Ausgewandert nach Indonesien
Münchner Psychologe gibt Einblick in sein neues Leben auf Bali
17. April 2024, 06:00 Uhr
Wieland, du schreibst in deinem Buch, dass die Balinesen entspannter und zufriedener sind als wir Deutschen. Woran liegt das?
Wieland Stolzenburg: Sie leben mehr im Jetzt und machen sich weniger Sorgen um die Zukunft. Ich denke, das hat mehrere Gründe: Einerseits ist die balinesische Kultur stark von Spiritualität geprägt. Ich vermute, dass sie sich mehr eingebunden fühlen in ein größeres Ganzes. Zudem ist das Leben hier sehr durch die Gemeinschaft geprägt. Alle sind für alle da. Es ist eine Gesellschaft, in der das Wohl aller am wichtigsten ist. Die westlichen Länder sind dagegen individualistisch geprägt. Der Erfolg des Einzelnen ist viel wichtiger – zulasten des Gemeinschaftssinnes.
Und sicherlich spielt das warme Klima auch eine Rolle. Das ganze Leben findet draußen statt und niemand muss sich einigeln. Vielleicht ist es auch so: Wer ärmer ist, hat weniger Sorgen, etwas zu verlieren – weil er ja nicht so viel verlieren kann – im Vergleich zu jemandem mit viel Geld oder Besitz.
Wie sieht ein typischer Tag bei dir auf Bali aus?
Mein Leben hier in Ubud auf Bali ist spontan und weniger geplant als in Deutschland. Ich folge dem, was kommt, auf was ich Lust habe und was sich ergibt. Da hat mich meine neue Umgebung sehr geprägt und ich habe ein Stück meines Deutsch-Seins abgelegt. Neben der Arbeit an meinen Büchern und mit meinen Klienten gibt es hier viele Möglichkeiten: Freunde treffen, im Pool schwimmen, Yoga, an Strände oder auf Nachbarinseln fahren, mit dem Roller die Reisfelder entdecken, lecker essen ... Es wird nie langweilig und alles ist im Fluss. Weniger Pläne, mehr Lebensfreude – das ist das Motto hier.
Wie hast du dich als Mensch auf Bali weiterentwickelt?
Am meisten habe ich gelernt, meiner Intuition zu folgen. „Just follow the life“ ist die unausgesprochene Lebensphilosophie der Balinesen. Folge dem, was kommt. Wenn ich zum Beispiel einen Plan habe, das Universum jedoch einen anderen, dann versuche ich nicht, mit dem Kopf durch die Wand zu rennen, sondern nehme das an, was passiert. Außerdem habe ich erlebt, dass Besitz nicht glücklich macht. Ich bin mit einem Handgepäckrucksack ausgewandert, da hatte ich all meinen Besitz auf dem Rücken. Mir fehlte nie etwas, denn das Wichtigste hatte ich immer dabei: mich selbst. Und das ist ein unglaubliche schönes und freies Lebensgefühl.
Was war der bisher schwierigste Moment für dich auf Bali?
Der erzwungene Abschied von der Insel durch Corona. Da war ich wieder beeindruckt, wie die Balinesen damit umgegangen sind. Sie haben gesagt: „Einerseits wissen wir nicht genau, was auf uns zukommt. Daher macht es nicht viel Sinn, dass wir uns große Sorgen machen.“ Andererseits haben sie gesagt: „Wir haben Terroranschläge, Vulkanausbrüche und Erdbeben überlebt und werden das Virus auch überleben.“ Dieser unglaubliche Optimismus, gepaart mit der Gelassenheit, hat mich sehr inspiriert.
In München hattest du eine Praxis für Paartherapie. Hilfst du auch von Bali aus noch Paaren?
Ich begleite auch jetzt noch online Menschen rund um alle Beziehungsthemen wie Krisen, Affären, Bindungs- oder Verlustängste oder Trennungen. Jedoch biete ich das nur für Einzelpersonen an. Mit Paaren arbeite ich nicht online, da fehlt es mir, die Dynamik zwischen dem Paare live mitzubekommen oder beispielsweise Übungen im Raum zu machen. Mit Einzelpersonen funktioniert das online dafür wunderbar.
Zur Person: Nach seinem BWL-Studium wollte Wieland Stolzenburg im Marketing Karriere machen. Dann die erste große Wende: Er studiert noch einmal, Psychologie. Anschließend eröffnet Wieland eine Praxis für Beziehungsberatung in München, die gut läuft. Es folgt die zweite große Wende: Er schließt seine Praxis und wandert nach Bali aus. Heute sagt er, dass er bei sich selbst angekommen ist.