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Was wurde eigentlich aus dem Kerl mit der Klampfe?
14. September 2009, 16:22 Uhr aktualisiert am 14. September 2009, 16:22 Uhr
Von Andrea Limmer
Ja, im Deutschunterricht haben wir mal von ihm gehört: Walther von der Vogelweide - seines Zeichens Minnesänger. Also einer, der schönen Frauen schöne Lieder vorsang und bestimmt etwas schönes dafür bekam. Was wurde aus dieser Kunst, aus dem Minnesang, aus dem Kerl mit der Klampfe, der allein vor Leuten singt?
Wir überspringen ein paar Jährchen, weil dies sonst den Rahmen der Zeilenanzahl einer Zeitungsseite sprengen würde. Wir springen also und landen beim Volkssänger. Ein Nachfolger des Minnesängers. Karl Valentin war zum Beispiel am Beginn seiner dann humoristischen Karriere ein Volkssänger. Schiller, ein berühmter Barde ohne Klampfe, soll den Begriff Volkssänger um 1791 ja noch abschätzig ausgesprochen haben (laut Wikipedia). Aber dies nur am Rande. Um 1850 nämlich wendet sich die Abschätzigkeit zur Anerkennung und die Volkssänger betraten en masse die Bühnen.
Wieder springen wir, da 1850 immer noch ein bisschen weit zurück liegt. Wir machen kurz Halt in den 60er und 70er Jahren. Die Liedermacher, Nachfahren der Volkssänger, sind gerade populär und beliebt. Sie besingen Missstände, kritisieren die Gesellschaft und werden vom Publikum bejubelt. Einer der bekanntesten Liedermacher ist Bob Dylan. In Deutschland sorgten unter anderem Hannes Wader, Konstantin Wecker und Reinhard Mey für Furore (diese drei Herren machen immer noch fleißig Lieder).
Wir springen zum letzten Mal. Wir springen ins Jetzt. Denn in unserer Zeit gibt es die Liedermacherei immer noch. Aber wie sich eben alles verändert, veränderte sich auch die Liedermacherei. Neben ernsthaften Liedermachern, die immer noch die Gesellschaft und ihre Zwänge kritisieren und auch politische Texte singen (wie Funny van Dannen, Christoph Weiherer oder Hans Söllner), traten Musiker hervor, die ein ähnliches Genre bedienen: Das Liedermaching. Die Väter des Liedermachings, die immer noch als solche verehrt werden, waren "Joint Venture". Und seit 2003 rocken die "Monsters of Liedermaching", die jungen Wilden, stromauf- und stromabwärts die Bühnen.
Liedermaching ist im Vergleich zur Liedermacherei lustiger und rockiger. Das Publikum tobt, statt ruhig und mit dem Vorsatz im Kopf, etwas zu ändern, zuzuhören. Der flotte Totte, ein Mitglied der Monsters, beschreibt den Unterschied so: "Liedermacherei ist der erhobene Zeigefinger. Liedermaching ist der erhobene Mittelfinger."
Liedermaching ist laut Expertenstimmen ein Trieb der Liedermacherei. Und weil noch nicht voll entwickelt, ist es natürlich spannend, wohin sich dieser Trieb streckt. Spannend, wegen der schon geschehenen Entwicklungen und Sprünge, wegen dem "Was wurde eigentlich aus Walther von der Vogelweide": Ein Kerl mit Klampfe, der vielen schönen Frauen und vielen Männern etwas vorsingt, dabei rockt und auch mal "Scheiße" schreit und die Wahrheit über Politiker sagt.