Interview

Keine Macht dem rosa Elefanten

Die Ärztin Katharina Schmid erklärte, welche Wirkung positive Gedanken haben können


?Keine Macht dem rosa Elefanten!? ? Privatdozentin Dr. Katharina Schmid.

„Keine Macht dem rosa Elefanten!“ – Privatdozentin Dr. Katharina Schmid.

Privatdozentin Dr. Katharina Schmid, Ärztin und Autorin aus Straubing, beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Themen Resilienz, also der inneren Widerstandsfähigkeit, und der positiven Wirkung von Gedanken.

Bei einem Workshop mit dem Titel „Wie tickt mein Kopf?“ erklärte sie den Lehrern, was negative Gedanken mit unserem Wohlbefinden und unserer Denkleistung machen und wie man sie ändern kann.

Morgens in die Schule zu gehen, ist für Schüler wie Lehrer oftmals ein Graus. Was machen solche Gefühle mit ihnen?

Katharina Schmid: Ob ein Schüler oder Lehrer ängstlich, angespannt, gestresst oder mit Freude das Klassenzimmer betritt, das macht einen riesen Unterschied. Fühlt man sich unwohl, schüttet der Körper immer auch Stresshormone aus. Das Gehirn erhält das Signal „Sei auf der Hut“, der Organismus ist auf Flucht, Kampf oder Totstell-Modus eingestellt. Die Großhirnrinde, Sitz unseres Denkens, wird weniger durchblutet, Teile regelrecht abgeschaltet und das Blut stattdessen in den Körper gepumpt. In dieser Situation kann sich niemand mehr gut konzentrieren und neue Lerninhalte aufnehmen. Denn der Körper ist damit beschäftigt, sein Überleben zu sichern. Das gilt besonders auch in Prüfungssituationen.

Ein weiteres Problem: Unser Gehirn kann das Wort „nicht“ nicht abstrahieren. Wenn ein Lehrer zum Beispiel denkt: Ich will nicht, dass die Schüler heute laut sind und Unfug machen, dann versteht das Gehirn genau das Gegenteil. Das ist wie bei dem berühmten Beispiel vom rosa Elefanten. Versuche ich nicht an einen rosa Elefanten zu denken, habe ich genau diesen vor meinem inneren Auge, und es braucht viel Energie, das Bild wieder zu unterdrücken. Genauso ist es mit negativen und unangenehmen Gedanken. Viel besser ist daher, wenn Schüler und Lehrer den Schulunterricht oder eine Prüfungssituation mit dem Gedanken „Ich fühle mich in der Schule wohl“ oder „Ich werde das meistern“ verbinden. Das wirkt sich längerfristig positiv auf die eigene Stimmung, die Konzentrationsleistung und auf das allgemeine Wohlbefinden aus.

Und wie geht das?

Schmid: Wir können lernen, Sorgen und Ängste durch positive und angenehme Gefühle zu ersetzen. Wenn sich der Lehrer zum Beispiel vorstellt, wie toll der Unterricht war und dass die Schüler viel daraus mitgenommen haben, dann schafft er damit positive Zielbilder und geht dadurch besser gelaunt ins Klassenzimmer. Dasselbe gilt für den Schüler, wenn er im Vorfeld daran denkt, wie er eine Aufgabe bereits erfolgreich bewältigt hat. Zielbilder werden immer in Gegenwart oder Vergangenheit formuliert. Wer sich das nun so ausmalt, der kreiert dazu auch Emotionen. Und diese Gefühle sind das Entscheidende. Gedanken alleine bewirken noch recht wenig. Nur wenn sie mit Gefühlen und innere Vorstellungen verbunden werden, werden sie im Gedächtnis gespeichert. Wenn ich zum Beispiel die Freude oder die 
Zufriedenheit, die ich hinterher spüren könnte, vorweg nehme, dann werden Hormone ausgeschüttet, die dafür sorgen, dass es mir im Vorfeld bereits gutgeht, ich bin stressresistenter.

Wie können Lehrer ihre Schüler dahingehend anleiten?

Schmid: Ich weiß, dass Lehrer ihren Schülern viel Stoff beizubringen haben. Aber ich bin überzeugt: Wenn sich Lehrer und Schüler am Anfang des Unterrichts ein paar Minuten Zeit nehmen, um ihre Gedanken zu sammeln und auf das auszurichten, was sie gerne erreichen wollen, dazu eine kurze Entspannungsübungen machen, dann wäre der Unterricht weitaus effektiver und freudvoller. Die Schüler würden mehr behalten.
Ein weiterer Tipp: Wenn sich Schüler oder Lehrer bereits gestresst fühlen, können sie sich durch einige bewusste Atemzüge entspannen, und sich dafür selbst loben und anerkennen, was sie bereits geschafft haben. Auch wenn es nur Kleinigkeiten sind. Auf diese Weise wird dem Gehirn nämlich signalisiert, dass  keine Gefahr besteht und alles in Ordnung ist. Dann kann man sich wieder auf das Wesentliche konzentrieren und in Lösungen denken.