Kanzlerin in China
Merkel will mehr Marktzugang für deutsche Firmen in China
11. Juni 2020, 15:47 Uhr aktualisiert am 11. Juni 2020, 15:47 Uhr
Kanzlerin Merkel und Chinas Premier Li haben schon lange nicht mehr so intensiv gesprochen. Es gibt viel anzupacken: Der Streit um Hongkong, mehr Marktöffnung und ein Ausbau der Kooperation trotz Corona-Krise.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich für einen besseren Marktzugang und die Gleichbehandlung deutscher und anderer ausländischer Unternehmen in China eingesetzt. Bei einer Videokonferenz am Donnerstag mit Chinas Ministerpräsident Li Keqiang machte Merkel nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert deutlich, dass hier weitere Schritte nötig seien. Das angestrebte ambitionierte Investitionsabkommen, über das die EU und China verhandeln, sei dabei ein wichtiges Element.
Im Mittelpunkt der Gespräche standen die Bewältigung der Corona-Pandemie und der Ausbau der Wirtschaftskooperation. Auch der deutsch-chinesische Menschenrechtsdialog und die Lage in Hongkong seien zur Sprache gekommen, berichtete Seibert. Im Vorfeld hatten Menschenrechtspolitiker gefordert, dass Chinas umstrittene Pläne für ein Gesetz zum Schutz der nationalen Sicherheit in der chinesischen Sonderverwaltungsregion Hongkong verurteilt werden müssten.
Merkel habe Deutschlands Interesse an einem regelbasierten und freien multilateralem Handel, einer Stärkung der Welthandelsorganisation (WTO) sowie an einem stabilen bilateralen Austausch unterstrichen, teilte Seibert mit. Investitions- und Handelsfragen in verschiedenen Wirtschaftssektoren einschließlich des Bereichs der öffentlichen Aufträge sowie aktuelle Themen der Weltwirtschaft hätten eine Rolle gespielt. An den Gesprächen nahm auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) teil. Am Rande wurden drei Kooperationsabkommen zwischen deutschen und chinesischen Partnern unterzeichnet.
Wegen der Ungewissheiten für deutsche und europäische Unternehmen in China durch die schweren wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise gibt es große Erwartungen, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit wieder vorangebracht werden kann. Derzeit vergibt China allerdings aus Angst vor einer Einschleppung des Virus keine normalen Visa mehr. Zwei Sonderflüge der deutschen Wirtschaft haben mit Ausnahmegenehmigungen rund 360 Manager, Techniker, Experten und Angehörige ins Land bringen können. Doch die Wirtschaft leidet unter den Reisebeschränkungen.
Nachdem sich die EU zunächst enttäuscht über die Fortschrite in den Verhandlungen über das Investitionsabkommen geäußert hatte, gab es auch die Hoffnung, dass Merkels Gespräche mit Li Keqiang neue Impulse geben könnten. Die deutsche Industrie hofft auf einen Abschluss noch in diesem Jahr. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Dieter Kempf, sagte, an erster Stelle stünden deutliche Verbesserungen beim Marktzugang sowie faire Bedingungen für den Wettbewerb mit Chinas Staatsunternehmen.
Die FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg begrüßte, dass Merkel die "besorgniserregende Situation in Hongkong" angesprochen habe. Es sei an der Zeit, "den Druck auf Peking auch öffentlich weiter zu erhöhen". Die Taktik der diskreten Einflussnahme auf Peking sei gescheitert, sagte Teuteberg. "Offensichtlich schert sich Peking nicht um Abkommen und Versprechen." Gerade in der deutschen EU-Ratspräsidentschaft sei es geboten, die Verletzung von Menschenrechten und Völkerrecht klar zu benennen.
Die Unionsfraktion appellierte an China, den Sonderstatus Hongkongs voll zu respektieren. Der Obmann für Außenpolitik, Roderich Kiesewetter (CDU), sagte, "China hat im damaligen Übergabevertrag mit dem Vereinigten Königreich umfassende Sonderrechte für Hongkong bis zum Jahr 2049 zugesagt." Die chinesisch-britische Erklärung von 1984 und die festgeschriebene Autonomie Hongkongs gemäß dem Prinzip "Ein Land, zwei Systeme" seien nicht verhandelbar. Das chinesische Sicherheitsgesetz stelle jedoch einen Angriff auf dieses Prinzip dar.
Das Gesetz wäre aus Sicht von Kritikern der bisher weitestgehende Eingriff in Hongkongs Autonomie. Es wendet sich gegen Aktivitäten, die Peking als subversiv ansieht und auf eine Unabhängigkeit abzielen könnten. Die prodemokratische Opposition fürchtet, dass sie zum Ziel des Gesetzes wird. Seit der Rückgabe der früheren britischen Kronkolonie 1997 an China wird Hongkong autonom als eigenes Territorium verwaltet. Die sieben Millionen Hongkonger genießen - anders als die Menschen in der Volksrepublik - weitgehende Freiheiten und Rechte, um die sie jetzt aber zunehmend fürchten.