Der Herbstblues ist vorbei
Warum es beim TSV 1860 unter Michael Köllner wieder läuft
4. Dezember 2019, 6:39 Uhr aktualisiert am 18. Dezember 2019, 10:54 Uhr
Michael Köllner hat die Löwen aus der Depression nach dem Bierofka-Abschied geführt. "Wie er seine Aufgabe meistert, ist sensationell", lobt Günther Gorenzel. Die AZ zeigt, was den TSV 1860 derzeit stark macht.
München - Was hatten manche Fans an Schwarzmalerei betrieben. Ohne Daniel Bierofka steigt Sechzig ab. Der Verein geht den Bach hinunter. Ohne Biero geht gar nix. Drei Spiele später heißt es: Köllner kann's!
Nach dem 4:2-Sieg in Bierofkas letztem Spiel gegen Viktoria Köln und dem 1:0-Auswärtssieg beim Halleschen FC unter Co-Trainer und Interims-Chef Oliver Beer hat der TSV 1860 seine ersten beiden Spiele unter Neu-Trainer Michael Köllner absolviert. "Aus den letzten vier Spielen haben wir zehn Punkte geholt. Wir sind froh, dass wir eine kleine Serie haben", erklärte Sechzigs Mann der Stunde, Torjäger Sascha Mölders, über die zwei Siege sowie das 1:1 gegen den FC Bayern II und den 3:2-Triumph über die SpVgg Unterhaching.
Doch was lässt sich aus den beiden letzten Partien unter dem einstigen Nürnberger Aufstiegstrainer feststellen und schon auf den neuen Löwen-Dompteur zurückführen? Die AZ macht den Check der Köllner-Löwen.
Die Einstellung beim TSV 1860 passt
Bierofka hat, wie Köllner erkannte, eine intakte Mannschaft hinterlassen. "Es hat sich das bestätigt, was ich im Vorfeld von der Mannschaft wahrgenommen habe: Sie hat Mentalität und Charakter", erklärte Köllner nach seinem Amtsantritt. Für den aktuellen Zustand der Sechzger zeichnen hauptsächlich zwei Leute verantwortlich: Es ist das Erbe Bierofkas, der seine Kicker zu leidenschaftlichen Löwen-Kämpfern formte. Es ist aber auch der Verdienst Köllners, die Spieler aus der Depression nach dem fragwürdigen Abgang des Urlöwen geführt zu haben. Die Köllner-Löwen haben in zwei Spielen zwei Mal einen Rückstand umgebogen.
Fazit: Sein Rudel harmoniert.
TSV 1860: Die Leistungsträger funktionieren
Haching-Matchwinner Sascha Mölders, Serien-Scorer Stefan Lex, aber auch Torhüter Marco Hiller, Neulöwe Tim Rieder und einige weitere Akteure - sie alle liefern derzeit konstant stabile Spiele ab. Auch Innenverteidiger-Neuzugang Dennis Erdmann agiert sichtlich verbessert, so dass man von der Vielzahl der Akteure behaupten kann: Die Leistung stimmt. Sport-Geschäftsführer Günther Gorenzel lobt Köllner dafür: "Wie er seine Aufgabe meistert, ist sensationell. Sein größter Verdienst ist, wie er die Stärken der Spieler auf den Platz bringt."
Die Taktik von Michael Köllner geht auf
Der 49-Jährige hielt nicht etwa am 3-5-2-System oder Bierofkas Ein-Stoßstürmer-Taktik fest, obwohl 1860 schon zuvor grundsätzlich ordentlich performt hatte. Köllner stellte um auf 4-4-2, vertraut einer Mittelfeld-Raute. Während Köllner-Gewinner Kristian Böhnlein gegen die Bayern noch nicht so richtig in die Gänge kam in der Zentrale, konnte Lex zuletzt auf der Zehn überzeugen. Seine Schnelligkeit und Spielstärke sowie die Wucht von Prince Owusu neben Mölders machen 1860 trotz Owusus ausgeprägter Ballverliebtheit unberechenbarer.
Michael Köllners Optimismus färbt ab
Ein Bierofka im Vollbesitz seiner Kräfte hat zweifellos funktioniert an der Grünwalder Straße. Seine Leidenschaft, Überzeugung und Verbissenheit haben die Sechzger zurück in den Profifußball geführt. Als Bierofka aus unterschiedlichen Gründen im Winter 2018 (Doppelbelastung Abstiegskampf und Trainerlehrgang) und 2019 (Machtkämpfe und Mobbing) gestresst und genervt agierte, blieb auch die Mannschaft von der angespannten Stimmung nicht verschont. Der schier grenzenlose Optimismus von Köllner, seine Lockerheit und Offenheit sind derzeit Balsam auf die durch Giesinger Grabenkämpfe geschundene Löwen-Seele.
Fragt sich nur, wie lange die Köllner-Erfolgswelle hält, denn: Während der ein oder andere sportliche Rückschlag wohl unvermeidlich sein wird, sprechen klamme Sechzger derzeit über Perspektiven: Die geplante Etatsenkung für kommende Saison (auf rund 2,4 Millionen Euro), über 20 auslaufende Verträge sowie die Scharmützel und teils völlig entgegengesetzte Interessen zwischen Kluboberen und Investor Hasan Ismaik dürften nicht einmal dem mehr als ordentlich gestarteten Löwen-Dompteur gefallen.
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