Festspielwerkstatt
Felix Leuschner über "Requiem für einen Lebenden"
19. Juli 2019, 15:43 Uhr aktualisiert am 19. Juli 2019, 15:43 Uhr
Festspielwerkstatt in der Reithalle: Felix Leuschner über sein "Requiem für einen Lebenden"
Der Komponist Felix Leuschner, der Librettist Reto Finger und der Regisseur Manuel Schmitt sind für eine Recherche nach Texas gereist, um sich der Lebenssituation eines zum Tode Verurteilten zu nähern. Aus diesen Eindrücken entsteht ein Stück für zwei Sängerinnen und einen Schauspieler für die Festspielwerkstatt der Bayerischen Staatsoper. Premiere ist am Sonntag in der Reithalle.
AZ: Besteht bei einem Stück über einen Mann in der Todeszelle nicht die Gefahr, dass aus dem Täter ein Opfer wird?
FELIX LEUSCHNER: Ich glaube, es geht nicht um die Relativierung eines Verbrechens. Es war für mich ein merkwürdiges Gefühl, zum ersten Mal einem Menschen gegenüberzusitzen, der aller Wahrscheinlichkeit nach einen anderen Menschen getötet hat - und zwar deshalb, weil er so nett war. Es hat Spaß gemacht, sich mit ihm zu unterhalten. Es geht uns in "Requiem für einen Lebenden" nicht darum, ihn zu einem Opfer zu machen, sondern um das Menschliche und um die Frage, wie wir mit einem Mörder umgehen.
Haben Sie eine Antwort?
Nein. Ich kann mich als Unbeteiligter leicht hinstellen und sagen: "Ich bin gegen die Todesstrafe". Wenn mein Kind getötet würde, wüßte ich nicht, wie ich dann reagieren würde.
Wie haben Sie es geschafft, ins Gefängnis hineinzukommen?
Es gibt nur zwei Möglichkeiten: als Presse und über Familienangehörige. Wir haben als Journalisten einen Besuchsantrag gestellt, der bewilligt wurde.
Durften Sie direkt mit dem Gefangenen reden?
Da krachen sehr unterschiedliche Welten aufeinander. Der Gefangene sitzt in einer Art Kasten hinter einer Glasscheibe und spricht über eine Art Telefon. Wir dagegen befanden uns in einem großen hellen, klimatisierten Raum mit Getränkeautomaten. Die Wärter waren sehr entspannt.
Warum spielen in Ihrer Kammeroper zwei Darsteller sowohl Männer wie Frauen?
Es geht mir um eine Entpersonalisierung der Menschen um den Häftling. Er ist die einzige reale Figur und wird von einem Schauspieler dargestellt. Sein Sohn, seine Schwester, seine Ex-Frau, das Mordopfer existieren nur in seiner Imagination als Träume oder Alpträume.
Bei Ihrer Reise nach Texas haben Sie nicht nur die Geschichte recherchiert, sondern auch Klänge. Wie klingt ein Gefängnis?
Die Gefangenen dürfen nur Schreibmaschinen und Radios besitzen. Wegen der offenen Zellen wird es da schnell laut.
Und was ist der Klang von Texas?
Das Rattern langer Güterzüge, heulende Sirenen und eine weite Landschaft mit viel Natur. Die Texaner lieben Country. Vom Kind bis zum 80-jährigen hört niemand etwas anderes. Das wird man auch hören, teilweise auch als Samples oder umgeformt in elektronische Klänge als siebtes Instrument der Band.
Eine Band? Für mich sieht die Besetzung mit Flöte und Bassklarinette eher nach einem Kammerensemble aus.
Das stimmt schon, aber ich spreche lieber von einer Band, um die typischen Kategorien von E- und U-Musik beiseitezustellen. Mir geht es mehr um Zwischenwelten. Das Ensemble ist mikrofoniert und geht durch meinen Rechner. Nur in einem Moment größter Intimität ist es unverstärkt zu hören.
Wer hatte eigentlich die Idee zu dem Stück? Sie oder der Regisseur?
Das Thema, was die Todeszelle aus einem Menschen macht, reizt mich schon länger. Der Anstoß kam vom Regisseur Manuel Schmitt, der sich mit diesem Häftling beschäftigen wollte. Dann kam die Dramaturgie der Staatsoper auf mich zu. Ich habe dann den Librettisten Reto Finger vorgeschlagen, dem ich vertraue und dessen Sprache ich mag. Durch die gemeinsame Recherche in Texas wurde dann der Grundstein für eine ganz besondere Arbeitsweise gelegt, in der Text, Musik und Inszenierung gemeinsam entstanden sind.
Reithalle, Heßstraße 132. Die Premiere am Sonntag, 20 Uhr, ist ausverkauft, für die Vorstellungen am 22., 23. und 24. Juli gibt es Karten zu 24 Euro an der Abendkasse oder Telefon 21 85 19 20