Exklusives AZ-Interview
Olaf Thon: "Der FC Bayern braucht keinen Welt-Trainer"
3. Dezember 2019, 6:42 Uhr aktualisiert am 3. Dezember 2019, 6:42 Uhr
Ex-Coach Jupp Heynckes adelt Hansi Flick als "Juwel" für den FC Bayern. Im AZ-Interview ordnet der frühere Mitspieler Olaf Thon diese Aussage ein und sagt: "Er gibt den Bayern gerade viel Positives."
München - Die Eloge von Jupp Heynckes auf Hansi Flick hat für Aufsehen gesorgt. In einer "kicker"-Kolumne schrieb der Triple-Sieger über seinen Ex-Spieler, er sei "ein Chef nicht aufgrund seiner Position, sondern aufgrund seiner Persönlichkeit".
Heynckes gefällt auch Flicks Auftreten: "Wenn ich sehe, wie er in diesem aufgeregten Betrieb Profifußball und überhaupt in unserer schnelllebigen Zeit entschleunigt und in sich ruht, überträgt sich diese souveräne Haltung auf seine Mannschaft."
Die AZ hat bei Flicks früherem Teamkollegen Olaf Thon nachgefragt:
AZ: Herr Thon, Ihr Ex-Trainer beim FC Bayern, Jupp Heynckes, hat Ihren Ex- Mitspieler Hansi Flick gelobt: Er sei ein Juwel, mit dem der FC Bayern eine Epoche prägen könne. Wie sehen Sie das?
OLAF THON: Tja, ich bin überrascht.
Überrascht über das Lob?
Ich hab' das ja auch gemacht, bei David Wagner: Er möchte doch bitte eine Ära prägen. Das würde bedeuten, Schalke wäre erfolgreich - und so muss man das bei Heynckes auch verstehen. Dass er den Wunsch hat, dass einer seiner ehemaligen Spieler nun als Trainer Fuß fasst in der Bundesliga und eine neue Ära einläutet, um mal wieder das Triple zu holen. Das ist der Traum, den Heynckes damit verbindet. Nichtsdestotrotz bleibt es von den Erfolgen abhängig.
Olaf Thon: Beim FC Bayern hat sich etwas geändert
Und was überrascht Sie nun?
Dass man nach einer Niederlage einfach freundlich zur Tagesordnung übergeht - überhaupt nicht FC Bayern-mäßig! Von daher hat sich bei Bayern etwas getan, und es wird sich noch mehr tun, wenn Olli Kahn beginnt und Hasan Salihamidzic im Vorstand ist. Vielleicht kommt noch eine andere Person dazu, wovon wir noch gar nichts wissen. Vielleicht macht man auch Transfers von über 80 Millionen.
Charakterisieren Sie den Hansi Flick doch bitte einmal!
Immer sehr ruhig, besonnen, ein akribischer Arbeiter, der den Bayern jetzt einfach viel Positives gibt. Ich drücke ihm ganz fest die Daumen, nicht nur weil wir damals im Mittelfeld zusammen gekämpft haben und er mir als Sechser immer den Rücken freigehalten hat.
Wie realistisch ist Heynckes' Aussage vom Epochenpräger? Kann Flick auch kommende Saison Bayern-Trainer sein?
Sicher kann er das! Wie gesagt ist das abhängig von Ergebnissen, aber er hat es jedenfalls geschafft, Leuten wie Thomas Müller wieder Spaß zu vermitteln, so dass der wieder Tore schießt, und insgesamt eine Grundstimmung herbeizuführen, aus der heraus man gute Leistungen bringen kann. Ich glaube, das hat Karl-Heinz Rummenigge gemeint, als er sagte: 'Das kann auch einer für mehr werden'.
War es deshalb so ruhig nach dem 1:2 gegen Bayer?
Wie man damit umgegangen ist, war wirklich sehr unüblich. Das spricht dafür, dass die alle mit sich im Reinen sind. Dass sie wissen, dass sie in diesem Jahr nicht mit 20 Punkten Vorsprung Meister werden. Ich habe das Gefühl, dass sie aufgrund von Hansis Tugenden auf ihn bauen. Bayern ist auf einem guten Weg, sich zu entwickeln, auch mal neue Wege zu gehen - mit neuen Leuten, wo künftig auch andere sagen, wo es lang geht, nicht mehr in erster Linie Hoeneß und Rummenigge.
Thon: "In dieser Saison ist alles sehr offen"
In welche Richtung wird sich der Klub unter Oli Kahn entwickeln?
Ich habe ihn zuletzt selten gesehen, aber ich traue den neuen Leuten mit der Unterstützung von Hoeneß und Rummenigge viel zu - weil die klasse sind! Was die Ausbildung betrifft, Erfolge, Stallgeruch. An die Erfolge von Hoeneß und Rummenigge anzuknüpfen, wird nicht einfach. In dieser Saison ist alles sehr offen. Die Liga boomt auch deshalb, weil es so spannend ist. Alle drücken die Daumen, dass es mal einen anderen Meister gibt. Nicht weil man Bayern nicht mag. Natürlich hätte ich lieber, dass Schalke Meister wird, aber ich weiß auch: An Bayern geht auch dieses Jahr nichts vorbei. Sie sind weiterhin Top-Favorit.
Angenommen, Flick gelänge eine Saison mit Meisterschaft, Pokal und Champions-League-Halbfinale: Gäbe es da Argumente für einen neuen Coach?
Der FC Bayern hat immer nach Großem gestrebt, auch was Marketing betrifft. Ich denke aber, man braucht keinen Welt-Trainer. Ob Flick einer werden kann, muss er noch beweisen. Bayern tut gut daran, so einen Mann zu installieren - wenn er von den Ergebnissen her funktioniert. Und auf der anderen Seite lieber Spieler mit großen Namen zu verpflichten.
Olaf Thon: Flick kann eine Lösung für die Zukunft sein
Braucht es also einen Stimmungstrainer, einen sensiblen Menschenfänger? Für Kovac müssen die jüngsten Spiele ja Ohrfeigen gewesen sein...
Genau das Gleiche ist bei Schalke der Fall. Als Heynckes damals von Gladbach zu Bayern ging, war er auch kein Welt-Trainer, er hat hier schwierige Phasen durchgemacht, wurde entlassen - und kam mit noch größerer Klasse wieder. Als Trainer braucht man eine gewisse Zeit, um auf Dauer funktionieren zu können. Von daher kann Hansi Flick schon eine Lösung für die Zukunft sein.
Flicks Verpflichtung im Sommer kam überraschend - mit Bruder Robert hatte Kovac ja einen Co-Trainer...
Vielleicht hat man schon mehr gewusst, ein Plan B für den Notfall. Dortmund diskutiert jetzt: 'Wer könnte es machen?' Den Michael Skibbe haben die ja nicht einfach so als A-Jugend-Trainer geholt. Das sind immer so Dinge, die man nicht genau weiß.
Trifft Heynckes' Satz vom Juwel die Situation von Flick?
Finde ich gut, ganz große Klasse! Ich kann mir vorstellen, dass Flick in Heynckes auch in Zukunft einen guten Ansprechpartner finden wird.
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