Tatort-Kritik
"Tyrannenmord" aus Hamburg: Wo ist der Diktatorsohn?
20. März 2022, 15:31 Uhr aktualisiert am 20. März 2022, 16:00 Uhr
Im Hamburger "Tatort: Tyrannenmord" ermittelt Kommissar Falke praktisch allein. Parallelen zur politischen Realität lassen einen teilweise schaudern. Plot und Besetzung sind dennoch nicht ganz ausgegoren.
Hier kommt einiges an Gegensätzen zusammen: Diktator eines Fantasiestaats besucht das demokratische Deutschland, Ex-Punk-Kommissar aus der Stadt ermittelt im Schnösel-Internat in der Provinz. Und der erfahrene Ermittler hat einen übereifrigen Neuling an der Seite. Die Idee, einen Teil eines Ermittler-Duos in ungewohnter Umgebung ermitteln zu lassen, hat schon im "Tatort: Tschill Out" (2020, ebenfalls aus Hamburg) funktioniert, als Til Schweiger sich auf eine Nordseeinsel zurückzieht und dort in einen Fall verwickelt wird.
Nur eine Figur sticht heraus
"Tyrannenmord" (Buch: Jochen Bitzer, Regie: Christoph Stark) ist nun ein Quasi-Solo für Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring): Er soll den Sohn des Diktators suchen, der aus dem Internat verschwunden ist. Franziska Weisz kommt als Julia Grosz diesmal nur am Rande vor.
Falke schweigt sich wie immer wundervoll norddeutsch durch die Gegend, bremst den freundlichen Provinzpolizisten Felix Wacker (Arash Marandi), der schüchtern nach Falkes Lieblings-Fußballverein fragt, hamburgisch ein ("Digger, ich find, du laberst n büschn viel") und klappert die Reihe der Verdächtigen ab. Unter anderem den Leibwächter des Diktatorensprosses, der, betäubt, beschämt und ausgelacht, einem fast leid tun könnte, hätte er nicht seine brutale Seite. Damit ist dieser Carlos (José Barros) aber auch schon die schillerndste Figur dieses "Tatorts", dessen Personal sonst ziemlich erwartbar zusammengestellt ist.
Buch-Idee zum "Tyrannenmord" lieferte Kim Jong-un
Am meisten beschäftigt man sich aber ohnehin mit dem Titelthema, das nach den Dreharbeiten im November und Dezember 2020 unerwartet aktuell geworden ist. Angeregt zur Geschichte habe ihn, sagt Drehbuchautor Bitzer, die Meldung, der heutige Diktator in Nordkorea, Kim Jong-un, habe vor Jahrzehnten ein Internat in Bern besucht, unter falschem Namen als Sohn eines Botschaftsangehörigen, mit Bodyguard an seiner Seite.
Etwas mehr als ein Jahr nach den Dreharbeiten liest sich die Geschichte erschreckend aktuell, wenn die Schüler darüber diskutieren, ob Gewalt in der Politik eine Lösung ist. Tyrannenmord - ja oder nein? "Wenn du einen Diktator vor Gericht bringen willst", sagt die Freundin des Diktatorsohnes, "musst du ihn ja erst mal schnappen" und nach Den Haag vor den Internationalen Gerichtshof bringen.
Es schaudert einen auch, wenn die Sicherheits-Chefin des Diktators von Falke routiniert verlangt, Proteste gegen den Diktator zu verhindern. Geht nicht, sagt er. Und sie: "Man kann, man muss nur wollen. Sie werden sehen." Als dann noch der Name Putin kurz fällt, reicht es dann doch mit der Realitätsnähe. Die Diktatur spielt sonst keine große Rolle mehr im Film, sondern eher der Erwartungsdruck, dem die Eliteschüler so ausgesetzt sind, aber auch das wird nicht wirklich detailliert auserzählt.