AZ-Serie zu den Kultlöwen

TSV 1860: Meisterkapitän Peter Grosser - Der Weltenwanderer


Der Kapitän der Meisterlöwen von 1966: Peter Grosser.

Der Kapitän der Meisterlöwen von 1966: Peter Grosser.

Von Michael Schleicher / Online

Die AZ-Serie zu den Kultlöwen geht weiter. Heute mit Peter Grosser, der sowohl beim FC Bayern als auch beim TSV 1860 spielte und in der jüngeren Vergangenheit mit kritischen Aussagen über Sechzig für Aufsehen gesorgt hat.

München - Für die Abendzeitung war er früher ein Nachbar, damals, als die Redaktion ihren Stammsitz noch in der Sendlinger Straße hatte. Wenn man bei Peter Grosser anrief, um ihn mal wieder zum Zustand seiner Löwen zu befragen, schlug er, wenn's ihm grad nausging, gerne vor, dass man sich doch ums Eck in seinem Stammcafé im Asamhof zum Gespräch treffen könne, weil dann müsse man nicht alles am Telefon beratschen.

Was immer nicht nur ein willkommener Anlass war, mal wieder aus dem Büro rauszukommen, sondern meist auch ein schöner und unterhaltsamer Termin mit einem sehr angenehmen Gesprächspartner, als Einschub sei erwähnt, dass angenehme Umgangsformen mit Gesprächspartnern bei Sechzig nicht immer die Regel waren, Werner Lorant etwa bevorzugte auch in der direkten Kommunikation schnörkelloses Vokabular der Kategorie beinhart, und beim alten Wildmoser selig kam es vor, dass man statt Begrüßung und Handschlag seinen exhalierten Zigarrenqualm ins Gesicht geblasen bekam und man anschließend wegen der Autorenschaft eines aktuellen Zeitungsberichts als Nestbeschmutzer tituliert wurde. Aber das sind andere Geschichten.

Beim Meisterlöwen herrscht große Distanz zu 1860

Auch zu Ehren seines Achtzigsten vor gut einem Jahr traf man sich mit Peter Grosser wieder im Asamhof, Grosser wackelte des Wegs in seinem unverkennbaren Gang, die Haxn geprägt vom jahrelangen Verschleiß. "In die Knia", sagte er, "da hackelt's und schnackelt's gern." Die Sonne schien, ein herrlicher Spätsommertag, man saß bei einem Capuccino draußen, als sich die Stimmung bei Grosser eintrübte und verfinsterte - als man nämlich auf die Löwen zu sprechen kam.

"In die Knia", sagt Grosser, "da hackelt's und schnackelt's gern."

"In die Knia", sagt Grosser, "da hackelt's und schnackelt's gern."

Man konnte gut heraushören: Es herrscht schon lange Entfremdung vom Verein und große Distanz. Gerade bei ihm, Grosser, dem Meisterlöwen, dem Meisterkapitän gar, der 1966 nach dem 1:1 gegen den HSV im Grünwalder die Meisterschale überreicht bekam. Bei ihm, der die große Ära der Sechzger Jahre so sehr mitprägte.

Ein AZ-Reporter vermittelte Grosser zu Sechzig

Dabei war es ja Zufall, dass er bei den Blauen landete. Fünf Jahre spielte Grosser erst bei den Bayern, bis 1963 dann ein Machtkampf eskalierte zwischen Präsident Wilhelm Neudecker und seinem Vorgänger und Hauptmäzen Roland Endler. Grosser aber war eng verbandelt mit Endler, er leitete in dessen Firma das Auslieferungslager für Schweiss-Elektroden. Und so weigerte sich Neudecker, den Vertrag zu verlängern, weshalb Grosser entgegen des ungeschriebenen Gesetzes, in der Stadt nicht die Fronten zu wechseln, auf Vermittlung des damaligen AZ-Reporters Rolf Gonther von Bayern zu Sechzig ging.

Der Reiz war groß, später noch einmal zu den Roten zu gehen, gestand er einmal, im Mittelfeld zwischen Beckenbauer und Müller zu agieren. Mit Beckenbauer debütierte er übrigens gemeinsam in der Nationalmannschaft, im September 1965 beim 2:1 in Schweden, Grosser gab sogar die Vorlage für den Siegtreffer. Kurz vor der WM 1966 trug er noch einmal das Nationaltrikot, beim 2:0 in Nordirland, aber dass ihn Helmut Schön dann nach der überragenden Saison im Meisterjahr nicht für die WM nominiert wurde, bis heute unverständlich.

Bis 1969 spielte Grosser noch für die Löwen, dann ging er zu Austria Salzburg, fünf Jahre noch bis zum Karriereende pendelte er von München die A8 rauf und runter. 1977 dann rief der alte Schrobenhauser an, der Mäzen der SpVgg Unterhaching, die gerade von der A-Klasse in die Bezirksliga aufgestiegen war, ob er, Grosser, nicht als Trainer übernehmen könne.

Peter Grosser: Ein Wanderer zwischen den Welten

Bei der Begegnung im Asamhof sagte Grosser den schönen Satz: "Im Münchner Umland sind 60 Klubs höherklassig gewesen, andere Mannschaften wie Waldperlach oder Deisenhofen, die hamm sich ja totglacht über Haching." Heute ist Haching, wo Grosser bis 2011 noch als Vizepräsident noch im Einsatz war, unter allen Fußballklubs mit einer 089 als Vorwahl rein tabellarisch die Nummer 2. Sicher auch Grossers Verdienst.

Bayern, Sechzig, Haching, Grosser war sicher ein Wanderer zwischen den Welten. Und doch war auch an diesem Tag herauszuhören, dass ihn natürlich kein Verein so sehr beschäftigt wie 1860, auch wenn er dort bei der Anhängerschaft stark polarisiert. Mit Aussagen, dass die Arena in Fröttmaning das schönste Stadion überhaupt sei und das Grünwalder eine marode Bruchbude, dass Ismaik die Löwen gerettet hätte und die aktuelle Führung unfähig sei, das kam nicht bei jedem Fan gut an. War aber einfach seine ehrliche Meinung.

Peter Grosser (r.) mit Löwen-Investor Hasan Ismaik.

Peter Grosser (r.) mit Löwen-Investor Hasan Ismaik.

Furchtbar waren die Schicksalsschläge, die Grosser mit dem Tod seiner beiden Söhne zu ertragen hatte. Peter starb 1979 mit 19 bei einem Verkehrsunfall in Fürstenried. Thomas fiel 2008 bei einem Hallenkick in Unterhaching um, Herzstillstand. "Manchmal fragst dich schon, warum das so brutal zuschlägt", sagte Grosser. "Ein Kind zu beerdigen, ist schon furchtbar. Aber zwei. Drüber weg kommst du nie. Es hat auch gedauert, bis ich wieder Kraft bekommen hab. Ich hätt' auch von der Brückn springen können. Aber das hätt' auch nichts gebracht. Irgendwie hat's halt weitergehen müssen."

Tut es auch, Grosser lässt sich nicht unterkriegen. Auch wenn es manchmal hackelt und schnackelt. In seinen Knien und mit seinen Löwen.

AZ-Serie zu den Kultlöwen