Der Pathologe und die bärtige Frau
Andrea Limmer reist zurück in die Vergangenheit – dieses Mal zu einem berühmten Wissenschaftler
7. Dezember 2014, 16:28 Uhr aktualisiert am 7. Dezember 2014, 16:28 Uhr
Klingeling! Sie geht wieder los: die Vorweihnachtszeit. In dieser Zeit singen wir den Frieden auf Erden inbrünstig herbei. Wir wollen überall Liebe. Harmonisch soll es halt zugehen, in den warmen Stuben hinter den erleuchteten Fenstern und davor auf den Straßen. So weit zum Kopfkino, wenn man "Advent" hört. Leider schaut es meist ein bisschen anders na ja, ein bisschen grantiger, aus. Die Leute rennen hektisch zwischen den Geschenktürmen herum oder hupen im Adventsverkehr wütend wie unsinnig alle an. Deshalb beschäftigen wir uns jetzt mit etwas ganz Grausigem, damit wir uns später richtig auf den Weihnachts-Kitsch freuen.
Dafür springen wir in der Zeit zum 5. Dezember 1771 und stehen am Grab von Giovanni Battista Morgagni. Wobei wir sogleich das machen, was sich der Italiener zum Beruf gemacht hat: eine Leiche betrachten. Jedoch ging der Mediziner und Anatom viel weiter - besser gesagt: tiefer, wodurch er zum Begründer der modernen Pathologie wurde. Er war in diesem Fach ein Star seiner Zeit.
Morgagni kam am 25. Februar 1682 in Forli zur Welt. Von 1698 bis 1701 studierte er in Bologna, wurde dort bereits mit 19 Jahren in der Medizin und Philosophie promoviert und trat während dieser Zeit (1699) der "Accademia degli Inquieti" ("Akademie der Unruhigen") bei. Diese Sozietät, gegründet 1691, hatte sich der Förderung der Wissenschaft verschrieben. Morgagni übernahm den Vorsitz der Akademie 1704. Sein Studienweg führte ihn über Venedig wieder nach Forli, wo er als praktischer Arzt arbeitete und seine Frau Paola Verazeri kennenlernte. Paola brachte zwölf Töchter und drei Söhne zur Welt. Aber auch sonst war Morgagni recht aktiv. Er zog nach Padua, wo er sein wichtigstes Werk verfassen und schließlich sterben sollte.
Eben jenes Werk von Morgagni umfasst fünf Bücher und heißt: "De sedibus et causis morborum per anatomen indagatis" ("Über den Sitz und die Ursachen der Krankheiten, aufgespürt durch die Anatomie"). Dafür haben er und seine Schüler gut 640 Leichen seziert. Die Ergebnisse wurden in Briefen festgehalten und als Buchform 1761 herausgegeben. Damals war Morgagni bereits 80. Der Mediziner wollte mit diesem Werk vor allem eine empirische Erhebung der organischen Ursachen von Krankheiten verfassen. Sein Werk gilt als Grundpfeiler der wissenschaftlichen Pathologie.
Es gibt eine Reihe von Befunden, die nach dem berühmten Mediziner benannt sind. Unter anderem das Morgagni-Syndrom, auch Morgagni-Trias oder "Diabetes der bärtigen Frauen" genannt. Das ist eine Kombination aus Fettsucht, Hirsutismus (maskulines Verteilungsmuster der Langhaare bei Frauen) und Hyperostosis frontalis interna (die Schädelkalotte weist im Bereich des Stirnbeins eine gutartige Verdickung zur Innenseite hin auf).
Aber Achtung! Der (wohlbeleibte) Mensch im roten Gewand und weißem Bart, welcher sich ständig auf den Christkindlmärkten herumtreibt und Süßigkeiten in den Händen hält, ist keine zuckerkranke Greisin. Dieser Mensch ist der Nikolaus - und ein Teil jener staad'n Zeit, die wir wirklich mögen.