Wer wird Nachfolger?
Rückzug: Hoeneß sucht den Hoeneß
10. November 2018, 12:02 Uhr aktualisiert am 10. November 2018, 12:02 Uhr
Koketterie oder ernsthafte Überlegungen? Der Präsident des FC Bayern spricht davon, sich zurückzuziehen - aber auch davon, wie schwer es ist, einen Nachfolger zu finden. "Suchen die eierlegende Wollmilchsau."
München - Uli Hoeneß tritt zurück? Der Bayern-Präsident will nicht mehr? Ein Aufschrei ging seit Donnerstagabend durchs Netz und beschäftigte - ja, sorgte - die Bayern-Fans. Beim "sächsischen Wirtschaftsdialog saxxess" im VIP-Raum des Dynamo-Stadions zu Dresden hatte der 66-Jährige über seinen nahenden Rückzug gesprochen.
Er sagte: "Ich mache diesen Job noch zwei, drei Jahre und will meinem Nachfolger eine volle Kasse übergeben. Dann können sie mit dem Geld machen, was sie wollen." Kaum zu glauben. Hoeneß, der Schwabe, dessen Lebenswerk der FC Bayern ist? (Lesen Sie hier: Hoeneß distanziert sich erneut von PK-Statements)
Hoeneß ist der Mister FC Bayern
Der Präsident ging noch einen Schritt weiter. Sein Nachfolger solle "jemand sein, der eine menschliche Seite hat, und aus dem Fußball kommen. Das wird schwer. Wenn ich einen wüsste, würde ich nächstes Jahr aufhören."
Ach, schon 2019? Zu den Fakten: Erst im November kommenden Jahres stehen wieder Wahlen zum Präsidium an. Zur Erinnerung: Seit 2009, mit der Unterbrechung wegen seiner Gefängnisstrafe als verurteilter Steuersünder, ist Hoeneß Präsident der Bayern, seit 2010 zudem Aufsichtsratsvorsitzender. 1979 hatte er das Amt des Bundesliga-Managers erfunden. Er ist der Mister FC Bayern. Der Verein - so wie er heute aufgestellt ist - ohne ihn nicht denkbar.
Wer also folgt auf seinen Thron? Wer hätte das im Kreuz?
Suche nach einem Alleskönner
Hoeneß weiß es nicht. "Wir müssen die eierlegende Wollmilchsau suchen", sagt er. Also einen Alleskönner, Mister Perfect. Am besten einen Ex-Profi, einen mit Bayern-DNA, einen Fußballkenner, einen Wirtschaftsfachmann und eben einen fürs Volk. Hoeneß sucht einen Hoeneß, genau wieder diesen einen Uli Hoeneß. Wird schwierig.
Was also haben seine Aussagen wirklich zu bedeuten? Stichwort volle Kassen, sein Horrorszenario Geld-zum-Fenster-rauswerfen: Niemals. Nicht mit Uli! Ein Investor bei Bayern, bei seiner großen Liebe, seiner zweiten Familie? Nur über seine Leiche. Hoeneß, das Oberhaupt des Rudels Säbener, verkörpert das altehrwürdige Gewissen des Vereins, der bestimmte Werte zähnefletschend wie ein junger Wolf verteidigt. Ein Transfer jenseits der 100-Millionen-Euro-Ablöse-Grenze? Muss er womöglich zeitnah zähneknirschend absegnen.
Rückzugsankündigung mit Hintergedanken?
Stichwort Nachfolge-Regelung, die Operation Wollmilchsau: Mit seinen demütigen Aussagen möchte Hoeneß bezwecken, dass die Mitarbeiter im Verein und vor allem die Mitglieder auf der Jahreshauptversammlung in knapp drei Wochen (30. November) ihn bitten werden, derartige Rückzugsgedanken zu verwerfen. Sie werden Hoeneß huldigen. 2019 wird er wiedergewählt - jede Wette. Nach seiner Haftentlassung war er im November 2016 unter Ovationen erneut zum Präsidenten gewählt worden und versprach voller Pathos: "Ich werde diesem Verein dienen bis ich nicht mehr atmen kann." Er schwor ewige Treue.
Außerdem: An der Säbener Straße wurde es bisher versäumt, eine Wollmilchsau mit Ulimilch aufzuziehen.
FC Bayern ohne Hoeneß möglich?
Stichwort Zukunft ohne Hoeneß: Vor ein paar Wochen hatte Hoeneß mit Blick auf Rummenigge und ihn selbst gesagt: "Es geht nicht, dass wir beide gleichzeitig aufhören. Das können wir dem Verein nicht antun." Denn die Zäsur an der Vereinsspitze würde ohnehin "extrem und sehr groß" ausfallen, es "wird eine schwierige Zeit", so Hoeneß. Natürlich.
Denn: Kann man sich Bayern ohne Hoeneß vorstellen? Jein, oder doch? Man bekam ein Bild davon während seiner Haft ab 2014, als Karl-Heinz Rummenigge (63), der Vorstandsboss, quasi alleine regierte. Und? Es gibt den FC Bayern immer noch. Aber umgekehrt gefragt: Kann man sich Uli Hoeneß ohne seinen FC Bayern vorstellen? Nein. Denn sein Ausruf von 2016 "Das war's noch nicht!" gilt weiter. Und weiter. Und weiter. In der Beziehung ist Hoeneß mehr Seehofer als Merkel.