Serie
Politik zum Verstehen: So kannst du bei politischen Themen mitreden
8. Oktober 2016, 14:16 Uhr aktualisiert am 8. Oktober 2016, 14:16 Uhr
Du verstehtst mal wieder nur Bahnhof wenn es um Politik geht? Dann ist unsere Serie "Politik zum Verstehen" genau richtig für dich. Hier erklären wir politische Themen und Hintergründe für euch. Dazu haben wir uns einen Experten ins Boot geholt: Prof. Dr. Franz Kohout ist Politikwissenschaftler. Er arbeitet am Institut für Staatswissenschaften der Bundeswehr-Universität München und unterrichtet an der Hochschule für Politik in München.
Unten findest du die einzelnen Beiträge der Politik-Serie zum Durchklicken!
Teil 10 vom 30. September 2016: Nichts anderes als die Wahl zum Klassensprecher - so wird ein Oberbürgermeister gewählt
Am 9. Oktober wird in Landshut ein neuer Oberbürgermeister gewählt. Das ist für die Stadt ein großes Ereignis. Aber warum findet diese Wahl gerade jetzt statt? Und warum kann man den Bundeskanzler nicht direkt wählen, den Bürgermeister aber schon? Wir haben nachgefragt.
Ein Bürgermeister hat ein besonderes Verhältnis zu seiner Stadt und den Einwohnern. Viele Leute kennen ihn sogar persönlich. Seine Wahl ist deshalb eine Persönlichkeitswahl. Die Bundeskanzlerin dagegen wird nicht direkt gewählt. Bei der Bundestagswahl geben die Bürger ihrer Stimme einer Partei. Aus diesen setzt sich dann das Parlament zusammen. Das Parlament wiederum wählt den Kanzler. "Unser Grundgesetz ist auf diese indirekte Demokratie angelegt", erklärt Politikwissenschaftler Franz Kohout.
Wieso wird der Bürgermeister direkt gewählt?
Die Väter unseres Grundgesetzes hatten 1949 im Blick, wie es vor dem Zweiten Weltkrieg lief. In der sogenannten Weimarer Republik wählte man den höchsten Mann im Staat direkt: den Reichspräsidenten. Das Amt war mit sehr viel Macht ausgestattet. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 wollte man nicht mehr, dass eine Person allein so viel Macht besitzt. Deshalb haben wir eine parlamentarische Demokratie, in der das Parlament die meiste Macht hat. Die indirekte Wahl des Kanzlers ist ein Zeichen dafür. "Auf kommunaler Ebene dagegen gibt es mehr direkte Elemente", sagt Franz Kohout. Das sind zum Beispiel Bürgerentscheide und eben die direkte Wahl des Bürgermeisters. Diese läuft im Prinzip ab wie die Wahl zum Klassensprecher. Mehrere Kandidaten stellen sich zur Verfügung. Jeder hat eine Stimme, die er einem Kandidaten geben kann. In Landshut möchten zum Beispiel vier Kandidaten Oberbürgermeister werden: Helmut Radlmeier von der CSU, Patricia Steinberger von der SPD, Stefan Gruber von den Grünen und Alexander Putz von der FDP.
Auf dem Wahlzettel erscheinen nur diese vier Namen, erklärt Franz Fischer, Leiter des Einwohnermelde- und Standesamts in Landshut. Anders sei das bei der Wahl des Stadtrates. Der Stadtrat, also die Bürgervertretung in der Stadt, wird in einem komplexen Verfahren gewählt. Die Wähler haben nämlich mehrere Stimmen.
Was ist eine Stichwahl?
Bei vier Kandidaten ist es möglich und sogar wahrscheinlich, dass keiner der vier mehr als die Hälfte aller Stimmen bekommt. In diesem Fall müssen die beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen noch einmal antreten: zur Stichwahl. Dann gibt es auf jeden Fall einen, der mehr als die Hälfte aller Stimmen erobert.
In den meisten Städten werden der Stadtrat und der dazugehörige Bürgermeister bei ein und derselben Wahl gewählt. In manchen Städten wie in Landshut aber fallen die beiden Wahlen schon seit etlichen Jahren auseinander. "Das hat damit zu tun, dass Anfang der 70er Jahre viele Orte um Landshut herum eingemeindet wurden", erklärt Franz Fischer. Diese neue Einwohnerschaft sollte deshalb zusammen einen neuen Oberbürgermeister wählen. Den Stadtrat dagegen hatten die neuen Orte kurz davor bereits mitwählen dürfen. Seitdem fallen Stadtrats- und OB-Wahlen in Landshut auseinander. Das ist nicht nur in Landshut so und kann viele Gründe haben. Zum Beispiel wenn ein Bürgermeister zurücktritt, muss natürlich auch ein neuer außer der Reihe gewählt werden. Grundsätzlich ist man jedoch bestrebt, die Wahlen wieder zusammenzulegen. "Denn mehrere Wahlgänge kosten natürlich auch mehr Geld", sagt Franz Fischer.
Teil 9 vom 6. September 2016: Warum wurde über das Burkaverbot diskutiert? Und könnte es überhaupt umgesetzt werden?
Viel haben wir diskutiert über das Burkaverbot. Viele Interviews haben wir gelesen mit muslimische Frauen und Mädchen, die sich komplett verschleiern. Doch woher kam eigentlich diese Diskussion auf einmal? Und werden Burkas nun wirklich verboten oder nicht? Experte Franz Kohout hilft mit einigen Fakten.
"Die Diskussion über das Burkaverbot ist eine Reaktion auf die Flüchtlingskrise und den Terror", erklärt Franz Kohout. Geführt haben sie die Innenminister der CDU und der CSU. Das heißt, die Minister, die für das Thema Sicherheit zuständig sind. Und sie gehören der konservativen Partei an.
Das ist in diesem Fall nicht ganz unwesentlich. "Ich denke, diese Debatte sollte ein Zeichen in Richtung Alternative für Deutschland (AfD) sein", sagt der Experte weiter. Das Thema wollte man nicht der rechtspopulistischen Partei überlassen. Im Moment war es aber nicht mehr als ein Bekenntnis dazu, was man möchte, so der Politikwissenschaftler.
Bis zum Gesetzesentwurf wäre es noch ein weiter Weg
Damit daraus tatsächlich ein Gesetz werden würde, müsste noch viel geschehen. Aus der Stellungnahme, die die Minister verfassten, könnte ein Gesetzesentwurf werden. Diesen könnte die Bundesregierung - das sind alle Minister - dann in den Bundestag einbringen, damit er darüber berät. "Aber dazu müsste man auch die SPD-Minister mit ins Boot holen", erklärt Franz Kohout. Diesen Sprung wird man vermutlich nicht schaffen, meint er. Außerdem meinen manche Juristen, dass man für ein Verbot sogar das Grundgesetz ändern müsste. Dazu wäre dann sogar eine Zwei-Drittel-Mehrheit aller Stimmen im Bundestag nötig.
De facto gibt es aber schon ein Burkaverbot
Tatsächlich gibt es laut Franz Kohout schon eine Art Burkaverbot in Deutschland. Es steht zwar nicht in einem konkreten Gesetz. Aber verschiedene Gerichtsurteile ergeben zusammen ein Bild wie die Teile eines Puzzles. Erst kürzlich gab es ein Urteil zu der Klage einer 18-jährigen Schülerin. In der Schule hatte man ihr verboten, sich komplett zu verschleiern. Sie klagte, bekam aber nicht recht.
Grund dafür ist der sogenannte Erziehungsauftrag, erklärt Politikwissenschaftler Franz Kohout. Der Staat hat auch die Aufgabe, die Bildung zu übernehmen. Diesen Erziehungsauftrag könne er nicht mehr erfüllen, wenn Schüler komplett verschleiert sind. Lehrer könnten die Mimik nicht mehr sehen und zum Beispiel erkennen, ob ein Schüler alles verstanden hat.
In diesem Fall "sticht" das Gesetz des Erziehungsauftrags zwei andere Grundrechte, erklärt der Politikwissenschaftler. Nämlich das Recht auf freie Religionsausübung und das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Diese beiden Gesetze geben jedem die Möglichkeit, das anzuziehen, was er möchte, und seine Religion auszuüben. Ein komplettes Verbot ist nach Aussage des Experten mit unserem Grundgesetz also nicht vereinbar.
Ähnliche Urteile gibt es für andere Themen. Frauen müssen etwa vor Gericht ihren Schleier lüften, weil der Richter sie identifizieren muss. Auch in Ämtern, zum Beispiel im Einwohnermeldeamt, müssen sie sich zeigen. Allerdings, so Franz Kohout, sei das eine Selbstverständlichkeit. Darüber wurde bisher nie viel diskutiert.
Teil 8 vom 26. August 2016: Ferien in Berlin - Haben Politiker wirklich frei und wann müssen sie ihren Urlaub abbrechen?
Diskussionen über ein Burkaverbot, Verhandlungen mit dem türkischen Präsidenten Erdogan, Debatten über Waffenlieferung an die Kurden: Das politische Leben steht nie still, könnte man meinen. Auch nicht, wenn alle anderen Sommerferien haben. Und es stimmt auch irgendwie: So richtig Ferien haben Politiker selten lange. Und trotzdem ist im politischen Berlin derzeit wenig los. Was ein Bundestagsabgeordneter in den Sommerferien so macht, haben wir CSU-Mann Florian Oßner aus Landshut gefragt.
"Bis zum 5. September ist im Bundestag Sommerpause", sagt Florian Oßner. Bereits am 8. Juli war die letzte Sitzung vor den Sommerferien. Erst im September beginnt das politische Berlin wieder zu erwachen. Dann beginnt auch die parlamentarische Gesetzgebung erneut. Florian Oßner ist Abgeordneter des Wahlkreises Landshut-Kelheim. Seine politische Arbeit ist deshalb zweigeteilt. Eine Woche ist er in Berlin, eine Woche zu Hause in seinem Wahlkreis.
Was läuft weiter, was fällt aus?
Die Sitzungswochen laufen meist gleich ab: Am Montag trifft sich die Landesgruppe seiner Partei, der CSU. Das sind alle Abgeordneten der CSU im Bundestag. Am Dienstag bespricht sich die gesamte Fraktion, also plus die CDU-Abgeordneten aus den anderen Ländern. Dort versucht man sich auf eine gemeinsame Meinung in bestimmten Fragen zu einigen. Am Mittwoch werden die Themen in Fachausschüssen, also in kleineren, fachlich unterteilten Gruppen, beraten. Florian Oßner beispielsweise gehört dem Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur an. Außerdem ist am Mittwoch die aktuelle Fragestunde im Bundestag. Am Donnerstag und Freitag finden die Hauptsitzungen statt. In der Woche darauf geht es in den Wahlkreis, wo regionale Termine wahrgenommen werden müssen. Die Berliner Wochen fallen in den Ferien weg. Und auch im Wahlkreis sind die Termine nicht so eng getaktet wie im Rest des Jahres.
Für Florian Oßner seien das jedoch eher angenehme, lockere Termine. Auf immerhin zehn Stück kommt er trotzdem in diesen Sommerwochen. Dennoch verbringt er dieses Jahr auch ein paar Tage mit seiner Familie an der Ostsee. "Mein dreijähriger Sohn wollte gerne ans Meer", sagt Florian Oßner. Die Büros in Berlin sowie in Landshut und Abensberg sind in diesen Tagen trotzdem besetzt. Allerdings mit weniger Personal als sonst. Komplett geschlossen wie manche Unternehmen haben sie jedoch nie.
Gar nicht so selten müssen Abgeordnete ihren Urlaub auch mal abbrechen. Dann nämlich, wenn eine Sondersitzung einberufen wird. Erst im vergangenen Sommer war genau das der Fall. "Die Hilfen für Griechenland waren ausgelaufen", erinnert sich Florian Oßner. Und das Mittelmeer-Land stand kurz vor dem Bankrott. Der Finanzminister benötigte die mehrheitliche Zustimmung des Bundestags, um weitere Gelder auszahlen zu können.
Zurück von den Malediven
Er selbst sei zu Hause gewesen und konnte deshalb ohne Probleme zu der Sitzung fahren. Von einem Kollegen jedoch weiß er, dass dieser von den Malediven zurückgeflogen ist. "Bei Sondersitzungen gibt es Anwesenheitspflicht und wer wegbleibt, benötigt schon eine gute Begründung", erklärt er. Das Fernbleiben wird nämlich mit einem Malus bestraft. "Das heißt, der Abgeordnete muss eine ordentliche Strafe zahlen" sagt Florian Oßner.
Sondersitzungen können laut dem Bundestagsabgeordneten in zwei Fällen einberufen werden: bei innenpolitischen Katastrophen und bei politischen Ausnahmezuständen. Ein Hochwasser zum Beispiel ist eine solche innenpolitische Katastrophe oder auch der Brexit, der den Bundestag heuer schon zu einer Sondersitzung zwang, obwohl die Ferien bereits begonnen hatten. Parlament und Regierung mussten festlegen, wie man damit umgehen soll. Das politische Berlin steht also nie wirklich still. Trotzdem können Politiker auch mal Urlaub machen.
Teil 7 vom 9. August 2016: Was ist eigentlich die Europäische Union und wie geht es mit ihr weiter?
Die Europäische Union ist eine Institution, die im Moment eine schwere Zeit erlebt. Die Briten wollen sie verlassen, und auch sonst gibt es viel Kritik an der Organisation. Experte Franz Kohout hat uns geholfen, die Institution Europäische Union besser zu verstehen.
Die Europäische Union lässt sich am leichtesten durch den Vergleich mit den Vereinigten Staaten von Amerika verstehen. Um ein solcher Bundesstaat zu sein, also die Vereinigten Staaten von Europa, müssten wir eine Hauptstadt haben und eine zentrale Regierung. Alle Länder müssten dafür ihre eigene Regierung aufgeben. Stattdessen gebe es nur noch eine europäische Regierung und einen Präsidenten. Alle Europäer würden ihre Steuern in einen Topf zahlen. Aus diesem Topf würden alle Ausgaben getätigt.
Wieso gibt es die Vereinigten Staaten von Europa nicht?
Die Länder möchten die Macht nicht an eine zentrale Regierung abgeben. Wofür das Geld ausgegeben wird, würde dann diese Regierung bestimmen. Auch die Gesetze würden vollständig in Brüssel gemacht. Die Staaten haben sich nach dem Zweiten Weltkrieg darauf geeinigt, in bestimmten Bereichen sehr eng zusammen zu arbeiten, zum Beispiel im Wirtschaftsbereich, erklärt Franz Kohout. Hier sind sie bereit, einen Teil ihrer Zuständigkeiten abzugeben. Darin beschließt dann die EU die Gesetze. Alle Mitglieder müssen sie umsetzen. Über die Jahre vereinbarte man eine Zusammenarbeit in immer mehr Bereichen, erklärt der Experte weiter. In manchen aber lassen die Staaten nur ganz ungern die Europäische Union bestimmen. Nicht die EU entscheidet zum Beispiel, wie viel Sozialhilfe ein EU-Bürger erhält, sondern jeder Staat selbst.
Gibt es irgendwann die Vereinigten Staaten von Europa?
In den vergangenen 20 Jahren hat die EU immer weitere Schritte hin zu den Vereinigten Staaten von Europa gemacht. Besonders wichtige waren die Entscheidung, dass jeder in Europa hinziehen darf, wohin er will (Freizügigkeit), und die Einführung der gemeinsamen Währung, des Euro. Die Staaten waren also bereit, immer mehr Bereiche abzugeben. Man spricht von europäischer Integration. Dieser Prozess wird nach dem Austritt von Großbritannien wahrscheinlich erst einmal zum Stillstand kommen, meint Franz Kohout. Der Experte glaubt aber nicht, dass man wieder Schritte zurückgehen wird. In einer globalisierten Welt können die Nationalstaaten kaum einzeln auftreten, sagt er weiter. Terroristen, Kriminelle oder Daten kennen Grenzen nicht. Politiker in Deutschland und in Brüssel müssten viel mehr über die Erfolge, zum Beispiel Hilfsprogramme für schwache Regionen, sprechen. Damit könnte man für die Idee Europa werben.
Außerdem müsse man "die Herzen der Menschen wieder erreichen". Als Beispiel nennt Kohout die Idee eines europäischen Sozialdienstes, damit junge Menschen obligatorisch eine Weile im Ausland leben. Auch müsste man das Parlament, die Vertretung der Bürger, stärken, damit die Bürger sich dort vertreten fühlen.
Teil 6 vom 21. Juni 2016: Großbritannien stimmt über den Austritt des Landes aus der EU ab: Was bedeutet das?
An diesem Donnerstag stimmen die Bürger in Großbritannien über den Austritt ihres Landes aus der Europäischen Union ab. Dieser Fall wäre bisher einzigartig in der Geschichte der EU. Doch: Wie kam es zu dieser Abstimmung? Und was passiert in einem solchen Fall am 24. Juni? Mit Experten Franz Kohout haben wir diese Fragen besprochen. Dabei verriet er uns auch seinen Tipp für den Ausgang der Abstimmung.
Der so genannte Brexit ist seit Wochen in aller Munde. Brexit setzt sich zusammen aus dem englischen Wort für Ausstieg "Exit" und "Britain". Debattiert wird darüber in dem Land schon etliche Jahre. "Großbritannien hatte in Europa schon immer eine Sonderstellung", erklärt Franz Kohout. Das sei historisch bedingt und liege nicht zuletzt an der Sonderstellung als Insel.
Trotzdem wurde das Königreich 1973 Mitglied der EU. Es wollte vor allem davon profitieren, dass der Handel innerhalb der EU leichter ist und die Menschen hinziehen können, wohin sie möchten. "Doch genau diese Freizügigkeit sahen viele Briten nach und nach immer kritischer", sagt Kohout weiter. Insbesondere seit in den 90er Jahren immer mehr osteuropäische Staaten der EU beitraten, hatten viele Briten Angst, dass ihnen zugezogene Bürger aus Bulgarien oder Polen die Arbeitsplätze wegschnappen. Auch finden sie es unfair, dass diese Bürger dann Sozialleistungen bekommen, falls sie keine Arbeit finden.
Infolge dessen gründete sich 1993 sogar eine Partei, die sich für den Austritt aus der EU einsetzte. Die Partei heißt UKIP (United Kingdom Independence Party). Seit 2015 ist sie mit einem Abgeordneten im britischen Parlament vertreten.
Für die Unzufriedenheit mit der EU gibt es aber noch viele andere Gründe. Premierminister David Cameron hat deshalb beim Wahlkampf 2015 versprochen, die Briten über einen Austritt abstimmen zu lassen, wenn sie ihn wieder wählen. Er selbst war zuletzt für den Verbleib in der EU. Mit diesem Versprechen versuchte er, auch Wähler zu gewinnen, die für den Austritt waren.
Die Frage des Brexits spaltet das ganze Land. Der Ausgang am Donnerstag ist völlig offen. Stimmen die Briten dagegen, werden am 24. Juni wahrscheinlich langwierige "Scheidungsverhandlungen" mit der EU beginnen, wie unser Experte sagt. Bei diesen Verhandlungen wird über die Einzelheiten des Austritts und die künftigen Beziehungen gesprochen. Wahrscheinlich sei auch, dass Premier Cameron dann zurücktritt, so Kohout. Boris Johnson, Ex-Bürgermeister Londons und Gegner Camerons innerhalb seiner Partei, würde sich womöglich in Position bringen. Kohout tippt aber, dass die Briten kalte Füße bekommen und die Angst vor den Folgen des Austritts letztlich zu groß ist.
Teil 5 vom 7. Juni 2016: Wozu braucht Deutschland eigentlich noch eine Bundeswehr?
Oft hören wir Nachrichten von der Bundeswehr. Es geht um Einsätze oder zuletzt um den Zustand der Ausrüstung oder um Betreuungsmöglichkeiten für Soldaten. Das alles hört sich manchmal ziemlich altmodisch an. Wir haben doch längst keinen Krieg mehr. Und alle anderen Kriege in der Welt müssten uns doch gar nicht mehr interessieren - oder? Politikwissenschaftler Prof. Dr. Franz Kohout erklärt, warum wir die Bundeswehr trotzdem brauchen.
"Wir leben in einer unfriedlichen Welt", sagt Kohout. Die Bundeswehr brauche man zur Sicherung der eigenen Souveränität. Das heißt, dass kein anderer Staat oder eine einzelne Person uns sagen kann, was wir zu tun haben. Das dies allein in Verträgen festgehalten ist, reicht allerdings nicht. Wir müssen das Land verteidigen können, auch wenn das, wie Experte Franz Kohout sagt, in Europa im Moment nicht notwendig erscheint.
Viel wahrscheinlicher sei aber, dass Konflikte von außerhalb nach Europa überschwappen. Für diesen Fall, könnte man jetzt denken, müsste dann eine europäische Armee zuständig sein. Eine solche gibt es aber nicht. Stattdessen schicken alle europäischen Länder für Einsätze Truppen. Gemeinsam bilden sie dann eine Armee, die zu einer Mission geschickt werden kann. Ein zweites solches Militärbündnis, in das Deutschland integriert ist, ist die NATO (North Atlantic Treaty Organization). Wenn einer aus diesem Bündnis angegriffen wird, müssen die anderem ihm beistehen. Das nennt man Bündnisfall. Die dritte Organisation, der Deutschland angehört, sind die Vereinten Nationen (UN). Dieses Weltbündnis will den Frieden und die Sicherheit wahren. Entscheidend ist, dass unser Bundestag jedem dieser Einsätze zustimmen muss. "Wir haben eine sogenannte Parlaments-Armee." Das heißt, das Gremium, das uns Bürger vertritt, hat das letzte Wort.
Teil 4 vom 10. Mai 2016: Was ist dieses TTIP, wer will es und was verspricht man sich davon?
Sicher habt ihr das Wort schon mal gehört oder es in einer Schlagzeile gelesen: TTIP, gesprochen "Ti- Tipp". Einige Menschen diskutieren gerade darüber. Viele Medien berichten über TTIP. Die komische Abkürzung bezeichnet ein Freihandelsabkommen. Das Wort ist nicht unbedingt verständlicher, lässt aber zumindest erahnen, dass es um Handel geht. Wir möchten euch erklären, was es genau ist und was sich dadurch ändern könnte.
Freihandelsabkommen sollen dafür sorgen, dass Staaten miteinander freier handeln können. Freier bedeutet vor allem günstiger. Denn die meisten Länder erheben Zölle. Das heißt, wer Güter in ein anderes Land verkaufen will, muss dafür eine Art Einfuhr-Gebühr bezahlen.
Warum will man das?
Bei einem Freihandelsabkommen soll diese Gebühr wegfallen beziehungsweise geringer werden. Das soll nach Meinung der Befürworter Kosten sparen. "Adam Smith stellte bereits 1780 die These auf, dass alle von einem freien Handel profitieren, da der Wohlstand insgesamt steige", erklärt Politikwissenschaftler Franz Kohout. Gegenbewegungen sind aber der Meinung, dass man die eigenen Produkte schützen muss. Werden in einem Land also nur die eigenen Erzeugnisse verkauft, hat man besser im Blick, was und von wem sie produziert werden. Außerdem schütze das die eigenen Arbeitsplätze, so die Meinung. Die EU, erklärt Kohout, sei das Paradebeispiel einer Freihandelszone.
Freihandelsabkommen gibt es schon seit vielen Jahrzehnten. Das größte Abkommen etwa hat China mit südostasiatischen Staaten. Auch die USA haben bereits viele Abkommen, zum Beispiel mit Kanada und Mexiko. "Das ist das sogenannte NAFTA-Abkommen", sagt Kohout. NAFTA steht für Nordamerikanisches Freihandelsabkommen. Die EU hat ebenfalls mehrere Abkommen. Die Verhandlungen mit Kanada etwa stehen kurz vor dem Abschluss.
Was heißt eigentlich TTIP?
TTIP heißt Transatlantic Trade and Investment Partnership, zu deutsch: transatlantisches Freihandelsabkommen. "Bevor der Vertrag verabschiedet wird, müssen die Volksvertretungen aller europäischen Länder zustimmen", erklärt Franz Kohout. In Deutschland sind das der Bundesrat und der Bundestag. Selbst wenn sich also die Verhandelnden einigen, ist noch nicht sicher, dass das Abkommen auch zustande kommt. Seit 2013 verhandeln die USA und Europa miteinander. Eigentlich möchten die beiden Parteien TTIP bis Ende 2016 unter Dach und Fach bringen, erklärt Kohout weiter. Damit würde der größte Freihandelsraum weltweit entstehen.
Der Widerstand in der Bevölkerung ist aber so groß, dass Franz Kohout auf jeden Fall mit Verzögerungen rechnet. Kritiker fürchten, dass hohe europäische Standards aufgeweicht würden. Das Beispiel, von dem ihr vielleicht mal gehört habt, ist das Chlor-Huhn. In Amerika wird Hühnerfleisch in Chlor gebadet, um es zu desinfizieren. Das wollen deutsche Verbraucher nicht. Die Befürworter von TTIP hoffen, dass sich Europa und die USA gemeinsam besser gegen die Wirtschaftsgroßmarkt China positionieren können.
Teil 3 vom 19. April 2016: Was ist eigentlich der Bundesverkehrswegeplan und warum wird darüber so heftig diskutiert?
Im Stau stehen oder LKWs vor der Nase zu haben, das nervt. Viele Straßen sollen in den kommenden Jahren ausgebaut und erweitert werden. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt ist gerade dabei, einen Plan dafür zu erstellen: Dieser heißt Bundesverkehrswegeplan. Experte Franz Kohout erklärt, warum darüber so viel gestritten wird und weshalb es trotzdem noch völlig anders kommen könnte.
Vor einigen Wochen hat Alexander Dobrindt diesen Bundesverkehrswegeplan der Öffentlichkeit vorgestellt. Der sperrige Name kommt einerseits dadurch zustande, dass alle Straßen, die Deutschland braucht, untersucht werden. Gemeint sind alle Straßen, die zum Beispiel größere und mittlere Städte verbinden. Auch Landkreise und Gemeinden bauen und verwalten Straßen. Um die geht es aber nicht. Es geht hauptsächlich um Autobahnen und Bundesstraßen. Sie gehören in der Regel dem Bund. "Andererseits sind nicht nur geteerte Straßen, sondern auch Wasserstraßen und Bahntrassen betroffen", betont Politikwissenschaftler Franz Kohout. Daher der Name Verkehrswege.
Jahrelange Planung
Neue Straßen werden nicht einfach geplant und gebaut. Meistens diskutieren Politiker Jahre darüber und wünschen sich Verbesserungen. Verbände, Organisationen und Betroffene aller Art mischen sich ein und wollen, dass eine Straße nicht oder eben schon gebaut wird. Der Plan des Verkehrsministers kam deshalb nicht aus dem Nichts. Viele haben ihn lange mit Spannung erwartet, weil sie hofften, vom Chef der Behörde zu erfahren, ob er ihre Wünsche erfüllt. Er legt jetzt offen, für welche Straßen Deutschland voraussichtlich Geld ausgeben will und für welche nicht. Denn darum geht's natürlich: ums Geld.
Alles wird der Bund nämlich nicht bezahlen. Er prüft deshalb, auf welchen Straßen viele Staus sind, welche Bedeutung zum Beispiel eine Straße für die Nord-Süd- Verbindung in Deutschland hat und welche auch für die Anwohner sinnvoll sind.
Doch hier meldete sich schon ein wichtiger Kritiker zu Wort. Franz Kohout erklärt: "Der Bundesrechnungshof bemängelt, dass im Plan keine plausible Kosten-Nutzen- Rechnung gemacht wurde." Der Bundesrechnungshof ist eine Behörde, die Projekte unter die Lupe nimmt und prüft, ob die Regierung zu viel Geld ausgibt oder sonst falsch plant.
Viele Wünsche
Im Verkehrsministerium wird man in den kommenden Monaten noch an dem Plan arbeiten. Die Öffentlichkeit kann noch bis 2. Mai ihre Einschätzung abgeben. Nicht nur der Bundesrechnungshof hat den Plan schon kritisiert. Auch viele Gemeinden, Abgeordnete und Verbände melden sich jetzt zu Wort, weil ihr Wunsch ihrer Meinung nach die falsche Gewichtung hat. Im Plan sind die Projekte nämlich in Kategorien eingeteilt. Verkehrswege, die mit der Priorität 1 eingestuft sind, sollen möglichst bald umgesetzt werden. In der Fachsprache heißt das "Vordringlicher Bedarf". Projekte mit der Priorität 2 sind als weniger wichtig eingestuft. Diese Kategorie nennt man "Weiterer Bedarf". "Der Bundesverkehrswegeplan wird seit den 60er Jahren alle zehn bis 15 Jahre erstellt", erklärt Experte Kohout. Er gibt jedoch zu bedenken, dass der Plan nicht rechtsverbindlich ist. Das heißt: Wenn die Bundesregierung im Herbst den Plan endgültig absegnet, heißt das noch lange nicht, dass er eingehalten wird. Denn sollte beispielsweise 2020 plötzlich kein Geld mehr da sein, dann werde man vielleicht über schon Beschlossenes diskutieren, erklärt Kohout. Oder wenn die Regierung wechselt. "Wenn CDU und Grüne regieren, könnte sich alles wieder ändern", sagt der Experte. Man wird sich also wohl noch weiter streiten - allen Planungen zum Trotz.
Teil 2 vom 5. April 2016: Wieso nicht jeder per Internet über die ihm wichtigen Themen abstimmen kann
Viele Nachrichten im Tagesgeschehen beschäftigen sich mit Parteien. Doch wozu brauchen wir eigentlich noch Parteien? Ist es nicht verschwendete Zeit, dass sich die Parteien ständig mit sich selbst beschäftigen? Nein, sagt Experte Franz Kohout, und erklärt auch warum.
Parteien bündeln verschiedene Interessen
Parteien bündeln die Interessen von vielen Menschen, sagt Kohout. Sie reden darüber im Bundestag, in ihrem Wahlkreis, im Fernsehen auf Wahlversammlungen und vielem mehr. Sie kommunizieren die Interessen in den politischen Prozessen, heißt das in der Fachsprache. Die Meinung der Menschen soll dabei zum Ausdruck kommen. Nicht alle Meinungen sind dabei immer vertreten. Die Welt sei so komplex geworden, erklärt Kohout. Deshalb fassen Parteien Meinungen zusammen und erstellen daraus eine abstimmungsfähige Position. "Es gibt meistens keine Partei, der man hundertprozentig zustimmen kann", sagt er.
Hinzu kommt, dass Parteien sich Expertenwissen aneignen. Ein Beispiel: Ein mögliches neues EU-Gesetz soll die Nutzung von Instagram und Snapchat erst für Jugendliche ab 16 zulassen, um sie vor Datenmissbrauch zu schützen. Aufgabe der Parteien ist es nun, über das Thema Datenschutz mit Unternehmen zu reden, mit Datenschutzbeauftragten, Internet-Experten, Pädagogen, Elternvertretern und vielen anderen Stellen. Sie müssen sich von Juristen aufklären lassen, ob das überhaupt möglich ist, schließlich gilt bei uns das Recht auf freies Handeln. Andererseits gibt es aber auch das Jugendschutzgesetz. Meistens bilden sich die Parteien auf Basis dieser Informationen dann eine Meinung. Jeder Wähler kann dann entscheiden, welche Partei seine Position am besten vertritt. Parteien entscheiden sich aber nicht nur aufgrund ihrer Expertenmeinung. Sie bilden sich diese Meinung vor dem Hintergrund einer großen Linie, die sie dauerhaft vertreten. Sie setzen sich zum Beispiel für Umweltthemen ein, wie etwa die Grünen. Andere Parteien wollen lieber die traditionellen Werte bewahren und - zum Beispiel - die Ehe nur zwischen Mann und Frau zulassen. Das sind tendenziell die Konservativen, zum Beispiel die CDU. Der Gegenspieler sind diejenigen Parteien, die Neuem aufgeschlossener sind. Sie befürworten zum Beispiel, dass die gleichgeschlechtliche Ehe vor dem Gesetz gleich zu betrachten ist (SPD, Grüne und Die Linke). Forscher bezeichnen solche Gegensätze als Konfliktlinien. Davon gibt es noch viel mehr.
Warum stimmt man nicht per Internet-Voting ab?
Viele fordern inzwischen, dass die Bürger selbst über jedes Thema per Mausklick abstimmen könnten, dann würde man dies Direktdemokratie nennen. Das ist in unserer Verfassung aber nicht vorgesehen. Darin ist das Modell der indirekten Demokratie verankert, in dem Bürgervertreter in ein Parlament gewählt werden und dort stellvertretend abstimmen. Die Schweiz ist im Gegensatz zu Deutschland direktdemokratisch. Aber auch wir haben direktdemokratische Elemente: Volksbegehren und Volksentscheide auf der Ebene von Deutschland sowie Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in Bayern. Dabei können die Bürger Unterschriften sammeln und erreichen, dass über ein Thema alle Bürger abstimmen dürfen.
Teil 1 vom 15. März 2016: Warum gibt es in den USA eigentlich Vorwahlen und wie funktionieren sie?
Der amerikanische Wahlkampf ist in vollem Gange. Im November wählen die Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika einen neuen Präsidenten. Zwei mögliche Kandidaten machen bei den derzeitig laufenden Vorwahlen Schlagzeilen: Hillary Clinton und Donald Trump. Heute wird in sechs Bundesstaaten gleichzeitig gewählt. Der erste Teil unserer neuen Politikserie beschäftigt sich mit diesen Vorwahlen. Was ist das eigentlich? Wie funktionieren sie? Und was kommt danach?
Was sind Vorwahlen?
Wenn am 8. November in den USA ein neuer Präsident gewählt wird, dann können die Wähler zwischen zwei Kandidaten entscheiden. Einer gehört den Republikanern an, der andere den Demokraten. Das sind die beiden größten Parteien im Land. Bei den Vorwahlen wird dieser Kandidat innerhalb der Parteien gewählt. In jeder Partei wollen mehrere Bewerber Präsidentschaftskandidat ihrer Partei werden. Je nach Wahlmodus stimmen bei den Vorwahlen entweder nur die Mitglieder der eigenen Partei oder zusätzlich registrierte Mitglieder anderer Parteien und Parteilose ab. Bei einem anderen Wahlverfahren treffen sich Menschen in Gemeindesälen oder Turnhallen und stimmen zum Beispiel durch Handheben ab. Vorwahlen gibt es in jedem Bundesstaat. Die erste fand am 1. Februar im Bundesstaat Iowa statt. Seitdem folgt Staat auf Staat. Die letzte Vorwahl ist am 14. Juni. Dann stimmen die Demokraten in Washington, D.C. für einen Kandidaten ab.
Wieso gibt es Vorwahlen?
Vorwahlen ergeben sich im amerikanischen Wahlkampf daraus, dass es sich um eine Persönlichkeitswahl handelt. "Anders als in Deutschland wird der Präsident direkt vom Volk gewählt", erklärt Experte Franz Kohout. Die Wähler lernen die Kandidaten kennen. Langsam spitzt sich die Wahl auf zwei Kandidaten zu. Diese müssen in einem langen Wettbewerb überzeugen und sich bekannt machen. Eine große Rolle dabei spiele das Geld, sagt Kohout. Wer viel hat, kann viel in den Wahlkampf stecken.
Wer hat derzeit die Nase vorne?
Im Moment liegt bei den Demokraten Hillary Clinton vorne. 13 Vorwahlen hat sie bis jetzt gewonnen. Mit ihr bewirbt sich Bernie Sanders für die Spitzenkandidatur (neun gewonnene Vorwahlen). Bei den Republikanern hat der Milliardär Donald Trump die Nase vorne (15 gewonnen Vorwahlen). Seine Konkurrenten innerhalb der Partei sind Ted Cruz (8) und Marco Rubio (3). Einige Kandidaten haben bereits das Handtuch geworfen oder noch keinen einzigen Bundesstaat gewonnen.
In den kommenden Wochen werden noch einmal so viele Vorwahlen stattfinden wie bisher. Erst wenn bevölkerungsreiche Staaten wie Kalifornien und New York State gewählt haben, lasse sich wahrscheinlich ein Trend erkennen, sagt Experte Franz Kohout. Nach den Vorwahlen treffen sich die Demokraten und die Republikaner im Juli jeweils zu einem großen Parteitag. Dabei werden die finalen Kandidaten formal gewählt.
Warum das große Interesse?
Das liegt laut Franz Kohout an der schillernden Figur Donald Trump, der mit höchst bedenklichen Aussagen von sich reden machte. Nicht nur mit frauenfeindlichen, sondern auch rechtspopulistischen Äußerungen landet er in den Schlagzeilen. Der Milliardär, sagt Kohout, finanziere den Wahlkampf aus eigener Tasche.