Tatort-Kritik
"Die Zeit ist gekommen": Thriller ohne Intensität
5. April 2020, 16:24 Uhr aktualisiert am 5. April 2020, 17:11 Uhr
Der Dresdner "Tatort: Die zeit ist gekommen" behandelt keine Gesellschaftsprobleme. Das ist in diesen Zeiten erfrischend - aber große Spannung kommt dennoch nicht auf. Die AZ-Kritik zum Sonntagskrimi.
Achtung, Spoiler! Diese TV-Kritik gibt mehr oder weniger konkrete Hinweise auf die Handlung des Dresdner "Tatort: Die zeit ist gekommen". Wenn Sie nichts verraten bekommen wollen, warten Sie mit der Lektüre des Textes bis Sie den Film gesehen haben (Das Erste, 05.04.2020, 20.15 - 21.45 Uhr und in der ARD-Mediathek).
Es trifft sich gut, dass dieser "Tatort" mal keine gesellschaftlichen Probleme behandelt. Schließlich hat unsere Gesellschaft im Moment das eine große Problem, das alle anderen überlagert. Jeder Themen-"Tatort" liefe in der Corona-Krise Gefahr, schon im Moment der Erstausstrahlung anachronistisch zu wirken: wie eine Geschichte aus einer untergegangenen Welt.
Da passt es also, dass der Dresden-Tatort "Die Zeit ist gekommen" ein simpler Thriller ist. Der prollige Kleinkriminelle Louis Bürger (Max Riemelt) wird zu Unrecht wegen Mordverdachts verhaftet - und hat panische Angst, wieder in den Knast zu müssen. Da heckt er mit seiner Frau (Katia Fellin) einen abenteuerlichen Plan aus: Er verletzt sich absichtlich, sie befreit ihn aus dem Krankenhaus, und zwar mit Hilfe eines Feuerzeugs, das wie ein Revolver aussieht.
Das klappt erstaunlich problemlos. Doch bevor sie sich falsche Pässe besorgen und nach Kroatien türmen können, müssen sie auch noch ihren 12-jährigen Sohn aus dem Heim holen. Die beiden sind nicht gerade kriminelle Genies: So viel Zeit haben sie auch wieder nicht.
Dresden-Tatort mit Logikfehlern zum Schluss
Polizei und SEK umzingeln bald das Kinderheim, das Bonnie-und-Clyde-Paar nimmt darin Geiseln, die Psychoschlacht beginnt. Die Dresdner Kommissare (Karin Hanczewski, Cornelia Gröschel, Martin Brambach) aber wollen nicht nur deeskalieren, sondern parallel den Mord aufklären, den der Geiselnehmer nicht begangen haben will. Und in dem ständigen Hin und Her zwischen Innen und Außen, zwischen Thriller und Whodunnit-Krimi kommt keine allzu große Spannung auf.
Max Riemelt spielt den überforderten Kleingangster sehr überzeugend, aber der Film kann mit seiner Intensität nicht mithalten. Ein Logikfehler trägt den Zuschauer dann aus dem Film: Da haben die Geiselnehmer und ihr Sohn durch einen Hinterausgang Kinderheim und Anwesen verlassen, obwohl eine kleine SEK-Armee auf dem Grundstück ist, und in der nächsten Szene sitzen sie auch schon in einem Auto, das der Zuschauer noch nie gesehen hat.