Geld und Finanzen

Börsen im Bann von Corona


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Inmitten der Corona-Pandemie geht die Jagd nach Rekorden an den Aktienbörsen immer weiter.

Wer in der Zukunft lesen will, muss in der Vergangenheit blättern! Dieses Zitat des französischen Schriftstellers und Politikers André Malraux gilt im besonderen Maße für die Börsen.

Crash aus heiterem Himmel

Zunächst wollen wir auf die vergangenen 14 Monate eingehen, in denen es an den Aktienmärkten infolge der Corona-Krise so turbulent zugegangen ist wie nie zuvor. Wir erinnern uns mit Grauen an den Crash zwischen Februar und Mitte März des vorigen Jahres. Wie aus heiterem Himmel krachten die Börsen weltweit zusammen, nachdem sie zuvor noch Rekordstände erreicht hatten.

Der Dax innerhalb eines Monats fast 40 Prozent, so viel wie noch nie in so kurzer Zeit. Eine Zeitlang hatten Politik und Anleger geglaubt, dass Corona eine chinesische Angelegenheit sei. Aber weit gefehlt, wie wir heute wissen.

Die Pandemie erfasste in kürzester Zeit die ganze Welt. Unterbrochene Lieferketten, geschlossene Grenzen, stillgelegte Branchen wie Tourismus und Luftfahrt, Einzelhandel und Gastronomie ließen die Konjunktur einbrechen.

Anleger verkauften in Rekordtempo

Da niemand wusste, wie schlimm es werden würde, verkauften Anleger im Rekordtempo Aktien. Das war eine natürliche Reaktion. Denn nichts hassen die Börsen mehr als die Unsicherheit. Weil niemand zuvor eine solche Pandemie erlebt hatte, fehlten Erfahrungswerte.

Zwei Gründe für radikale Kehrtwende nach oben

Aber dann drehten die Märkte so abrupt wie sie gefallen waren. In den folgenden 50 Tagen stiegen die Kurse so stark wie nie zuvor: beim Dax um 50 Prozent, beim S&P 500 um 40 Prozent. Warum dieser kurzfristige, aber nachhaltige Sinneswandel? Dafür sind diese zwei Entwicklungen verantwortlich, die seither und noch lange Zeit das Börsengeschehen maßgebend bestimmen.

Erstens die extrem lockere Geldpolitik der Notenbanken und zweitens die Billionen schweren Hilfsprogramme der Regierungen. Also beide, die Notenbanken und die Regierungen, arbeiten Hand in Hand, um diese Krise zu überstehen. Die Notenbanken und die Regierungen haben ab Februar/März 2020 weltweit und ohne zu zögern, den Kampf gegen die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie aufgenommen und alles in die Schlacht geworfen, was zur Verfügung stand. Sie wussten, dass sie das menschenmögliche unternehmen mussten, um der Wirtschaft und mit ihr die Börsen so schnell wie möglich zu stabilisieren, um ihnen damit wieder auf die Beine zu bringen.

Gegenmaßnahmen sprengen alle bisher bekannten Dimensionen

Die Notenbanken und die Finanzwissenschaft haben viele neue Instrumente zur Krisenbekämpfung erfunden. Sie verleihen den Notenbanken eine gottähnliche Macht, Geld aus dem Nichts zu schaffen. Und das taten sie unvorstellbarem Ausmaß und sprengten damit alle bis dahin bekannte Dimensionen.

Die Regierungen in aller Welt steuerten ebenfalls gewaltige Summen an Corona-Hilfen bei, um die direkten Auswirkungen von Lockdowns und Grenzschließungen auf die Wirtschaft zu minimieren.

Aktienmärkte haben die Zukunft im Blick

Die Weltwirtschaft brach noch bis über die Jahresmitte hinaus so stark ein wie seit den 1930er-Jahren nicht mehr. Und die Unternehmensgewinne, die langfristig der wichtigste fundamentale Treibstoff der Börsen sind, stürzten in einigen Branchen ab wie nie zuvor. Zahlreiche Unternehmen mussten mit Staatsgeld gerettet werden. Aber die Börsen ließen sich dadurch nicht beirren und stürmten weiter nach oben. Warum das? Die Anleger an den Aktienmärkten beurteilen die Chancen und Risiken nie anhand der aktuellen Situation, sondern sie blicken immer sechs bis neun Monate voraus.

Und da setzte sich schnell die Erwartung durch, dass die Liquiditätsfülle in Verbindung mit den Corona-Hilfsprogrammen spätestens im Herbst/Winter 2020 die Konjunkturwende bringen würde. Was auch der Fall war.

Kurse ziehen enorm an

Die zweite Stufe der Hausse hat dann im Herbst 2020 gegründet, als klar wurde, dass in Kürze die Massenimpfungen beginnen würden und damit im Verlaufe von 2021 Corona viel von ihrem Schrecken verlieren würde. Die Kurse zogen daraufhin nochmals stark an, der Dax allein kletterte von Ende Oktober bis Anfang April um gut 30 Prozent auf neue Allzeithochs und der Dow Jones um 25 Prozent.

Vom März-Tief im Jahr 2020 ist der Dax bis Mitte März 2021 um über 75 Prozent geklettert, der Dow Jones um 80 Prozent. Die Crash-Propheten, die vor einem Jahr den Weltuntergang vorhersagten, wurden wieder einmal gründlich widerlegt.

Chinas Erholung gut für deutsche Unternehmen Impfhoffnungen und der weiter ausgebaute Geldsegen der Notenbanken und der Regierungen haben die Erwartung gestärkt, dass ein neuer weltwirtschaftlicher Aufschwung bevorsteht.

Und noch etwas war dafür eminent wichtig: Chinas Wirtschaft ist nach Überwindung der Pandemie so schnell gewachsen wie lange nicht mehr. Für 2021 rechnet der Internationale Währungsfonds (IWF) mit einem Wachstum von 8,9 Prozent. Da viele deutsche Firmen dort produzieren und verkaufen, hat das den konjunkturabhängigen Aktien einen Kursschub verliehen, der immer noch anhält.

Weltkonjunktur nimmt Fahrt auf und Konsumenten haben Nachholbedarf

Und damit kommen wir zur Prognose: Es ist davon auszugehen, dass die Weltkonjunktur 2021 weiter Fahrt aufnehmen wird – und zwar deutlich. Der wichtigste Konjunkturmotor bleibt die expansive Geldpolitik. Die EZB und die FED haben immer wieder klar gemacht, dass ihre Maßnahmen frühestens 2022 enden werden, eher später. Das bedeutet weiterhin Null- oder Negativzinsen für Kurzfristanlagen und eine ungebremste Ausweitung der Liquidität. Geld ist also in Hülle und Fülle vorhanden und das wird die Konjunktur weiter stark antreiben, sobald die Corona-Probleme geringer werden.

Dann wirkt der Nachholeffekt. Auch neue staatliche Hilfsprogramme heizen die Konjunktur an. Neben China werden die USA zur Lokomotive der Weltwirtschaft. US-Präsident Joe Biden hat ein Programm in Höhe von 1,9 Billionen Dollar auf den Weg gebracht. Vor allem im Konsum wird nach Ende der Pandemie ein Kauffeuerwerk erwartet. Dir Prognosen gehen nicht nur deswegen davon aus, dass das US-Wachstum 2021 von drei bis vier Prozent auf 6,7 bis sieben Prozent beschleunigt wird. Wenn die beiden größten Volkswirtschaft in diesem Tempo wachsen werden, zieht es den Rest der Welt mit nach oben.

Optimismus in deutscher Wirtschaft

Die Konjunktur in Europa und Deutschland wird davon profitieren, weil die Exporte in die USA und nach China sowie die dortigen Produktionsstandorte und deren Produkte von Hilfspaketen begünstigt werden (Konsum- und Investitionsgüter).

Insbesondere unsere Schlüsselbranche Autoindustrie dürfte einen Zusatzschub bekommen und viele Zulieferer mit sich ziehen.

Der Optimismus in der deutschen Industrie war übrigens noch nie so groß wie zurzeit, wie beispielsweise der Einkaufsmanagerindex für April zeigt. Dieser gilt als bestes Konjunkturbarometer mit einem Vorlauf von etwa einem halben Jahr. Der ifo-Index für Exporterwartungen hat das höchste Niveau seit zehn Jahren erklommen.

Hinzu kommt hierzulande ein riesengroßes Ersparnis der Haushalte. Das ifo-Institut schätzte die Konsumlücke, also die Summe der aufgeschobenen Käufe, allein bis Ende 2020 auf mehr als 100 Milliarden Euro, die früher oder später ausgegeben werden. Das bedeutet, dass die während der Corona-Rezession so stark geprügelten Unternehmen der Old Economy den größten Ertragsschub seit vielen Jahren erleben werden.

Unterbewertete Unternehmen haben Potenzial

Die Börsen haben wegen dieser Aussichten seit dem Herbst die Favoriten gewechselt. Es sind nicht mehr die Tech-Werte, die am meisten zulegen, sondern die Aktien der traditionellen Industriebranchen, die auch Value-Aktien mit niedriger Bewertung genannt werden im Gegensatz zu den Growth-Aktien der neuen Technologien. Das hat sich seit dem Oktober 2020 geändert.

Das liegt zum Teil auch noch daran, dass viele Industrieunternehmen ihre Kosten deutlich gesenkt haben. Im Konjunkturaufschwung wird sich dies zusätzlich gewinnsteigernd auswirken.

Die Value-Aktien haben auch Potenzial, weil ihre Bewertung moderat ist, während viele Wachstumsaktien extrem teuer geworden sind, insbesondere die amerikanischen.

Ähnliches gilt für Aktien kleiner Unternehmen, die Small- und Mid-Caps. Sie und Value-Aktien sind in aller Regel Gewinner eines breiten Konjunkturaufschwungs. Sie sollten daher im Portfolio übergewichtet werden. Übrigens: Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Value- sowie Small- und Mid-Caps (kleine Nebenwerte) langfristig eine bessere Performance als der Marktdurchschnitt erzielen.

Risiken begleiten die nächsten Monate

Wie steht es um die Risiken? Ein großes Risiko besteht in der Bewertung und vor allem in der Überhitzungs- und Inflationsgefahr in den USA. Dieses Risiko wird die Anleger wohl das ganze Jahr über begleiten und immer wieder für Rückschläge an den Börsen sorgen.

Das zweite Risiko liegt darin, dass sich die Corona-Pandemie trotz der Impffortschritte nicht so schnell abschwächt wie erwartet. Das würde den Konjunkturaufschwung und die Unternehmensgewinne belasten. Hinzu kommen Hedgefonds, also hochspekulative Großanleger, die auch wegen des Kredithebels Banken mit in die Tiefe ziehen können.

Aussichten für die kommenden neun Monate

Die Aktienmärkte werden weiter nach oben gehen, aber begleitet von immer wieder kräftigen Rückschlägen. Dabei sind nicht mehr die amerikanischen Aktien die großen Favoriten, sondern die Märkte, die in den letzten Jahren schlechter abgeschnitten haben, insbesondere Europa. Darüber hinaus haben die Schwellenländer gute Chancen, sie sind immer Gewinner einer besseren Weltkonjunktur, auch weil sie rohstoffreich sind und damit von den stark steigenden Preisen für Öl, Kupfer und so weiter profitieren.

Von der Anlagestrategie scheint eine Renaissance der Value-Aktien sowie Small- und Mid-Caps (Nebenwerte) gekommen. Sie haben trotz der jüngsten Kursgewinne immer noch erhebliches Aufholpotenzial.