Exklusives AZ-Interview

Thomas Helmer: "Wegen Kovac könnte es beim FC Bayern richtig krachen"


"Eigentlich kommt doch jetzt die Saison für Niko, in der er sich beweisen muss", sagt Thomas Helmer (l.) über Kovac.

"Eigentlich kommt doch jetzt die Saison für Niko, in der er sich beweisen muss", sagt Thomas Helmer (l.) über Kovac.

Von Bernhard Lackner

Im AZ-Interview verteidigt Thomas Helmer Trainer Niko Kovac und analysiert die Lage vorm Pokalendspiel: "Ich sehe den FC Bayern nicht als haushohen Favoriten." Er spricht auch über das Finaldrama von 1999.

München - Thomas Helmer spielte von 1992 bis 1999 für den FC Bayer - aktuell arbeitet er bei Sport1 und moderiert den "Check24 Doppelpass".

Thomas Helmer moderiert jeden Sonntag den "Check24 Doppelpass" auf Sport!.

Thomas Helmer moderiert jeden Sonntag den "Check24 Doppelpass" auf Sport!.

AZ: Herr Helmer, für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass der FC Bayern am Samstag mit dem Pokalsieg gegen Leipzig Double-Champion wird, Sie am Sonntag (11 Uhr live auf Sport1) im "Doppelpass" aber trotzdem die Entlassung von Trainer Niko Kovac besprechen werden?
THOMAS HELMER: Ehrlich gesagt möchte ich das nicht unbedingt tun müssen. Das wäre schon bitter für ihn. Aber ein bisschen seltsam ist das alles schon. Ich glaube, dass man bei ihm unterschiedlicher Meinung ist und das so ein bisschen unterm Teppich hält. Weil die Konsequenzen für den gesamten Verein nicht so positiv wären, da könnte es richtig krachen.

Helmer: Zeitpunkt der Kovac-Diskussion "völlig unnötig"

Eine Niederlage gegen Leipzig kann sich Niko Kovac wohl auf keinen Fall leisten, oder?
Dieses Gefühl hat man. Aber ich bin der gleichen Meinung wie Fredi Bobic und Ralf Rangnick: Warum soll man über den Trainer diskutieren? Er hat sich da rausgebissen und gefightet. Aber wenn jetzt schon wieder die ganzen Details aus der Kabine rauskommen, ist das für ihn natürlich nicht hilfreich.

Wie bewerten Sie den Umgang der Bayern-Bosse mit Kovac?
Ich hätte das nicht öffentlich gemacht. Karl-Heinz Rummenigge sieht ihn offenbar kritisch, bei Uli Hoeneß hat man eher den Eindruck, dass er zumindest erstmal zu Kovac steht. Aber der Zeitpunkt der Diskussion ist völlig unnötig. Man kann den Gewinn der Meisterschaft, nach zwischenzeitlich neun Punkten Rückstand, ja eigentlich positiv verkaufen. In der Rückrunde war Bayern die beste Mannschaft. Diese Rumeierei vor so einem Finale - klar, dass das den Trainer nicht stärkt.

Glauben Sie, dass Bayern möglicherweise schon einen anderen Trainerkandidaten in der Hinterhand hat?
Wenn man nicht hundertprozentig vom Trainer überzeugt ist, denkt man sicher auch darüber nach: Wer könnte uns sonst wieder da hinführen, wo wir wieder hinwollen, auch in der Champions League? Die Frage ist, was der Verein jetzt für eine Art von Trainer will. Wenn ich jemanden mit mehr Erfahrung möchte, einen großen, gestandenen Namen, darf ich eigentlich auch Erik ten Hag oder Mark van Bommel nicht nehmen.

Thomas Helmer erwartet offenes Pokalfinale

Sie sprachen Kovacs Kabinenproblem an. Ist das für ihn überhaupt noch zu lösen?
Ich glaube schon. Eigentlich kommt doch jetzt die Saison für Niko, in der er sich beweisen muss, mit dem Umbruch eine neue Mannschaft zu formen, Spieler besser zu machen. Robben, Ribéry oder Neuer kannst du nicht mehr besser machen. Gnabry hat sich zum Beispiel gut unter Kovac entwickelt, genau wie Coman. Robben und Ribéry werden gehen, also wird sich in der Kabine zwangsläufig etwas ändern. Das kann Niko auch helfen. Da kommt es jetzt darauf an, wie er das moderiert, auftritt und wie autoritär er ist. Robben und Ribéry wollten gegen Frankfurt ja beide von Anfang an spielen. Da hat er sich ja durchgesetzt und gesagt: "Ich will und muss Meister werden und sehe die beiden Jungen momentan stärker." Das war schon ein klares Statement.

Wie sehen Sie die sportliche Ausgangslage vor dem Pokalfinale?
Ich sehe die Bayern nicht als haushohen Favoriten. Leipzig hat eine starke Rückrunde gespielt und die wenigsten Gegentore bekommen. Mit Gulácsi haben sie den momentan besten Torhüter der Bundesliga und nach vorne gehen die sowieso richtig steil. Ihr Trainer Ralf Rangnick weiß, dass das eine Riesenchance ist und kennt die Schwächen der Bayern. Das wird eine richtig schwere Aufgabe für die Bayern und ein offenes Finale.

Wächst Bayern da ein richtiger Konkurrent heran?
Ich finde es gut, dass sie die Ambitionen haben und das auch mal formulieren. Ralf Rangnick wahrscheinlich als Sportdirektor und Julian Nagelsmann dann als Trainer, das ist schon ein Gespann, auf das wir alle gespannt sind. Auch Dortmund glaubt daran, dass man den Bayern mal wieder näher kommt. Mit Julian Brandt, Nico Schulz und Thorgan Hazard haben sie sich jetzt mit Topspielern verstärkt. Das könnte schon eine interessante nächste Saison werden. Bayern hat bislang ja nur Hernández und Pavard geholt.

Thomas Helmer: Werner ist einer für den FC Bayern

Wäre Leipzigs Timo Werner eine sinnvolle Verstärkung für Bayern?
Für mich definitiv. Der ist schnell, torgefährlich und bringt alles mit. Und er kann noch mehr, aus ihm kann man noch einiges rausholen. Der Name von Leroy Sané ist jetzt auch bei Bayern gefallen. Das kann ich mir aber noch nicht wirklich vorstellen.

Warum?
Fußballerisch würde er in jede Mannschaft reinpassen mit dem Tempo, das er mitbringt und dem, was er in der Offensive leisten kann. Wenn es eine Möglichkeit gibt, ihn zu bekommen, würde ich das sofort machen. Das ganze Paket würde aber richtig viel Geld kosten. Ich weiß nicht, ob die Bayern bereit sind, das zu machen.

Ein anderes Thema zum Schluss. Für Sie steht am Sonntag ein Jubiläum aus Ihrer Bayern-Zeit an. In Manchester gibt es deshalb sogar ein Legendenspiel gegen United.
Ich kann ja leider nicht, weil ich Sendung habe (lacht). Auch wenn Lothar Matthäus mir, als ich ihn kürzlich am Flughafen getroffen habe, versprochen hat, dass ich dieses Mal spielen würde. Ich hatte auch mit Ottmar Hitzfeld Kontakt. 20 Jahre ist es jetzt her, das Champions-League-Finale von 1999.

Helmer: So war es nach dem Champions-League-Finale 1999

Das Sie nach 1:0-Führung nach zwei Toren in der Nachspielzeit noch mit 1:2 gegen Manchester United verloren.
Für die Jungs auf dem Platz war es noch schlimmer als für mich, weil ich ja nicht gespielt habe. Mir tat es leid für die Mannschaft und den Verein. Als die Ecke zum 1:2 reinflog, habe ich immer noch gedacht, es wäre nur die Wiederholung vom 1:1. Ich war völlig paralysiert und in einer Art Schockstarre. Nachher in der Kabine hat keiner was gesagt. Normal tritt man gegen irgendwas dagegen oder schreit rum. Wir haben in dem Moment alle aufgehört zu atmen, es war gespenstisch. Das sind Erinnerungen, die einen nicht loslassen.

"Ich war völlig paralysiert und in einer Art Schockstarre", sagt Helmer über das Finale 1999, das Bayern gegen Manchester United verlor.

"Ich war völlig paralysiert und in einer Art Schockstarre", sagt Helmer über das Finale 1999, das Bayern gegen Manchester United verlor.

Damit ging auch Ihre Zeit bei Bayern zu Ende. Hätten Sie sich einen anderen Abschluss gewünscht?
Ottmar Hitzfeld hat mich nach meiner Geste in seine Richtung nach dem Champions-League-Finale ja dann suspendiert. In einem persönlichen Gespräch, was ich an ihm immer sehr geschätzt habe, hat er mir dann gesagt, dass er mich eigentlich im Pokalfinale spielen lassen wollte. Und dass dies jetzt natürlich nicht mehr ginge. Ich durfte dann noch das letzte Meisterschaftsspiel machen und die Schale nochmal entgegennehmen. Natürlich wünscht man sich das für alle, aber auch für mich selbst, im Rückblick etwas positiver.

Lesen Sie auch: Kann Neuer noch einmal unantastbar werden?