mindeststandards vereinbar. "Das widerspricht nach meiner Überzeugung auch EU-Recht", sagte Reichel der LZ. Juristen rechneten damit, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Kürze ein Urteil fällen werde, das die im Amtsdeutsch "Rückführung" genannte Abschiebung nach Ungarn, aber auch nach Bulgarien verbietet.

Syrer war Zeuge grausamer Misshandlungen

Der junge Syrer, der nun in der Christuskirche Zuflucht gefunden hat, erfüllt nach Reichels Überzeugung sämtliche Kriterien, um Kirchenasyl zu erhalten. "Er ist vom Krieg schwer traumatisiert und war deshalb in psychiatrischer Behandlung." Außerdem habe er miterleben müssen, wie Flüchtlinge in Ungarn misshandelt wurden. "Einem Mann direkt vor ihm wurden bei der Zwangsregistrierung Finger gebrochen, als gegen seinen Willen die Fingerabdrücke genommen wurden", sagte Reichel. Das nun gewährte Kirchenasyl sei zudem die letzte Möglichkeit, um die Abschiebung zu verhindern. "Das machen wir nur, wenn dem Flüchtling ansonsten Gefahr für Leib und Leben droht oder eine Verletzung der Menschenrechte zu befürchten ist."

Insgesamt gibt es in Bayern laut Reichel derzeit etwa 40 Menschen, die Kirchenasyl genießen. "Das sind nach wie vor Einzelfälle, bei denen wir beziehungsweise die Gemeinden vor Ort die Umstände genau kennen." Kirchenasyl sei zudem für die Betroffenen alles andere als lustig. "Oft sind diese Menschen monatelang quasi eingesperrt, weil sie das jeweilige Kirchengebäude nicht verlassen können." Diese Unannehmlichkeiten nimmt der junge Syrer, der sich nun in der Christuskirche aufhält, offenbar bereitwillig in Kauf. Wohl auch deswegen ist Reichel sicher, dass die Gemeinde der Christuskirche um Dekan Siegfried Stelzner richtig entschieden hat.