Überblick

Kingsley Coman ist Bayerns Anti-Ribéry

Der Franzose ist der Mister Europacup des FC Bayern, speziell in den großen Spielen sorgt der Stürmer-Star immer wieder für magische Nächte. Doch er schaut nicht nur auf sich selbst, sondern ist sehr integrativ.


Zwei Bayern-Franzosen: Coman (l.) und Ribéry

Zwei Bayern-Franzosen: Coman (l.) und Ribéry

Von Patrick Strasser

Wenn man im Zusammenhang mit dem FC Bayern "Mister Europacup" googelt, stößt man auf die Namen von Franz "Bulle" Roth, der in den 60ern und 70ern siegbringende Finaltore erzielte und auf Dieter Hoeneß, das Kopfballungeheuer der 80er Jahre, der jedoch nie einen Europacup gewann.

Heute trägt den Beinamen "Mister Europacup" bei den Münchnern ein Franzose. Die Rede ist von Kingsley Coman.

Pro Champions-League-Partie kommt der 26-Jährige auf eine Torbeteiligung von starken 0,65 - in der Bundesliga nur 0,42. Der "King" liebt die magischen Europapokal-Nächte unter Flutlicht und trifft besonders gerne gegen seinen Ex-Verein.

2020 köpfte er seine Bayern in Lissabon zum letzten Triumph in der Königsklasse, machte beim 1:0 gegen Paris St.-Germain das goldene Tor. Vor drei Wochen war Coman erneut der Mann des Abends, sein Volleyschuss im "Parc des Princes" bedeutete das 1:0 im Achtelfinal-Hinspiel.

Weil er in seiner Geburtsstadt gegen seinen Jugendklub traf, den er im Alter von 18 Jahren dann gen Juventus Turin verlassen hatte, verzichtete er aus Respekt auf jeglichen Jubel, machte gar eine entschuldigende Geste.

Und am Mittwoch, beim Rückspiel in der Allianz Arena (21 Uhr, DAZN)? Doch raus mit der Freude? "Wenn ich noch mehr Tore schießen kann, werde ich das tun. Aber wir alle wissen, wie sehr ich PSG liebe", sagte der Flügelstürmer bei "Canal+". Wohlerzogen, der Junge aus Paris, aufgewachsen in den berüchtigten Vororten der Hauptstadt, den "Banlieues", "wo das Leben nicht immer einfach ist", wie er selbst sagt.

Das Kicken erlernte der kleine Kingsley im Alter von sechs Jahren beim Amateurverein US Sénart-Moissy. "Mein Vater hat mich immer nach seiner Arbeit zum Training gefahren. Das waren rund 70 Kilometer einmal um die Stadt herum - wer den Verkehr in Paris kennt, der weiß, wie ewig das dauert", erinnert sich Coman, der bereits zwei Jahre später von einem PSG-Scout entdeckt und in die Jugendakademie geholt wurde.

Sein Profidebüt in Frankreichs "Ligue 1" feierte Coman im Februar 2013 als 16-Jähriger. Am Ende der Saison wurde er erstmals Meister - und diese Serie hält bis heute.

Mit Juve (2014 wechselte er nach Italien) sowie ab 2015 mit den Bayern holte er in jeder Saison den nationalen Titel. Elf Mal schon - eine irre Serie. Coman, der Meistergarant. Coman, der Sieggarant. Von den 50 Spielen, in denen er eines seiner 55 Tore für die Bayern erzielte, verlor der Verein kein einziges Mal.

Franzosen haben eine große Tradition beim FC Bayern, angefangen 1994 mit Jean-Pierre Papin, dem Pionier. Neben Willy Sagnol war Franck Ribéry einer der Publikumslieblinge und prägte von 2007 bis 2019 in München eine Ära. Ein Filou - auf und neben dem Platz. Bekannt für: Geniestreiche auf dem Rasen, Lausbuben-Streiche abseits und Ausraster, die zu Platzverweisen führten. Coman dagegen ist eher introvertiert, zurückhaltender - dennoch "ein bisschen wichtig" wie er auf Deutsch sagte, weil er neben dem aktuell verletzten Kapitän Manuel Neuer, Thomas Müller, Joshua Kimmich und Leon Goretzka dem Mannschaftsrat angehört.

Dazu gilt Coman als Sprecher der Franzosen-Fraktion mit derzeit sieben französischsprachigen Spielern im Kader. Ein Kümmerer, der etwa dem 17-jährigen Mathys Tel bei der Integration hilft. Kurz: der Anti-Ribéry.

Coman ist längst aus Ribérys großen Schatten getreten und schreibt nun seine eigene Erfolgsgeschichte. Schlägt er diesen Mittwoch das nächste Kapitel auf?