Wirtschaftlicher Erfolg „kein Selbstläufer“

Aigner (CSU) will Unternehmen vor Belastungen schützen


Die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner spricht am 23.10.2014 in München (Bayern) in der Plenarsitzung im bayerischen Landtag. Im Hintergrund sitzt der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (beide CSU).

Die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner spricht am 23.10.2014 in München (Bayern) in der Plenarsitzung im bayerischen Landtag. Im Hintergrund sitzt der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (beide CSU).

Von Monika Müller

"Jeder muss selber wissen, wie er Politik gestaltet - ich jedenfalls will Bayern nach vorne bringen." Mehr will Wirtschaftsministerin Ilse Aigner nicht dazu sagen, wer Horst Seehofer als Regierungs- und CSU-Chef nachfolgen könnte und ob Seehofer überhaupt aufzuhören gedenkt. "Dazu ist alles gesagt", meint Aigner, die selbst zum Kreise möglicher Nachfolger gehört.

Hinter ihrem Lächeln verbirgt sie, dass sie von diesen Fragen inzwischen schon ziemlich genervt ist. Viel lieber redet sie im Redaktionsgespräch mit Verleger Dr. Hermann Balle und Redakteuren der Verlagsgruppe darüber, welche Projekte sie anstoßen will, um den Freistaat auch wirtschaftlich in eine gute Zukunft zu führen.

An "vorderster Front" solle Bayern stehen, wenn es um die Bewältigung gegenwärtiger "Megathemen" wie etwa die Digitalisierung geht. Wirtschaft, Wissenschaft, aber auch jeder Einzelne würden sich dieser Herausforderung stellen müssen. Denn auch der florierende Freistaat stehe hier im Wettbewerb mit anderen Weltregionen. Vom Auto- und Maschinenbau bis zum Gesundheitswesen, der Medien- und Energiebranche reichen die Bereiche, die sich nach Aigners Überzeugung besonders der Digitalisierung zu stellen hätten. Verknüpft sei das alles auch mit Fragen der Sicherheit der IT-Systeme. Doch sieht sie ihre Heimat gut im Rennen. Google habe sein Entwicklungszentrum in Bayern eingerichtet und auch IBM habe sich hier angesiedelt. Alleine das sage schon allerhand aus. "Andere Bundesländer staunen Bauklötze, wenn sie sehen, was wir auf diesem Gebiet bereits heute an Dynamik entfalten", freut sich Aigner.

Für sie bedeutet das Vorantreiben der Digitalisierung auch, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und damit Arbeitsplätze zu erhalten. Daher seien weitere Belastungen wie Steuererhöhungen "Gift", gerade für den Mittelstand. In den vergangenen zehn Jahren seien zwischen Aschaffenburg und Alpen 900.000 neue Arbeitsplätze entstanden - und gerade die "Aufsteigerregion Niederbayern", das einstige Problemkind mit Arbeitslosenquoten von 30 oder gar 40 Prozent, habe eine atemberaubende Entwicklung genommen. Darauf will sich Aigner nicht ausruhen, denn diese Erfolge seien längst keine "Selbstläufer". Der von Siemens angekündigte Stellenabbau in Ruhstorf im Landkreis Passau ist da natürlich ein Rückschlag. Aber die Ministerin bleibt optimistisch. "Ich bin dazu im ständigen Austausch mit Siemens. Wir wollen möglichst viele Arbeitsplätze erhalten." Eine von Aigner ins Leben gerufene Projektgruppe sucht derzeit nach Lösungen. "Es geht um neue Beschäftigungsperspektiven und darum, die Zukunftspotenziale in der Region zu nutzen."

Zudem will die stellvertretende Ministerpräsidentin bei der Neugestaltung der Erbschaftsteuer klare Kante zeigen: Priorität habe, Arbeitsplätze zu sichern und die Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstands zu erhalten. So dürfe es nicht passieren, dass ein Unternehmer kurz vor seinem Tod Kapital für Investitionen anspare, dieses dann aber, im unvorhergesehenen Erbfall, voll besteuert werde. Aigner ist froh, dass nach der langen Befassung mit der Flüchtlingskrise nun verstärkt wieder andere Themen, wie eben die Erbschaftsteuerreform, auf der Agenda stünden.

Dennoch bleibe die Flüchtlingskrise weiter eine große Herausforderung - insbesondere die jetzt anstehende Integration der Menschen in den Arbeitsmarkt. Das stellt sich allerdings häufig als sehr schwierig dar. Auf lediglich um die zehn Prozent beziffern Experten den Anteil derer, die ohne größere Probleme für den hiesigen Arbeitsmarkt geeignet sind. Diese Probleme sieht auch Aigner. "Facharbeiter finden sie unter den Flüchtlingen kaum, denn in deren Herkunftsländern gibt es diese Ausbildung gar nicht." Und auch fehlende Sprachkenntnisse seien ein großes Hemmnis. So dauere es selbst in günstigen Fällen eben erst mal eine gewisse Zeit, bis die Menschen überhaupt fit für den Arbeitsmarkt sind.

Froh ist Aigner über das Integrationspaket, das die große Koalition in Berlin verabredet hat. Denn dieses erlege den nach Deutschland geflohenen Menschen auch Pflichten auf und drohe mit Konsequenzen, wenn etwa ein Sprachkurs nicht besucht wird. Nur so ließen sich Zuwanderer, die zunächst auf die Sozialsysteme angewiesen seien, in den Arbeitsmarkt integrieren. Doch dazu brauche es auch die Wirtschaft: Und die zieht mit. Wenn aber die Unternehmen nun extra für Flüchtlinge in den kommenden vier Jahren zusätzlich 60 000 Arbeitsplätze im Freistaat schaffen wollen, dürfe man eben nicht die Wettbewerbsfähigkeit dieser Betriebe durch falsche politische Weichenstellungen gefährden, warnt Aigner.

Konkrete Gefahren sieht sie indes in der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). "Dies ist eine Enteignung der Bürger", wettert Aigner und auch in den Krisenländern, die von dem Vorgehen der obersten europäischen Notenbanker eigentlich profitieren sollten, verpuffe die Wirkung des billigen Geldes. "Ohne Strukturreformen wird dort nichts vorangehen." Dafür litten die deutschen Sparkassen und Genossenschaftsbanken, für deren Interessen auf europäischer Ebene nach Überzeugung Aigners "völlig das Verständnis fehlt". Dabei müsse irgendwann auch die EZB einsehen, dass Deutschland, auch aufgrund seiner Bankenstruktur, klar im Vorteil sei und auch besser durch die Euro-Krise gekommen sei, als Länder, die vor allem auf große Privatbanken setzen. Gewaltige Risiken sieht die Wirtschaftsministerin auch für betriebliche Pensionsfonds. Zahlreiche Betriebe gingen dafür bereits an ihre Substanz. "Das ist insgesamt schädlich für unsere Volkswirtschaft."

Vor falschen Anreizen oder Negativentwicklungen warnt Aigner auch in der Energiepolitik. "Bürgerenergieprojekte" bräuchten faire Wettbewerbschancen. Diese sollten bei Ausschreibungen Vorrang haben. Auch bei Biogas sieht die Ministerin Handlungsbedarf. Denn Biogas sei derzeit die einzige erneuerbare Energie, die speicherbar sei. Für die weitere Entwicklung der erneuerbaren Energien setzt sie auch auf die Forschung am Wissenschaftszentrum Straubing. Von hier könnten weitere Impulse für das Gelingen der Energiewende ausgehen, ist Aigner überzeugt. Gerade Straubing sei ein herausragendes Zentrum für nachwachsende Rohstoffe und Biotechnologie. "Mit der geplanten Mehrzweck-Demonstrationsanlage bauen wir diese Kompetenzen in der Region weiter aus."

Nur mit erneuerbaren Energien seien schließlich auch Elektrofahrzeuge sinnvoll zu betreiben, deren Absatz weiter weit hinter den Erwartungen zurückbleibt. Schließlich seien auch nur mit Elektroautos die vereinbarten Ziele zur Begrenzung des Ausstoßes von Treibhausgasen zu schaffen. Um das "Tankproblem" zu lösen, wolle Bayern zudem 7.000 Ladestationen errichten. Doch auch die Art des "Tankens" werde sich ändern, aufgrund des größeren Zeitaufwands im Vergleich zum herkömmlichen Tanken von Benzin oder Diesel an der Zapfsäule. Hier seien auch die Hersteller gefragt und diese seien dazu bereit, ihren Beitrag zu leisten.

Steuerlich attraktiver werden sollten Elektroautos dadurch, dass das Aufladen beim Arbeitgeber nicht als geldwerter Vorteil gewertet werde. Doch trotz allem wird nach Aigners Überzeugung nichts an einer Kaufprämie vorbeiführen. Nur so sei ein "schnellerer Hochlauf" der Verbreitung von E-Autos zu erreichen. Dabei will auch die Staatsregierung mit gutem Beispiel vorangehen und 20 Prozent der Autoflotte mit Elektrofahrzeugen ausstatten.