Interview mit Erik Meijer
Neuzugänge? FC Bayern und Borussia Dortmund scouten unterschiedlich
11. Dezember 2018, 6:00 Uhr aktualisiert am 11. Dezember 2018, 9:18 Uhr
TV-Experte Erik Meijer analysiert die Bayern vor dem Duell in der Champions League bei Ajax - und erklärt, was den Rekordmeister in Sachen Scouting vom BVB unterscheidet.
AZ-Interview mit Erik Meijer: Der jetzt 49-Jährige spielte unter anderen für Bayer Leverkusen, den FC Liverpool, den Hamburger SV und PSV Eindhoven, der ehemalige niederländische Nationalspieler arbeitet jetzt als Experte beim TV-Sender Sky.
AZ: Herr Meijer, der FC Bayern tritt am Mittwoch (21 Uhr/Live auf Sky) in der Champions League bei Ajax Amsterdam an. Hätten Sie damit gerechnet, dass das ein Endspiel um den Gruppensieg sein wird?
ERIK MEIJER: Ich hätte nicht gedacht, dass Ajax schon so schnell so gut und so gefestigt spielen würde. Die Mischung zwischen den jungen, riesengroßen Talenten und ein paar alten Hasen funktioniert. Beim 1:1 im Hinspiel haben sie ja auch Bayern große Probleme bereitet. Das hat den Ajax-Spielern in ihren Köpfen die Bestätigung und Selbstvertrauen gegeben, dass sie eine gute Mannschaft sind.
Die Bayern schlagen kann?
Wenn man das Hinspiel betrachtet, sicherlich. Niko Kovac hat jetzt auch etwas an seinem Kader gebastelt und vielleicht seine Spielart ein bisschen gefunden. Aber auch Ajax hat seinen Spielstil, den sie durchziehen: frischen Offensiv-Fußball. Wenn Bayern da mitmacht, bekommen wir alle ein Riesen-Champions-League-Spiel zu sehen.
Mit Matthijs de Ligt (19) und Frankie De Jong (21) werden zwei junge Ajax-Spieler mit Bayern in Verbindung gebracht. Zu Recht?
Mit den beiden werde ich mich auch in meiner Analyse für Sky beschäftigen. Paris Saint-Germain hat wohl schon Gespräche mit De Jong geführt, die Zahl 75 Millionen ist als mögliche Ablöse aufgetaucht. De Ligt ist Kapitän, man hat von Tag eins an gesehen, dass er ein Riesenpotenzial hat. Er ist groß, stark, aber auch schnell und wendig. Er tritt in die Fußstapfen von Jaap Stam und hat das Potenzial, für Bayern München, Barcelona oder andere Topklubs zu spielen. Und De Jong erinnert mich an Johann Cruyff. Er läuft so wie er und hat ein bisschen seinen Stil: Diese Selbstsicherheit, ja fast schon Arroganz in seinem Spiel, weil alles so locker bei ihm aussieht. Du kommst als Gegenspieler nicht an ihn heran. Wenn du so viel Talent hast, kannst du bei jeder Mannschaft spielen, auch bei Bayern.
Könnte Bayern eine Ablösesumme von 75 Millionen Euro nicht abschrecken? Ist man da vielleicht zu spät dran?
Ich habe das Gefühl, dass der Scoutingapparat bei Bayern etwas anders strukturiert ist als zum Beispiel der von Borussia Dortmund. Dort finden sie Jungs, die noch drei, vier Jahre jünger sind für einen akzeptableren Preis. Und Bayern fischt dann einen Teich weiter bei Jungs, die 50 und mehr Millionen kosten. Aber wenn sie umbauen wollen, dann müssen sie es jetzt machen. Vielleicht ist Ajax da auch ein Beispiel, dass man mit einer Mischung aus erfahrenen und jungen Spielern etwas Schönes schaffen kann.
Glauben Sie, dass wir de Ligt und/oder de Jong im Sommer in München sehen werden?
Ich bin gespannt, ob einer der beiden sich überhaupt für Bayern interessiert. Wenn du auch zu Vereinen wie Manchester City und Paris gehen kannst, weiß ich nicht, ob ein junger Spieler sich direkt für Bayern München entscheidet. Ich bin mit der Bundesliga aufgewachsen. Aber diese Jungs schauen ja fast nur noch Premier-League- und Champions-League-Fußball und denken vielleicht mehr Richtung Barcelona, Paris oder City.
Hat der FC Bayern seine Krise aus Ihrer Sicht nun überwunden?
Sie sind zumindest viel stabiler geworden. Vielleicht auch, weil sie nicht mehr so viel durchwechseln. Außerdem spielt Kovac jetzt mit zwei Sechsern, damit ist die Mitte wieder zu. Und Thomas Müller kann wieder auf der Zehn spielen. So kommen er und auch Robert Lewandowski wieder besser zur Geltung, die Tormaschine funktioniert wieder. Kovac hat sich darüber geärgert, wie die Jungs sich teilweise präsentiert haben und gesagt: Jetzt machen wir es auf meine Art! Das zeigt, dass er einen Schritt weiter ist als in Frankfurt. Aus solchen schlechten Phasen kannst du nur lernen.
Sie haben mit Kovac in Leverkusen und Hamburg gespielt. Besteht da eine Verbundenheit?
Wir haben jahrelang die Kabine geteilt, häufig Karten miteinander gespielt auf stundenlangen Busfahrten. Natürlich fiebere ich mit ihm mit. Er hat als Bayern-Trainer den schwersten Job in ganz Deutschland. Wenn ich ihm irgendwie helfen kann, dann mache ich das. Ich schreibe ihm ab und zu mal bei WhatsApp und wünsche ihm viel Erfolg. Mehr kann ich aus der Distanz aber auch nicht tun. Er ist ja derjenige, der dafür bezahlt wird, jeden Tag beim Training vor Ort zu sein. (lacht)
Trauen Sie Kovac und den Bayern zu, Dortmund auf dem Weg zur Meisterschaft noch abzufangen?
Ich glaube, dass Bayern bis zur Winterpause alle Ligaspiele gewinnen wird. Und dann bin ich mal auf die zweite Saisonhälfte gespannt. Ich bin davon überzeugt, dass Bayern noch einen Schritt nach vorne machen kann und Dortmund schon an seinem Maximum spielt.
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