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Michael Wolf im AZ-Interview: "Der EHC ist jetzt in den Bremerhavener Köpfen"
21. März 2023, 17:55 Uhr aktualisiert am 21. März 2023, 17:55 Uhr
AZ-Interview mit Michael Wolf. Der 42 Jahre alte ehemalige Kapitän der deutschen Nationalmannschaft spielte von 2014 bis 2019 beim EHC Red Bull München, gewann in der Zeit drei Mal die Meisterschaft. Er ist nach Patrick Reimer (380) der zweitbeste Torschütze (337) der DEL-Geschichte. Mit 104 Treffern hält er den Vereinsrekord beim EHC.
AZ: Herr Wolf, der EHC Red Bull München, den Sie 2016, 2017 und 2018 als Kapitän zur Meisterschaft geführt haben, hat im dritten Viertelfinalspiel gegen die Pinguins Bremerhaven gewaltig zurückgeschlagen. Nach zwei Pleiten zum Auftakt der Serie setzte es im dritten Durchgang einen 7:1-Statementsieg. Wie haben Sie die Partie als Eishockeyrentner gesehen?
MICHAEL WOLF: Mit Freude (lacht). Es war ein tolles Spiel und eine Botschaft. An den Gegner, der jetzt weiß, dass die Red Bulls in der Serie angekommen sind. Aber auch an sich selbst. Es war ja nicht so, dass der EHC in den ersten beiden Partien schlecht gespielt hat, aber deren Torwart Maximilian Franzreb war heiß, und München hat den Puck einfach nicht reingekriegt. So etwas frustriert. Im dritten Spiel ist München richtig gut gestartet, hat endlich das erste Tor gemacht und dann eben das Spiel gezeigt, was die Mannschaft die ganze Saison so ausgezeichnet hat. Klar, auf dem Papier hat sich nicht so viel getan: Statt 0:2 steht da jetzt 1:2 in der Serie. Ja, es war eigentlich nur ein Sieg, aber ein ganz wichtiger - und damit eben doch wieder mehr. Man ist nun in den Köpfen der Bremerhavener drin.
Es war sehr hitzig, viele Schlägereien und Scharmützel.
Das gehört zum Playoff-Eishockey dazu. Da wird es härter, ruppiger. Jeder weiß, dass es um alles geht. Da ist es normal, dass es mehr Feuer gibt. Und natürlich, wenn man in einer Partie 0:4, 0:5 hinten liegt, ist da viel Frust in einem. Der wird dann mal rausgelassen. Auch da muss man dagegenhalten und sich nicht rumschubsen lassen.
Man hat gleich gemerkt, dass EHC-Gifthaferl Chris DeSousa nach Verletzungspause sein Comeback gegeben hat.
Chris ist ein wichtiger Spieler, der andauernd seinen Körper voll einsetzt, nicht zurücksteckt. Und er ist einer, der dir unter die Haut gehen kann. Aber all die Aktionen waren im Rahmen, so sind Playoffs eben.
Eine tolle Partie hat der 22-jährige Münchner Filip Varejcka gespielt, der zwei Tore erzielte, zwei weitere vorbereitete.
Er hat mir schon unter der Saison sehr gut gefallen, weil er ein harter Arbeiter ist, der immer alles gibt, er bringt immer seine Leistung. Er wird natürlich nicht immer vier Punkte machen, aber es ist wichtig, dass ein Verein viele Spieler hat, die eine Partie entscheiden können.
Das 2:0 für München erzielte Torjäger Trevor Parkes, der mit seinem 104. Treffer für den EHC Ihren Klubrekord egalisierte.
Das habe ich dann auch mitgekriegt. Ich bin kein Mann, der sich groß um Zahlen, Statistiken, Rekorde kümmert. Bestmarken sind dafür da, dass sie gebrochen werden. Auf jeden Fall gönne ich es ihm, Trevor ist ein Super-Typ, wir haben ja noch zusammengespielt, er gibt immer alles, opfert sich für die Mannschaft auf, geht dorthin, wo es wehtut. Ich hoffe, dass er am Mittwoch im vierten Spiel am besten gleich die Tore 105, 106 und 107 folgen lässt.
Haben Sie ihm schon zum eingestellten Rekord gratuliert?
Nein, das war jetzt nur der Türöffner, noch nicht der Rekord, Gratulationen gibt es, wenn er den Meisterpokal holt (lacht).
Glauben Sie, dass der EHC sich gegen Bremerhaven durchsetzt und ins Halbfinale einzieht?
Ja, sie waren für mich vor der Serie der Favorit und ich glaube, dass sie es am Ende schaffen werden. So gut und stark Bremerhaven ist, ich denke, dass München erfolgreich sein wird.
Sie haben gerade wieder die Schlittschuhe angezogen und sind für das Benefizspiel zugunsten vom Mike Glemser aufs Eis gegangen. Der Spieler der Starbulls Rosenheim hat sich in einer Partie so schwer verletzt, dass er gelähmt ist.
Eine Katastrophe, eine Tragödie. Ich habe mir die Szene, bei der es passiert ist, bewusst nicht angeschaut. Das ist schwer zu verkraften. Leider kommt so etwas im Sport immer mal wieder vor, zum Glück sehr selten. Wobei einem entfernten Bekannten von mir fast das gleiche vor einiger Zeit widerfahren ist, er sitzt seitdem im Rollstuhl. Ich kenne Glemser nicht persönlich, aber als die Anfrage kam, ob ich am Benefizspiel teilnehmen würde, habe ich nicht eine Sekunde gezögert. Die Eishockey-Gemeinschaft ist vielleicht klein, aber sie ist sehr eng, hält zusammen.
Sie haben 2019 die illustre Karriere beendet: Haben Sie den Schritt je bereut?
Nicht wirklich. Wenn man so ein Spiel sieht, lässt einen das natürlich nicht kalt, aber ich weiß, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe, dass ich gegangen bin, bevor alle sich denken: Wann hört er endlich auf? Kapiert er es nicht selber? Ich bin zufrieden und glücklich.
Man hört, die Eishockey-Tradition im Hause Wolf geht weiter.
So, hört man das? (lacht) Ich habe zwei Töchter, die Kleine, sie ist sieben, hat jetzt mit Eishockey angefangen. Sie kam von allein auf uns zu, ich habe sie sicher nicht gedrängt. Jetzt schauen wir einfach, wie es ihr gefällt, wie viel Spaß sie hat.
Hat sich die Tochter doch zu viel in Ihrem Keller, in dem ja nicht gerade wenige Eishockey-Devotionalien sind, aufgehalten. . .
Ich will nicht ausschließen, dass ihr Entschluss doch auch irgendwas mit meiner Person zu tun hat. (lacht)