Bremerhaven
Mit dem Börteboot durch Bremerhaven
2. September 2019, 17:18 Uhr aktualisiert am 2. September 2019, 17:14 Uhr
Die größte Stadt der Nordseeküste lockt mit historischen Schiffen und abwechslungsreichen Museen.
An diesem Morgen treibt ein kräftiger Wind kleine Wolkenfetzen über den Himmel von Bremerhaven. Er zerrt an den Regenjacken der Urlauber und treibt kleine Segelboote auf der Weser in Richtung Nordsee. "Wollt ihr mitfahren", ruft Oliver Seibel von seinem kleinen Helgoländer Börteboot herüber. Bunte Kapuzen nicken. Der Kapitän winkt zurück und bugsiert seine "Lottjen" zu den breiten Treppen eines Hotels, die in den Neuen Hafen hinabführen.
Schnell ist das weiße Holzboot vertäut und eine große Familie samt Hund hüpft an Bord. "Wir müssen noch warten, bis die 'Geestemünde' losfährt", erklärt der Skipper. Das Ausflugsschiff legt gerade ab und steuert langsam auf die Schleuse zu. Dann gibt auch Seibel Gas, bugsiert die "Lottjen" neben das große Schiff und nach wenigen Minuten öffnen sich die Tore zur Weser. Schon bald springt das kleine Börteboot über die Wellen der Unterweser und tuckert rund eine Meile flussaufwärts.
Die Seestadt Bremerhaven blickt auf eine ganz besondere Geschichte zurück. Über sieben Millionen Menschen verließen hier zwischen 1830 und 1974 ihre Heimat und suchten ihr Glück in der Neuen Welt. Noch heute sind die Spuren der Auswanderer in der Stadt allgegenwärtig, insbesondere im maritimen Erlebnisareal der Havenwelten mit seinen Museen, Traditionsschiffen und Cafés.
Im Auswandererhaus erhält jeder Besucher eine fiktive Biographie
Eine spannende Reise in die Vergangenheit ermöglicht das Auswandererhaus. "Mit der Eintrittskarte erhält jeder Besucher eine eigene Biographie", erklärt Adrian Welscher den Gästen auf dem Börteboot. Er begleitet die Fahrten, hilft beim Anlegen und gibt Tipps für Sehenswertes. "Man besteigt ein riesiges Schiff, muss sich nach der Überfahrt der Einreiseprozedur auf Ellis Island vor New York unterziehen und ein neues Leben beginnen." Für Spannung sorgt auch der Besuch des "Klimahaus 8˚ Ost". Immer entlang des achten östlichen Längengrades, der auch durch Bremerhaven verläuft, erleben die Besucher hautnah, wie die Menschen in der trockenen Sahelzone oder in der Eiskälte der Antarktis leben und wie der Klimawandel die Erde verändert.
Früher das Eingangstor für Südfrüchte, heute Umschlagplatz für Autos
Eine Fahrt in die sechste Etage lohnt sich. "Von der Dachterrasse hat man einen weiten Blick über die Havenwelten und die Weser bis zur Nordsee", rät Welscher. Abstecher sind zudem die historischen Museumsschiffe und das U-Boot Wilhelm Bauer im Alten Hafen, der Zoo am Meer und das Deutsche Schifffahrtsmuseum wert.
Weiter flussabwärts befindet sich der größte, zusammenhängende Container-Terminal der Welt. Der Zutritt ist nicht erlaubt, doch mit dem gelbweißen Hafenbus können Urlauber den Freihafen durchqueren. Zu sehen gibt es viel. Früher war Bremerhaven das Eingangstor für Südfrüchte, heute werden hier mehr als 2,5 Millionen Autos pro Jahr umgeschlagen. 50 Containerbrücken können 15 Schiffe gleichzeitig be- oder entladen. Hier warten silberne Airstream-Wohnwagen und schwere Mähdrescher auf den nächsten Dampfer, dort befördern hochbeinige Van-Carrier bunte Container zum passenden Schiff.
Doch Fotografieren ist leider nicht erlaubt. Die Bustour beginnt und endet am Schaufenster Fischereihafen. In dem neu gestalteten Areal locken in der ehemaligen Fischpackhalle gemütliche Hafenkneipen und Restaurants zur Einkehr, kleine Geschäfte bieten hübsche Souvenirs.
Die Helgoländer Börteboote zählen zum Immateriellen Kulturerbe
Auch Seibel steuert mit seiner "Lottjen" den Fischereihafen an. "Helgoländer Börteboote werden eigentlich zum Ausbooten eingesetzt und befördern Passagiere von den Schiffen, die vor der Insel auf Reede liegen, an Land", erklärt Welscher noch schnell vor der Ankunft. "Wir möchten diese Tradition erhalten und sind mit unseren Eichenholzbooten sogar bis nach Berlin gefahren. Dank unserer Bemühungen zählen die Helgoländer Börteboote jetzt zum Immateriellen Kulturerbe." Ein eigens gegründeter Verein hat das 1965 gebaute Schiff drei Jahre lang restauriert und seit April schippern Ehrenamtliche bei gutem Wetter jedes Wochenende mit dem Holzboot vom Neuen Hafen zum Schaufenster Fischereihafen.
An diesem windigen Vormittag erreichen die Mitfahrer der "Lottjen" ihr Ziel jedoch nicht trockenen Fußes. Als es in der zweiten Schleuse zu regnen beginnt, verteilt Welscher warme Decken und der Kapitän gibt auf den letzten Metern noch einmal kräftig Gas. Das hochseetaugliche Börteboot hüpft sicher über die Wellen und schon nach wenigen Minuten vertäut Welscher die Leinen sicher am Steg des Fischereihafens.