Kritik
"Tatort: Rettung so nah": Wenn Helfer zu Opfern werden
7. Februar 2021, 17:15 Uhr aktualisiert am 7. Februar 2021, 18:23 Uhr
Der Dresdner "Tatort: Rettung so nah" ist über weite Phasen zäh, dabei geht es um ein großes und wichtiges Thema. Die Kritik zum Krimi im Ersten.
Achtung, Spoiler! Diese TV-Kritik gibt mehr oder weniger konkrete Hinweise auf die Handlung und das Ende dieses "Tatorts". Wenn Sie nichts verraten bekommen wollen, warten Sie mit der Lektüre des Textes, bis Sie den Film gesehen haben (Das Erste, 07.02.2020, 20.15 - 21.45 Uhr und in der ARD-Mediathek).
Hat sich dann nun wirklich jeder mal verdächtig verhalten, auch der Herr dort hinten, der wohl eher zufällig durchs Bild gelaufen ist? Gut, dann können wir diesen "Tatort" ja abschließen. Es war zäh.
Dabei ist das Thema so groß und wichtig: Gewalt gegen Einsatzkräfte, in diesem Fall gegen die Besatzungen von Rettungswagen. Man fragte sich ja schon immer, wie dämlich man sein muss, um ausgerechnet die Menschen zu behindern oder gar anzugreifen, die im Notfall losfahren, um anderen zu helfen, die quasi die Selbstlosigkeit zum Beruf gemacht haben.
Gewalt gegen Einsatzkräfte als großes Thema
Relativ spät erfahren wir, dass die Morde an den Rettungskräften im Dresdner "Tatort: Rettung so nah" (Buch: Christoph Busche, Regie: Isabel Braak) aus Rache geschehen. Achtung, Spoiler: Eine Frau rächt den Tod ihres Kindes, das erstickt ist, als eine Sanitäterin dem Kind helfen wollte. Als Zuschauer weiß man ungefähr zur Filmhälfte, dass es die Mutter war - einfach weil sie die Einzige ist, die als Verdächtige übrig bleibt. Karin Gorniak (Karin Hanczewski) und Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) müssen noch lange den Vater verdächtigen - und dürfen nicht mal auf die Idee kommen, dass es die zweite betroffene Person gewesen sein könnte.
Das Drehbuch hält viele Aufsager bereit, in denen (1) Rettungsleute anderen Rettungsleuten, (2) Rettungsleute den Polizisten oder (3) Polizisten anderen Polizisten erklären, dass sie immer wieder angegriffen und bespuckt werden - was aber natürlich nur für die Zuschauer gemacht wird, weil die Angegriffenen und Bespuckten selbst das ja längst wissen. Anschaulich wird diese bedrohliche Lage dann ohnehin an zwei guten Szenen, in denen Gorniak Rettungseinsätze zum Schutz begleitet und überall Gefahr droht.
"Rettung so nah": Ein "Tatort" unter Corona-Beschränkungen
Dass dann innerhalb einer Filmminute aus einem Vorfall vor einem halben Jahr einer vor einem Jahr wird - geschenkt, schließlich wurde dieser "Tatort" unter Corona-Beschränkungen gedreht. Und wir Corona-Geprägten zucken ständig zusammen, weil in "Rettung so nah" eine Grippewelle umgeht und ein Röcheln, Schniefen, Niesen allerorten herrscht.
Und ähnlich wie in der Polizeisatire "Police Squad" mit Leslie Nielsen ist auch hier der Boss immer schon da, wenn die Ermittler am Tatort ankommen. Hier ist es eben der verlässliche Martin Brambach als hektisch-fassungsloser Polizeichef Schnabel.
In Erinnerung bleiben wird dieser "Tatort" wegen Luise Aschenbrenner, die die Sanitäterin Greta Blaschke so eindringlich spielt: die Helferin unter Druck, die tapfere alleinerziehende Mutter mit all ihrer Einsamkeit, Zerbrechlichkeit und Verlorenheit. Toll!
Und es sollte mit dem Teufel zugehen, wenn sich niemand sonst darüber wundert, warum der Vater am Ende denn bitteschön so schmutzige Füße hat.