Arbeitswelt

Umschulen und ausbilden statt kündigen und suchen


Das Logo von Siemens an der Firmenzentrale in München.

Das Logo von Siemens an der Firmenzentrale in München.

Von Von Christof Rührmair, dpa

Siemens bündelt seine Weiterbildungs- und Umschulungskapazitäten in einer Digitalisierungsakademie. Die Rechnung dahinter ist auch jenseits des Fachkräftemangels eindeutig.

Die deutsche Industrie steckt mitten in der digitalen Transformation. Siemens reagiert mit einer neuen Digitalisierungsakademie auf die sich verändernden Anforderungen an seine Mitarbeiter, wie der Konzern am Freitag mitteilte. In der "SiTecSkills Academy" sollen deutschlandweit 19 regionale Trainingszentren Kompetenzen für den "digitalen Wandel im Arbeitsumfeld" schärfen. Damit will Siemens die "Beschäftigungsfähigkeit" seiner Mitarbeiter sichern - also dafür sorgen, dass sie auch in Zukunft das können, was das Unternehmen braucht.

"Mit gezieltem Up- and Reskilling können wir sicherstellen, dass die Kompetenzen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stets auf dem neuesten Stand sind", sagt Judith Wiese, die im Siemens-Vorstand unter anderem für Personalthemen und Nachhaltigkeit zuständig ist. Das sichere auch die langfristige Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens.

"In passgenaue Fort- und Weiterbildung zu investieren, ist nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch aus Unternehmenssicht sinnvoller, da wir auf bereits bestehendem Know-how unserer Mitarbeitenden aufsetzen können", sagt Wiese. "Damit bieten wir einen Mehrwert für alle: die Menschen, das Unternehmen und unsere Gesellschaft."

Eine Kostenfrage

Die wirtschaftliche Rechnung dahinter ist eindeutig: Bei intensiven Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen rechnet man bei Siemens aus Erfahrungswerten mit durchschnittlichen Dimensionen von etwa 8000 Euro pro Jahr, um einen Mitarbeiter fortzubilden (Upskilling), beziehungsweise 30.000 Euro pro Jahr, um einen Mitarbeiter für ein anderes Tätigkeitsfeld umzuschulen (Reskilling). Das ist nicht billig, doch jemand Neuen einzustellen, kostet - inklusive der Kosten für Beratung, Einarbeitungszeit und ähnliches - grob 40.000 bis 50.000 Euro.

Und Mitarbeiter abzubauen, ist in der Regel noch teurer. Hier nennt Siemens zwar keine Zahlen. Aus Branchenkreisen sind aber Dimensionen um im Schnitt 100.000 Euro pro Mitarbeiter zu hören. Wer also einen Mitarbeiter mit nicht mehr gebrauchter Qualifikation umschult, statt ihn zu entlassen und einen neuen Mitarbeiter mit den gesuchten Qualifikationen einzustellen, spart sehr viel Geld.

Bei der IG Metall steht man dem Ansatz positiv gegenüber: Man begrüße "grundsätzlich jede Maßnahme, die der Qualifizierung der Menschen dient", sagt der bei der Gewerkschaft für Siemens zuständige Hagen Reimer. Die Akademie sei mit ihrem flexiblen Fokus auf technische Inhalte ein guter Ansatz. "Alle Beschäftigten müssen die Möglichkeit haben, ihr Qualifikationsprofil fortlaufend und vorausschauend den Erfordernissen anzupassen", sagt er.

"Wir haben Transformationszeiten, und die Anforderungen ändern sich", erklärt Experte Enzo Weber, vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, IAB. Das Thema Weiterbildung habe an Bedeutung gewonnen, insbesondere in Betrieben, die in digitale Technologien investieren.

Weiterbildung nutze dabei der ganzen Gesellschaft, betont Weber. "Das Arbeitslosigkeitsrisiko sinkt, Wertschöpfung und Steuereinnahmen steigen. Auch deswegen fördert der Staat ja Weiterbildungsmaßnahmen."

Fachkräftemangel im Fokus

Und natürlich spielt auch der Fachkräftemangel eine Rolle. "Die Knappheit am Arbeitsmarkt ist aktuell so groß wie seit Wirtschaftswunderzeiten nicht mehr - und das trotz der Energiekrise", sagt Weber. Schon in der Corona-Krise seien weniger Leute entlassen worden als in der Zeit vor der Krise. "Die Firmen sehen: Wenn sie jemanden entlassen, dann bekommen sie die Stelle vielleicht nicht wieder besetzt."

Auch das macht es sinnvoller, umzuschulen als neu zu besetzen. Doch es gibt auch Hürden und Grenzen: "Nicht jeder kann beliebige Anforderungen erfüllen, und nicht jeder will in jedem Bereich tätig sein, nur weil es dort gerade Bedarf gibt", sagt Weber. "Oft ist es daher sinnvoll, Tätigkeiten mit verwandten Kompetenzen zu suchen."

Doch es gibt auch Ausnahmen, wie ein Beispiel von Siemens zeigt: In Regensburg, wo es bereits einen Vorläufer der aktuellen Initiative gab, hat diesen Sommer eine ehemalige Kantinenkraft ihre Umschulung beendet. Sie ist jetzt Mechatronikerin im Sondermaschinenbau.

Dieser Artikel ist Teil eines automatisierten Angebots der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Er wird von der idowa-Redaktion nicht bearbeitet oder geprüft.