[Frei]schreiben!

Aus dem Leben einer Studentin


Die Universität Regensburg: Hier studiert Kristina im sechsen Semester Lehramt.

Die Universität Regensburg: Hier studiert Kristina im sechsen Semester Lehramt.

Von Redaktion idowa

Ergoldsbach/Regensburg. "Studenten haben es gut", bekommt LZ-Mitarbeiterin Kristina Huber immer wieder zu hören. Gestern hat sich die junge Studentin beim Volksbegehren gegen Studiengebühren eingetragen. Warum sie hofft, dass viele andere das auch tun, erzählt sie in ihrem Erlebnisbericht über ihr alltägliches Studentenleben.

"Pfff Um zwei Uhr Nachmittag schon Feierabend haben. So ein Studentenleben möcht' ich auch mal haben", schnaubt der Schaffner entrüstet, als ich ihm mein Studentenausweis unter die Nase halte. Vor nicht allzu langer Zeit hätte ich wegen so einer Aussage mit der entsprechenden Person begonnen, zu diskutieren. So etwas bekommt man oft zu hören, aber obwohl es immer wieder ein Schlag ins Gesicht ist, bin ich es leid geworden, mich ständig zu rechtfertigen. Was der Schaffner nämlich nicht weiß, ist, dass ich keineswegs schon frei habe.

Im sechsten Semester

Ich studiere im sechsten Fachsemester Lehramt in den Fächern Englisch, Geschichte und Sozialkunde für das Gymnasium an der Universität Regensburg. Da ich mir keine eigene Wohnung leisten kann, wohne ich noch zu Hause bei meinen Eltern in Ergoldsbach.

Heute Morgen bin ich mit dem Zug um sieben Uhr nach Regensburg gefahren. Dann hatte ich von acht bis vierzehn Uhr durchgehend Kurs. Wenn ich dann zu Hause bin, schmeiße ich meinen Rucksack in die Ecke, nur um meine Handtasche zu packen und gleich wieder aufzubrechen. Um mein Studium einigermaßen finanzieren zu können, jobbe ich nebenbei an der Tankstelle. Jeden Montagabend arbeite ich dort von 17 bis 22 Uhr. Nachdem ich die Schicht mit ausreichend Kaffee hinter mich gebracht habe, lege ich mich zu Hause ins Bett, um mich noch ein wenig für mein Hauptseminar vorzubereiten. "Der Hundertjährige Krieg, Kapitel 5: Herzöge und Regentschaften (1361-1380)". Nach zwei Seiten schlafe ich ein.

Per Zug zum Studium

Dienstag, sechs Uhr: Der Wecker klingelt erbarmungslos. Ich quäle mich aus dem Bett, mache mich fertig und breche erneut auf zum Bahnhof. In Regensburg angekommen quetsche ich mich in einen der völlig überfüllten Busse. Einen Vorteil hat die Sache: Umfallen kann man hier drinnen nicht mehr.

Von acht bis zehn Uhr erzählen mir nun meine Kommilitonen in einem Referat von der Kriegsstrategie der englischen Langbogenschützen im Hundertjährigen Krieg. Anschließend schreibe ich von zehn bis zwölf Uhr in "Academic Writing" ein Essay über das amerikanische Bildungssystem und von zwölf bis 14 Uhr kritzle ich emsig mit, als mein Dozent über "Athen und Sparta - von den Anfängen bis zur Schlacht von Marathon" referiert. Die Lücke von 14 bis 16 Uhr nutze ich für eine Kaffeepause und ziehe mich dann in der Bibliothek zurück, um die Kurse, die ich heute bisher hatte, nachzubereiten. Nachdem ich von 16 bis 18 Uhr noch in der Vorlesung "From Restauration to Renaissance", eine Interpretation von Shakespeares "Othello", durchgeackert habe, raucht mir der Kopf, als ich im Zug nach Hause sitze. Um 19 Uhr bin ich daheim. Ich versuche noch zu lernen, aber so recht will mir heute nichts mehr in den Kopf gehen. Er brummt nur so vom alten Griechenland, dem amerikanischen Bildungssystem und englischen Langbogenschützen.

Mittwoch hätte ich frei, aber ich fahre in die Uni, um mein Referat "Christina Rossetti's Goblin Market in Context" für meinen Literaturkurs vorzubereiten und so vergeht auch dieser Nachmittag schnell. Donnerstagmorgen habe ich den Kurs "Deutsche Geschichte von 1495-1620", in dem mein Dozent wie ein Wasserfall von der Reformation in den deutschen Städten plaudert. In der nachfolgenden Quellenübung der Mittelalterlichen Geschichte fahren wir zum Regensburger Dom, um die Grabplatten des Kreuzganges genauer zu untersuchen. Wieder in der Uni angekommen, muss ich ein Referat über die Durchführung von Zeitzeugengesprächen halten. Als ich um 15 Uhr endlich zu Hause bin, bleibt mir nichts anderes übrig, als mich wieder an meine Studienunterlagen zu setzen. Freitag - Gott sei Dank! Doch ganz hat mein Wochenende noch nicht begonnen, da ich von 17 bis 22 Uhr wieder Super und Diesel an der "Tanke" verkaufe.

"Wie ein Vollzeitjob!"

Rechnet man alles zusammen, habe ich rund 24 Wochenstunden in der Uni, hinzu kommen mindestens zehn Stunden an der Tankstelle, sowie noch ungefähr zehn Wochenstunden, die ich für Lernen und Erledigen von Studienarbeiten aufbringen muss. Im Schnitt sind das nicht mehr Stunden als bei jemandem, der in einem Vollzeitjob beschäftigt ist - aber auch nicht weniger. Klar, mit ein wenig Selbstdisziplin ist so eine Woche auch ganz gut durchzuhalten. Der feine Unterschied zu mir und einem Menschen mit Vollzeitjob ist nur, dass jemand der Vollzeit arbeitet, dann am Monatsanfang mehr Geld als ich auf dem Konto hat. Ich hingegen höchstens 550 Euro, dank Nebenjob und ein wenig BAföG.

Von diesen 550 Euro gehen gleich mal 70 Euro weg für mein Zugticket. Ich verziehe mein Gesicht und muss an meinen Lieblingsschaffner denken Dann kommt noch ein Teil meines Geldes auf mein Sparbuch, denn die nächsten Studiengebühren (jedes halbe Jahr rund 600 Euro) lassen bereits grüßen. Im Schnitt bleiben mir dann mit allen Abzügen etwa 200 Euro für einen Monat - mein Buch über den Hundertjährigen Krieg oder ähnliches habe ich mir aber von dem Geld noch nicht gekauft.

In Bayern wurden die Studiengebühren noch nicht abgeschafft. Trotz vieler Aktionen und Streiks konnte die bayrische Studentenschaft noch keine Fortschritte in diesem Thema erzielen. Bis vor Kurzem. Noch bis zum 30. Januar können die Bürger Bayerns in einem Volksentscheid gegen die Abschaffung der Studiengebühren stimmen. Mein persönlicher Wunsch ist es, dass auch die Menschen, die nicht direkt von den Studiengebühren betroffen sind, einsehen, was Studenten leisten und sich dafür einsetzen. Dann können sich auch Jugendliche, deren Eltern nicht vermögend sind, ein Studium leisten können. In diesem Sinne, hoffe ich, dass viele Menschen mit Vorurteilen über das "lustige Studentenleben" diesen Text lesen und ihre Meinung überdenken.

Kristina Huber aus Ergoldsbach trägt sich beim Volksbegehren gegen Studiengebühren ein.

Kristina Huber aus Ergoldsbach trägt sich beim Volksbegehren gegen Studiengebühren ein.