NawaRo Straubing

Julia Schaefer: Duell gegen Vergangenheit und Zukunft


Julia Schaefer fühlt sich bereits sehr wohl in Straubing.

Julia Schaefer fühlt sich bereits sehr wohl in Straubing.

Julia Schaefer ist von amtierenden Meister Stuttgart an NawaRo Straubing verliehen. Hier soll sie nach einer Verletzung wieder zu alter Stärke finden - und trifft am Mittwoch auf ihren Stammverein.

Julia Schaefer musste in gewisser Weise zu ihrem Glück gezwungen werden. Obwohl ihr Vater Dirk Schaefer ein erfolgreicher Volleyballspieler war, Deutscher Meister wurde und für die Nationalmannschaft spielte, hatte Julia als Kind zunächst nichts mit diesem Sport am Hut. Sie spielte Tennis und Hockey. Volleyball? Ja, das spielte sie mal im Urlaub in den Niederlanden am Strand. Aber im Verein? "Auf diese Idee wäre ich selbst wohl nicht gekommen", sagt Schaefer heute. Eines Tages stand ihr Vater aber in ihrem Zimmer, gab ihr Knieschoner und sagte: "Du hast Hallenschuhe, hier sind Knieschoner, um 16 Uhr ist Training, da gehst du jetzt hin." Gesagt, getan. Zum Glück. "Ich war sofort Feuer und Flamme für den Sport", blickt Schaefer auf ihren Start im Volleyball zurück. Heute spielt die 23-Jährige in der 1. Volleyball-Bundesliga und ist derzeit vom amtierenden Deutschen Meister Allianz MTV Stuttgart an NawaRo Straubing ausgeliehen.

Julia Schaefer ließ sich auch von ihrer Verletzung nicht vom Feiern des Meistertitels abbringen. (Foto: imago)

Julia Schaefer ließ sich auch von ihrer Verletzung nicht vom Feiern des Meistertitels abbringen. (Foto: imago)

Dass Schaefer derzeit für NawaRo Straubing auf dem Feld steht, liegt vor allem am vierten Spiel der Finalserie der vergangenen Bundesliga-Saison zwischen Stuttgart und Schwerin. Bei einer "unglücklichen Abwehraktion" zog sich Schaefer einen Wadenbeinbruch zu, nur zwölf Stunden später lag sie bereits auf dem OP-Tisch. Um ihr die Möglichkeit zu bieten, sich wieder auf ihr altes Niveau zu bringen, hatte Stuttgart die Idee einer Leihe. "Sie wollen, dass ich Schritt für Schritt zurückkomme, ohne dass ich mir selbst einen Riesendruck mache", sagt Schaefer. Hierfür ist ein kleiner Verein wie Straubing wohl die bessere Umgebung als Spitzenclub Stuttgart. Ohne die Verletzung hätte NawaRo Straubing keine Chance gehabt, eine Spielerin wie Julia Schaefer zu verpflichten, die vergangene Saison eine gute Rolle beim Meister gespielt hat.

Frank: Leihgeschäft eine "Win-win-Situation"

Für NawaRos Trainer Benedikt Frank ist das Leihgeschäft eine "Win-win-Situation". Für Schaefer biete das Straubinger Umfeld die Möglichkeit, sich ruhig zu entwickeln. Und für NawaRo ist es gleich in dreifacher Hinsicht ein Gewinn. "Julia ist sportlich eine Verstärkung für uns, selbst wenn sie nur bei 80 Prozent ist. Sie hat bereits Erfahrungen gesammelt und bringt dadurch eine andere Blickweise in unser Training rein. Zudem können wir unsere sportliche Arbeit zeigen, wenn wir sie wieder auf ein höheres Level bringen", sagt Frank.

Von Top-Team Stuttgart zu Underdog Straubing - größer könnte der Unterschied in der Liga kaum sein. "Klar, Stuttgart ist schon ein gestandener Erstliga-Verein, alle Abläufe sind eingespielt, in der Geschäftsstelle arbeiten mehr Leute, man hat einfach mehr Ressourcen und mehr Geld zur Verfügung", sagt Schaefer. Für die Außenangreiferin hat aber auch Straubing seine Vorteile: "Es ist schön, Teil von etwas zu sein, das gerade wächst, wenn man aktiv einen Teil dazu beitragen kann." Zudem gefällt ihr die familiäre Atmosphäre im Verein. "Man wird nicht nur als Spielerin, sondern auch als Mensch gesehen."

Für Schaefer ist es ohnehin wichtig, über den Sport hinaus zu denken. "Ich habe mit mehreren Verletzungen schon gesehen, wie schnell es auch vorbei sein kann." Entsprechend müsse man da im Team auch Rücksicht darauf nehmen, wenn eine Spielerin mal eine Univeranstaltung mehr hat oder im Training einmal ein wenig unkonzentrierter agiert. "Das kann man in Kauf nehmen, solange es nicht im Spiel passiert", findet Schaefer. "Wir sind keine Fußballer, die Millionen mit dem Sport verdienen, wir müssen auch an das Leben nach dem Sport denken." Sie selbst studiert neben dem Volleyball Psychologie.

Fürsorgliche Psychologie-Studentin

Das hilft ihr vielleicht auch auf dem Feld. "Sie ist vom Kopf her sehr weit", schätzt Frank ein. "Sie ist eine Spielerin, die viel fordert und fördert, die viel die Kommunikation sucht", sagt er. Neben dem Feld sei Schaefer dagegen "fast wie eine Mama fürs Team, eine der fürsorglichsten Personen, die ich kenne." Schaefer liebt es beispielsweise zu kochen und zu backen, gerne auch fürs ganze Team. Vor dem ersten Heimspiel hat sie dem Aufbauteam in der Halle Brownies vorbeigebracht.

Sportlich geht es für Schaefer erst einmal darum, wieder voll belastbar zu sein, ein Fünf-Satz-Spiel durchstehen zu können. "Sie ist im athletischen Bereich hervorragend, das Schmerzempfinden bei großer Belastung ist aber noch sehr hoch", erklärt Trainer Frank. "Aktuell müssen wir bei der Belastung schon immer wieder aufpassen." Wenn sie wieder topfit ist, soll Schaefer in die Rolle einer Führungsspielerin hineinwachsen. "Es muss unser Ziel sein, dass sie sich in diese Richtung entwickelt und vorangeht", sagt Frank. Und auch Schaefer findet: "Ich zähle mich selbst zu den erfahreneren Spielerinnen im Team und werde versuchen, in diese Führungsrolle reinzukommen."

Julia Schaefer präferiert dann doch eher die Angriffsposition als die Libera-Position, die sie zuletzt in Potsdam aushilfsweise eingenommen hatte. (Foto: fotostyle-schindler.de)

Julia Schaefer präferiert dann doch eher die Angriffsposition als die Libera-Position, die sie zuletzt in Potsdam aushilfsweise eingenommen hatte. (Foto: fotostyle-schindler.de)

Mit dem Saisonstart können Schaefer und ihr Team unter dem Strich zufrieden sein. Nach dem 3:0-Auftaktsieg gegen Wiesbaden folgte in Potsdam jedoch ein schwacher Auftritt. "Es war super, dass wir zum Saisonauftakt gleich drei Punkte geholt haben. Für das Spiel in Potsdam habe ich persönlich aber keine Erklärung. Natürlich fehlen uns Spielerinnen und wir sind geschwächt angetreten. Aber das ist keine Entschuldigung, man kann sich trotzdem besser verkaufen", sagt sie. Aufgrund der Verletzung von Sophie Dreblow musste sie in der Partie als Libera aushelfen. "Es war eine neue Erfahrung für mich. Aber das habe ich jetzt einmal gemacht, war ganz nett, ich bleibe aber doch lieber beim Angriff", sagt sie schmunzelnd.

Besonderes Spiel gegen den Stammverein

Am Mittwoch steht für sie nun ein ganz besonderes Spiel an. Es geht gegen ihren eigentlichen Verein Stuttgart. Dort besitzt sie Vertrag, Straubing hat dem Meister das Spielrecht für Schaefer quasi abgekauft. Mit Gnade müssen die Stuttgarter dabei nicht rechnen. "Ich spiele jetzt für Straubing und werde Vollgas für NawaRo geben", kündigt sie an. Wichtig sei, dass man schon im Aufschlag Druck erzeuge, "damit Stuttgart sein schnelles Spiel nicht aufziehen kann und vielleicht die Mitte wenig nutzen kann. Und Krystal Rivers müssen wir in den Griff bekommen." Diagonalangreiferin Rivers war in den bisherigen beiden Saisonspielen Stuttgarts mit 29 beziehungsweise 22 Punkten jeweils mit Abstand beste Scorerin bei den Schwaben.

Und dann könnte auch die Halle zum Faktor für Straubing werden. Dass ein Heimvorteil durchaus entscheidend sein kann, weiß Schaefer aus der zurückliegenden Finalserie. Stuttgart sicherte sich den Titel, indem man von den fünf Spielen alle drei Heimpartien gewinnen konnte. "Wer weiß, wie es ausgegangen wäre, wenn wir dreimal in Schwerin gespielt hätten?", stellt sie in den Raum.

Vom Straubinger Publikum war sie nach dem ersten Heimspiel sehr angetan. "Es war toll, wie früh die Halle schon voll war und in den Crunchtime-Phasen, in denen wir die Unterstützung gebraucht haben, war es richtig laut", sagt sie. Dass es sich um eine kleine Halle handelt, hat für Schaefer auch einen besonderen Charme: "Dadurch ist einfach alles enger beisammen." Sie werde von Fans oft gefragt, ob die Unterstützung auf dem Feld überhaupt ankomme, erzählt sie. "Ja, das tut sie definitiv. Man merkt das, man spürt die Energie. Und am Ende ist es einfach toll, wenn du im Endeffekt einfach nur einen Ball auf den Boden haust und tausend Leute rasten aus", sagt sie. Das will sie auch im Duell mit ihrem Stammverein Stuttgart am Mittwochabend (19.30 Uhr) möglichst oft erleben.