AZ-Interview
Michael Rummenigge: "Unsere Eltern wären sehr, sehr stolz"
5. Mai 2020, 9:04 Uhr aktualisiert am 5. Mai 2020, 9:04 Uhr
Exklusiv in der AZ spricht Michael Rummenigge über seinen Bruder Karl-Heinz, der sich Ende 2021 als Vorstandsvorsitzender des FC Bayern zurückziehen wird: "Kalle lebt und stirbt für den FC Bayern."
München - AZ-Interview mit Michael Rummenigge. Der Bruder von Bayerns Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge spielte von 1981 bis 1988 beim Rekordmeister.
AZ: Herr Rummenigge, wie managen Ihr Bruder Karl-Heinz und der FC Bayern die Corona-Krise aus Ihrer Sicht?
MICHAEL RUMMENIGGE: Die machen es super. Bayern ist der Klub in Europa, der - bewusst oder unbewusst - diese Rücklagen gebildet hat. Sollte die Krise länger dauern, werden die Spieler weiter auf Bezüge verzichten. Es muss eine andere Denkweise stattfinden in Bezug auf Gehälter, Ablösesummen, Beraterhonorare. Vielleicht ist es ein Schuss vor den Bug zur rechten Zeit, damit wir die Spirale nicht weiter überdrehen, das Bewusstsein wieder schärfen für den schönsten Sport, den wir haben.
Mit Geisterspielen will die Bundesliga demnächst wieder starten. Wie stehen Sie dazu?
Fußball im Fernsehen ohne Zuschauer ist besser als gar kein Fußball. Wir dürfen nicht blauäugig sein: Die Fernsehgelder stehen aus. Und wir wollen unsere Bundesliga und alles darüber hinaus mit Pokal und Champions League nicht sterben sehen. Wenn nicht weitergespielt wird, werden es viele Vereine nicht überleben.
Bayern hat die Zwangspause genutzt, um Verträge zu verlängern, etwa mit Hansi Flick.
Mit Hansi habe ich noch zusammen gespielt. Ein feiner Kerl, der immer mehr im Hintergrund gearbeitet hat und das jetzt unaufgeregt macht. Das hatte ich ihm so nicht zugetraut. Aber er muss auch bei der Nationalelf gute Arbeit geleistet haben. Mit Neuer, Boateng, Müller, Hummels ist er Weltmeister geworden und die Spieler vertrauen ihm. Hansi macht einen super Job und passt gut zum FC Bayern.
Rummenigge: Entwicklung von Davies "ist unfassbar"
Gilt das auch für Thomas Müller und Alphonso Davies, die ebenfalls verlängert haben?
Müller ist ein Idol, das aus der eigenen Jugend kommt, mit zehn Jahren zu Bayern gekommen ist. Und die Entwicklung von Alphonso Davies ist unfassbar. Flick hat ihn als Linksverteidiger etabliert. Schauen Sie sich nur das Spiel gegen Chelsea an - unglaublich. Da sind die Bayern für die nächsten Jahre sehr gut aufgestellt. Und ich gehe auch davon aus, dass der beste Torwart der Welt bei Bayern bleiben wird.
Bei den Verhandlungen mit Neuer hakt es aber. Es wurden Gehaltsforderungen von 20 Millionen pro Jahr kolportiert.
Manuel Neuer weiß auch, dass diese Zahl sehr hoch ist, gerade in der jetzigen Zeit. Ihm geht es auch um Wertschätzung. Über drei Jahre plus eine Option auf ein weiteres könnte man reden. Mit 34 ist er noch im besten Torwartalter. Er ist eine Identifikationsfigur, der Kapitän, einer, der vorweggeht. Bayern will ja jetzt irgendwann auch mal wieder die Champions League gewinnen. Dafür brauchst du genau solche Leute wie Manuel Neuer.
Kai Havertz? "Götze sollte ein warnendes Beispiel sein"
Das Thema Neuzugänge ist aufgrund der Corona-Krise für viele Klubs ein schwieriges. Auch für Bayern?
Hasan Salihamidzic hat ja gesagt, dass sie einen internationalen Topstar und ein Toptalent aus Europa holen wollen. Ich bin gespannt, wen er meint.
Möglicherweise Leroy Sané.
Sané hat international seine Klasse bewiesen, ein unglaubliches Jahr in England gespielt, als er zum Newcomer des Jahres wurde. Kurz bevor er sich das Kreuzband gerissen hat, waren 120 Millionen für einen Wechsel im Gespräch. Jetzt ist die Ausgangslage eine andere, aufgrund des Kreuzbandrisses, aber auch der Corona-Krise. Wenn City tatsächlich zwei Jahre nicht international spielen darf, müssen die vielleicht auch verkaufen.
Wäre Kai Havertz die sinnvollere Verstärkung?
Havertz kenne ich, seit er 15 ist. Ein Super-Spieler, der eine unglaubliche Entwicklung genommen hat. Nachdem er keine gute Hinrunde gespielt hat, hat er sich stabilisiert und ist in den jungen Jahren schon der Kopf bei Leverkusen. Wenn er schlau ist, bleibt er aber noch ein, zwei Jahre dort, schaut, was nach der Krise passiert. Toni Kroos ist da ein gutes Beispiel, Mario Götze sollte ein warnendes für ihn sein.
Gab es bei Ihnen nie den Gedanken, wie Ihr Bruder als Verantwortlicher zurück nach München zu kommen?
Ich erinnere mich noch genau an den Oktober 1991. Da wurde mein Bruder an einem Donnerstag zum Vizepräsidenten gewählt und zwei Tage später spielten wir mit Dortmund in München - und gewannen 3:0. Das war das erste Spiel von Sören Lerby, nachdem Jupp Heynckes gerade entlassen worden war - der Beginn von Kalles Karriere als Funktionär. Er hat sich unglaublich reingearbeitet. Aber zwei Rummenigges bei einem Verein müssen nicht sein. Beide Hoeneß als Verantwortliche bei Bayern gab es ja auch nicht. Uli und Kalle haben das überragend gemacht und sind die Köpfe der letzten Jahrzehnte der Bayern.
"Ein guter Zeitpunkt, um an Kahn zu übergeben"
Hoeneß hat sich zurückgezogen, Ihr Bruder möchte Ende 2021 als Vorstandsboss aufhören.
Dann ist er 66. Man sagt ja: Da fängt das Leben an. Sein ganzes Leben bestand immer aus Fußball, ein bisschen weniger wäre vielleicht nicht schlecht. Es ist ein guter Zeitpunkt, um an Oliver Kahn zu übergeben. Mit ihm haben sie einen Topmann gefunden, der das Bayern-Gen in sich trägt und das mit Verantwortung und großer Weitsicht weiterführen wird. Trotzdem kann ich es mir noch nicht vorstellen, wenn mein Bruder nicht mehr in entscheidender Funktion bei Bayern ist. Kalle lebt und stirbt für den FC Bayern. Als Westfale ist das ja sowieso erstaunlich, diesen Weg gegangen zu sein. Unsere Eltern wären sehr, sehr stolz und wir sind alle stolz auf Karl-Heinz.
Könnte ihn die Krise beeinflussen, weiterzumachen?
Ich glaube, die Entscheidung steht. Aber was er will, ist noch mal die Champions League gewinnen. Dafür wäre nur noch ein Jahr Zeit. 2022 ist ja das Finale in München. Da wäre er nicht mehr als Verantwortlicher dabei, aber mit dem Herzen und allem drum und dran wird er das trotzdem bleiben.
Gibt es schon Pläne und Träume für die Zeit nach Bayern?
So weit denkt er noch nicht, aber es werden bestimmt welche kommen. Er ist ein Familienmensch, hat fünf Kinder, ist mehrfach Opa (lacht). Klar, dass das auch im Alter schön ist. Vielleicht bleibt er auch im Aufsichtsrat - so wie der Uli. Beim Bayern-Spiel auf Schalke haben wir kurz über den 31.12.2021 gesprochen. Er sagte: "Das ist noch so weit weg. Bis dahin geben wir noch mal richtig schön Gas."
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