Auch Journalist verurteilt

Schuldspruch nach Hausbesetzungs-Protest gegen IAA


Demonstranten stehen vor dem Amtsgericht und haben ein Banner mit der Aufschrift "No Future For Repression" aufgehangen.

Demonstranten stehen vor dem Amtsgericht und haben ein Banner mit der Aufschrift "No Future For Repression" aufgehangen.

Von Von Elke Richter, dpa

Am liebsten hätte der Richter das Verfahren wohl wegen Geringfügigkeit eingestellt. Doch am Ende standen Schuldsprüche. Und zwar nicht nur für vier Klimaschützer, die ein Haus besetzt hatten, sondern auch für einen Journalisten. Das führt zu Kritik.

Für ein Urteil fand der Richter überraschend persönliche Worte: "Ich verstehe Ihre Frustration und Wut", beteuerte Thomas Müller am Donnerstag im Amtsgericht München. Dennoch folgte er am Ende nicht den Anträgen der Verteidigung auf Freispruch, sondern sprach die fünf Angeklagten nach einer Hausbesetzung im Rahmen der Proteste gegen die Automesse IAA wegen Hausfriedensbruchs schuldig. Besonders pikant: Einer von ihnen ist Journalist der Tageszeitung "taz" und hatte aus dem von Klimaschutzaktivisten besetzten Gebäude berichtet. Deshalb ging es im Saal 101 auch viel um das Thema Pressefreiheit - und deren Grenzen.

Die Aktivisten waren im vergangenen September in ein leerstehendes Haus im Besitz des Freistaats eingedrungen. Der Journalist folgte ihnen nach eigenem Bekunden spontan und nach Abwägung der Rechtslage. Als draußen eine Demonstration vorbeizog, entrollte die Gruppe öffentlichkeitswirksam Banner, entzündete Rauchbomben, und eine Aktivistin seilte sich an der Fassade ab. Der Journalist berichtete in Wort, Bild und Video von der Aktion. Um zu der Gruppe zu gelangen, mussten die Polizisten nach eigener Aussage zahlreiche Türen aus dem Weg räumen. Die durchgängig kooperativen Angeklagten erwarteten die Beamten dann ohne jeden Widerstand und mit FFP2-Masken im Gesicht.

Richter zeigt Verständnis für die Aktion

Für die Aktion zeigte der Richter angesichts des voranschreitenden Klimawandels, der "Untätigkeit" der Verantwortlichen und der Rolle der Automobilindustrie Verständnis. "Deswegen tut man sich wirklich ein bisschen schwer, hier eine Sanktion zu finden, weil das Thema wirklich von Bedeutung ist." Müller ließ durchblicken, dass es sich um Bagatellkriminalität handele, von deren Verfolgung sowohl der Freistaat als Initiator des Strafantrages als auch die Staatsanwaltschaft wegen Geringfügigkeit hätten absehen können.

Dennoch: "Es ist ein nachvollziehbares Motiv, das aber natürlich nicht dazu berechtigt, Straftaten zu begehen." Der Richter entschied sich deshalb für eine sogenannte Verwarnung mit Strafvorbehalt, auch für den Journalisten. Das bedeutet, dass die festgelegte Geldstrafe von 30 Tagessätzen nur dann fällig wird, wenn die Angeklagten binnen eines Jahres eine weitere Straftat begehen. Lediglich einer der Angeklagten bekam aufgrund eines ähnlich gelagerten früheren Vergehens gleich eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen.

Kritik vor allem am Umgang mit dem Journalisten

Die Verteidigung hingegen hatte argumentiert, dass die Grundrechte auf Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und Pressefreiheit erheblich mehr wögen als das Vergehen, in ein völlig verwahrlostes Haus, das noch dazu dem Staat und nicht einer Privatperson gehöre, einzudringen. Im Falle des Journalisten komme noch hinzu, dass er in der Kürze der Zeit keine Erlaubnis zum Betreten des Gebäudes hätte einholen können, letzteres aber habe tun müssen, um angemessen von der Aktion zu berichten.

"Zwar hat der Richter umfassend ausgeführt, welch hohe gesellschaftliche Bedeutung die Pressefreiheit hat", bilanzierte die Geschäftsführerin der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten Union, Monique Hofmann. Dies sei aber nicht in das Urteil eingeflossen. "Wir haben den Eindruck, dass mit diesem Verfahren die Berichterstattung über Klimaproteste nachträglich sanktioniert und für die Zukunft mit einer Warnung versehen werden soll."

Auch die "taz" kritisierte das Urteil. "Es klingt, als wollte das Gericht hier milde wirken, aber wir bleiben dabei: Eine Hausbesetzung journalistisch zu begleiten, ist Journalismus und kein Hausfriedensbruch", betonte Chefredakteurin Ulrike Winkelmann. "Hier kann es nur einen Freispruch für unseren Kollegen geben." Die Parteien können binnen einer Woche Berufung oder Revision gegen das Urteil einlegen.