Bayern

Am Sonntag wird der Migrationsbeirat gewählt - doch was tut der eigentlich?

Der Migrationsbeirat, der die Interessen von Tausenden Migranten in der Stadt vertritt, steht wieder zur Wahl. Aber was tut der Beirat eigentlich und wer darf ihn wählen?


Olga Dub-Büssenschütt kommt aus der Ukraine.

Olga Dub-Büssenschütt kommt aus der Ukraine.

Von Christina Hertel

Etwa 240.000 Einwohner dürfen in Münchner bei Kommunalwahlen nicht mit abstimmen, weil sie keinen deutschen Pass haben und nicht aus der EU stammen. Ihre Interessen vertritt in München der Migrationsbeirat. Er gibt Empfehlungen an den Stadtrat und kann Anträge einbringen. Bindend sind die Ratschläge nicht.

Diesen Sonntag, also am 19. März, wird der Migrationsbeirat neugewählt. Abstimmen dürfen alle volljährigen Münchner ohne deutschen Pass, die seit mindestens sechs Monaten in München wohnen. Wer eine doppelte Staatsbürgerschaft hat oder eingebürgert ist, darf nur mitstimmen, wenn er sich zuvor in ein Wählerverzeichnis eintragen hat lassen.

Schon vor einer Weile hat die Stadt all jenen, die abstimmen dürfen, eine Wahlbenachrichtigung geschickt. Wenn sie nicht angekommen ist, ist das nicht so schlimm: Man muss zur Wahl nur einen gültigen Ausweis mitbringen.

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Carmen Romano hat auch beruflich viel mit Politik zu tun.

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Dimitrina Lang ist derzeit Chefin des Migrationsbeirats.

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Arif Abdullah Haidary ist als 14-Jähriger in München angekommen. Er musste aus Afghanistan fliehen, weil seine Eltern dort als Journalisten gearbeitet hatten.

Die Stadt hofft, dass diesmal die Wahlbeteiligung steigt. Sie hat deshalb vor Kurzem eine Werbekampagne gestartet. Denn die Wahlbeteiligung lag beim vergangenen Mal bloß bei drei Prozent. Der Stadtrat hat sich deshalb (mit einer Mehrheit aus CSU und Grünen und gegen die Stimmen der SPD) dafür entschieden, dass nicht mehr alle Mitglieder direkt gewählt werden. Der Stadtrat wird zehn Mitglieder benennen, 40 stehen am Sonntag zur Wahl.

Aber was bewirkt der Migrationsbeirat überhaupt? Bei allen Beschlussvorlagen, die mit Migration zu tun haben, wird der Beirat um eine Stellungnahme gebeten. Außerdem organisiert er Gedenkveranstaltungen und Feste.

Auch über ein eigenes Budget von 160.000 Euro kann der Migrationsbeirat verfügen. Er fördert damit im Jahr um die 120 Integrationsprojekte. Und er kann auch eigene Impulse setzen und Anträge an den Stadtrat stellen.

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"Gleiche Chancen für alle"

Arif Abdullah Haidary weiß, wie das Leben in einer Asylunterkunft ist: Er flüchtete 2015 gemeinsam mit seinen Brüdern aus Afghanistan nach München. Damals war er 14 Jahre alt. Seine Eltern hatten in Kabul als Journalisten gearbeitet, seine Familie sei deswegen politisch verfolgt gewesen. Trotzdem musste Arif Abdullah Haidary zwei Jahre lang warten, bis seine Mutter und sein Vater auch nach Deutschland kommen durften. In den Unterkünften habe er viele Schwierigkeiten erlebt, sagt Arif. "Es gab ein Klo für 100 Menschen. Nachts kamen die Securitys ins Zimmer, ohne anzuklopfen." Er habe mitbekommen, wie lange es dauern kann, bis man als Geflüchteter eine Ausbildung beginnen kann. "Dabei dürfen selbst Leute, die wegen schwerer Straftaten im Gefängnis sitzen, in Deutschland eine Ausbildung machen", sagt der 23-Jährige. Deshalb habe er schon kurz nach seiner Ankunft begonnen, sich politisch zu engagieren. Arif Abdullah Haidary ist Mitglied der Mut-Partei, die sich unter anderem für eine menschenwürdige Asylpolitik einsetzt. Die Mut-Partei unterstützt bei der Migrationsbeiratswahl die Liste "Aktionsbündnis München Vielfältig und Solidarisch", auf der er der Spitzenkandidat ist. Auch die Linke und "Die Partei" machen Werbung für diese Liste. Arif Abdullah Haidary kämpft für ein kommunales Wahlrecht für alle Migranten und er fordert auch einen besseren Zugang zu Bildung - egal, woher die Menschen kommen. Er hat eine Ausbildung zum Mediengestalter gemacht und besucht jetzt eine Meisterschule für Fotografie.

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Für bessere Unterkünfte

Olga Dub-Büssenschütt kam aus der Ukraine nach Deutschland, als sich wohl niemand vorstellen konnte, dass sich das Land einmal gegen Russland verteidigen muss. 19 Jahre ist das inzwischen her. Damals begann sie hier ihr Volkswirtschaftslehre-Studium, inzwischen arbeitet sie im öffentlichen Dienst, ist CSU-Mitglied, kandidierte bereits für den Münchner Stadtrat und sitzt seit sechs Jahren im Migrationsbeirat. Vor allem setze sie sich für die ukrainischen Geflüchteten ein, erzählt Olga Dub-Büssenschütt (38). Sie fordert, dass die Stadt die Menschen, die momentan noch in den Leichtbauhallen leben, schneller in Unterkünfte verteilt. Sie kenne Geflüchtete, die inzwischen seit mehr als einem Jahr in den Hallen leben. "Dort gibt es keine Privatsphäre", sagt sie. "Bloß dünne Holztrennwände und Vorhänge trennen die Geflüchteten voneinander." Für Kinder sei es dort schwierig, Hausaufgaben zu machen, für Erwachsene sei es schwierig, einen Job zu finden und für alle sei es schwierig, Deutsch zu lernen. Dass sich die Stadt schwertut, allen Geflüchteten gleich eine Wohnung anzubieten, kann Olga Dub-Büssenschütt verstehen. "Aber in einem Heim kann man zumindest mal die Tür zu machen." Erreichen will Dub-Büssenschütt vor allem mehr Chancengleichheit für Kinder aus migrantischen Familien. Eine Idee ist ein Mentoring-Programm, damit sie mehr Vertrauen in sich fassen. Die 38-Jährige tritt auf der Liste "Allianz Münchner Migranten" ein. Diese Liste wird von der CSU unterstützt.

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Besser erinnern

Dimitrina Lang ist die aktuelle Vorsitzende des Migrationsbeirates und sie möchte wiedergewählt werden. Warum? "Weil es noch viel zu tun gibt in der Migrationspolitik”, sagt die 44-Jährige. Zum Beispiel fordert sie ein kommunales Wahlrecht für alle Migranten. Denn wer nicht aus der EU kommt, darf bei Kommunalwahlen nicht mitstimmen. "Sie zahlen hier Steuern, aber dürfen nicht abstimmen" - das findet Lang unfair. Besonders wichtig ist ihr außerdem, dass in München eine andere Erinnerungskultur an die rassistischen Morde des NSU und an den Anschlag im Olympia-Einkaufszentrum entsteht. In Hanau, wo auch ein Rassist einen Anschlag verübte, sei das Gedenken viel ausgeprägter, sagt Lang. Dort gebe es eine riesige Ausstellung im Stadtzentrum, am Jahrestag gebe es von morgens bis abends Veranstaltungen in der ganzen Stadt. Und in München? "Hier wurde erst einmal drei Jahre lang überlegt, ob der Anschlag im OEZ überhaupt rassistisch war", sagt Lang. So lange hielten die bayerischen Ermittler daran fest, dass das Motiv des Täters Mobbing gewesen sei. Erst dieses Jahr eröffnete die Stadt einen Erinnerungsraum für die Angehörigen am Münchner Rathaus. Allerdings wollten die Angehörigen lieber einen Raum in Moosach in der Nähe des Tatortes haben, sagt Lang. Außerdem sei der Raum am Marienplatz lediglich für sechs Monate befristet. Ansonsten will sich Lang vor allem dafür einsetzen, dass Migranten auf dem Arbeitsmarkt weniger diskriminiert werden. Die Stadt sollte Bewerbungsverfahren deshalb anonymisieren, fordert Lang. Sie arbeitet als Sozialpädagogin beim Stadtjugendamt - und kenne sich deshalb mit Sozialpolitik besonders gut aus, sagt sie. Lang ist in Bulgarien geboren und kam für das Studium nach Deutschland. Sie tritt auf der Liberalen Liste an. Die FDP unterstützt sie.

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Bürokratie abbauen

"Wir lieben unser München”, sagt Carmen Romano (33). Sie zog vor zwölf Jahren von Italien nach München. Doch trotz dieser Liebe fallen ihr noch einige Punkte ein, die die Stadt für Migranten verbessern könnte. Zum Beispiel fordert sie, dass der Migrationsbeirat aufgewertet wird. Als Erstes müsste aus ihrer Sicht die Bürokratie weniger werden. Denn wahlberechtigt sind auch eingebürgerte Migranten und Menschen mit einer doppelten Staatsbürgerschaft. Aber sie müssen sich vor der Wahl erst in ein Wählerverzeichnis eintragen lassen. "Eine unnötige Hürde", sagt Romano. Außerdem sei mehr professionelles Personal in dem Beirat notwendig, denn momentan arbeite das Gremium ehrenamtlich. Wünschen würde sich Romano außerdem ein Kulturzentrum, wo Menschen mit Migrationshintergrund und migrantische Vereine zusammen kommen können - ohne etwas konsumieren zu müssen. Hier sollte aus ihrer Sicht auch der Migrationsbeirat einziehen. Denn in einem eigenen Kulturzentrum könnte der Beirat viel besser mit den Münchner Migranten den Kontakt aufnehmen. "Wir müssen vor allem das Potenzial, das schon da ist, besser nutzen", meint Romano. Allerdings wüssten viele gar nicht, welche Angebote es bereits für Migranten gibt. Die 33-Jährige kennt sich mit Politik aus: Sie arbeitet für die Grünen-nahe Petra-Kelly-Stiftung daran, Menschen mehr für Politik zu begeistern. Romano trifft auf der Liste "Grünnahes Vielfaltsbündnis" an.