Bayern
Energiekosten zu hoch: Spielzeugmuseum macht drei Monate dicht
3. Februar 2023, 18:20 Uhr aktualisiert am 3. Februar 2023, 18:20 Uhr
München - Nele Joas erinnert sich noch sehr gut an ihren ersten Besuch. Damals, in den 80ern war sie selbst noch ein Kind und konnte sich gar nicht sattsehen an all den zauberhaften Spielsachen: fein gearbeitetes, handbemaltes Blechspielzeug, Teddybären in allen Größen, Käthe-Kruse-Puppen und langbeinige Barbies, Märklin-Eisenbahnen, Schuco-Autos und so viel mehr.
Vor wenigen Tagen wollte die Münchnerin mit ihren Nichten Lidia (6) und Lynn (8) ins Spielzeugmuseum im alten Rathausturm und den beiden zeigen, wovon Kinder in früheren Zeiten geträumt haben. Im Dezember werden es 40 Jahre, dass die Sammlung des Karikaturisten, Zeichners, Filmemachers, Autoren und Filmregisseurs Ivan Steiger ins Alte Rathaus gezogen ist. Sein Leben lang hat er Spielzeug gesammelt.
Tochter Helena Steiger (58), die das Museum heute führt, erzählt gern, wie es überhaupt dazu kam, dass all die Schätze heute in einem Museum stehen: "Unsere Altbauwohnung in Schwabing war übervoll mit Spielzeug." Die Familie wohnte in der Elisabethstraße im selben Haus wie der Volksschauspieler Walter Sedlmayr. "Irgendwann hat meine Mutter meinen Vater vor die Wahl gestellt: ,Ivan, entweder das Spielzeug oder ich!'"
Der Vater fragte rum, auch bei der Stadt - und bekam die Zusage für den damals leerstehenden, renovierten Rathausturm. Das Spielzeug zog ein und die Familienwohnung wurde wieder bewohnbarer. Ivan Steigers riesige Sammlung reichte sogar, um noch ein zweites privates Museum in Prag zu füllen - das heute Helenas jüngere Schwester Johanna führt.
Doch als Nele Joas und ihre Nichten jetzt das Museum am Marienplatz besuchen wollten, war die Enttäuschung groß. Die schwere Tür, hinter der eine steinerne Wendeltreppe in die Ausstellung führt, ist zugesperrt. "Aufgrund der gestiegenen Energiekosten bleibt unser Museum in der Zeit vom 09.01.2023 bis 31.03.2023 geschlossen" steht auf einem Zettel.
Vielen Münchnern und Touristen wird es in den vergangenen Wochen ergangen sein wie Familie Joas. Noch bis vor wenigen Tagen hatte das offizielle Stadtportal muenchen.de das Spielzeugmuseum im Internet mit "geöffnet" beworben. Inzwischen ist der Eintrag korrigiert.
Doch warum muss die Attraktion für Besucher aus aller Welt für drei Monate schließen? Gerade jetzt, wo Corona weitgehend überstanden scheint, das Wetter schlecht ist und Schulferien nahen? Ausgerechnet ein Museum, das in städtischen Räumen untergebracht ist und - wie es aus dem Kommunalreferat heißt - "zu einem günstigen Mietzins" überlassen wird? Bekommt ausgerechnet dieses Museum keine finanzielle Unterstützung für die gestiegenen Kosten?
Die AZ traf sich mit Helena Steiger vor Ort. Seit fast vier Wochen ist kein Besucher mehr in den Räumen gewesen. Ein bisschen Staub hat sich angesammelt, ansonsten wirkt alles wie immer. Die Teddys, Figuren aus dem Erzgebirge, Püppchen und Autos sitzen, stehen oder liegen feinsäuberlich drapiert in ihren Vitrinen.
Unter Kälte scheinen sie nicht zu leiden. Helena Steiger hat alle Heizungen runtergedreht, um Energie zu sparen. Neben der verwaisten Kasse im ersten Stock bollert sie trotzdem. Steiger will bei der Stadt nachfragen, warum. Etwas kühl ist es im Museum, richtig kalt ist es aber nicht.
Vorübergehend zu schließen, sei ihr nicht leicht gefallen, sagt die Museumschefin. Aber sie habe frühzeitig planen müssen. "Im November war die Prognose, dass die Heizkosten um das Zweieinhalbfache steigen. Für unser privates Museum hätte das Mehrkosten von 10 000 Euro bedeutet von Januar bis Ende März", sagt sie zur AZ. Im Winter kämen aber deutlich weniger Besucher. Das hätte sich nicht gerechnet. "Wir sind ein wirtschaftlicher Betrieb." Helena Steiger ist hauptberuflich Bilanzbuchhalterin - sie kennt sich aus mit Zahlen.
Ob eine Energiepreisbremse und finanzielle Hilfe für Kultureinrichtungen kommen, "das war im Herbst noch nicht sicher", erklärt sie. Neun Mini-Jobber beschäftigt sie. Auch ihre beiden Kinder (21, 16) arbeiten mit. Ihren Mitarbeiterinnen hat sie gekündigt, will sie aber wieder einstellen.
Laut Kulturreferat ist das Spielzeugmuseum das einzige von 50 Museen und genau so vielen Galerien und Ausstellungsräumen, das in München wegen hoher Energiepreise derzeit geschlossen hat.
Die gute Nachricht: Am 1. April will Helena Steiger den Turm voller Spielzeugschätze wieder für Besucher öffnen. Im März wird Großputz gemacht, die Böden will sie neu einlassen. Dann ist wieder alles frisch im Jubiläumsjahr, 40 Jahre, nachdem ihr Vater das Museum am 3. Dezember 1983 feierlich eröffnet hat.
Nele Joas und ihre Nichten sind trotzdem enttäuscht. Sie wären gern jetzt während der Schlechtwetterzeit ins Museum gegangen - auch in dicken Anoraks und mit Mützen.