Bayern-Kapitänin im AZ-Interview
Melanie Leupolz: "Uns Frauen fehlen einfach so viele Einnahmen"
30. Mai 2020, 8:16 Uhr aktualisiert am 30. Mai 2020, 8:16 Uhr
Die Bayern-Frauen nehmen am Samstag nach langer Pause wieder die Saison auf. Im AZ-Interview spricht Kapitänin Melanie Leupolz über Vorfreude und Bedenken - sowie ihren anstehenden Wechsel.
AZ-Interview mit Melanie Leupolz: Die 26-Jährige spielt seit 2014 beim FC Bayern, holte mit dem Klub zweimal die Deutsche Meisterschaft. Nach der Saison wechselt sie zum FC Chelsea.
AZ: Frau Leupolz, am Samstag geht auch für Sie und die Frauen des FC Bayern die Saison endlich wieder weiter. Wie gehen Sie in das Spiel gegen Hoffenheim, mit Vorfreude oder mit Skepsis?
MELANIE LEUPOLZ: Nein, wir freuen uns total auf den Re-Start. Jetzt haben wir doch schon wieder so lange trainiert, da ist es gut, wenn mal Gewissheit herrscht und wir endlich das Go vonseiten der Politik haben. Dann weiß man auch wieder, wofür man die ganze Zeit trainiert. Also überwiegt ganz klar die Vorfreude.
Während der Pause äußerten Sie sich skeptischer. Sie meinten, die Verletzungsgefahr wäre nach einer so langen Unterbrechung deutlich höher.
Aber ich weiß, dass hier beim FC Bayern alles für unsere Gesundheit getan wird - und somit das Risiko absolut überschaubar ist. Zumindest um uns mache ich mir daher keine Gedanken. Aber in Jena zum Beispiel ist die Lage wieder eine andere. Die konnten bis jetzt kaum im Team zusammen trainieren, die waren kaum auf dem Platz. Da mache ich mir um andere Vereine schon ein paar Sorgen mehr.
Melanie Leupolz hofft auf Bayern-Abschied mit Fans
Sie glauben nicht mehr an einen fairen Wettbewerb?
Ich glaube, dass durch die Krise und die unterschiedlichen Regelungen in den Bundesländern kein ganz fairer Wettbewerb mehr zustande kommt. Aber nichtsdestotrotz haben alle Klubs dafür gestimmt, die Liga fertig zu spielen.
Für Sie hat der Re-Start etwas Gutes, sie können sich vor Ihrem Wechsel zum FC Chelsea im Sommer nochmal ordentlich vom FC Bayern verabschieden.
So sieht's aus. Und da freu ich mich auch wirklich drüber.
Auch, wenn es wahrscheinlich nicht mehr mit einem Spiel vor den Fans klappen wird.
Naja, wer weiß, was bis zum Ende noch möglich ist. Ich glaube auch nicht, dass die Situation jetzt so schnell kippt. Aber trotzdem ist es für mich toll, nochmal mit der Mannschaft auf den Platz zu gehen und hoffentlich ein paar Spiele zu gewinnen.
Gegen Hoffenheim erwartet Sie gleich ein Schlüsselspiel. Sie als Zweiter gegen den Dritten. Es geht um die Champions-League-Qualifikation.
Das wird gleich ein sehr interessantes Spiel, im Hinspiel waren wir ja nicht ganz so erfolgreich (0:1-Niederlage in Hoffenheim, d.Red.). Dennoch bin ich sehr zuversichtlich, weil wir gut gearbeitet haben. Uns ist allen bewusst, dass wir den zweiten Platz unbedingt halten müssen, damit Bayern auch nächstes Jahr wieder in der Champions League spielt.
So hat Leupolz die Corona-Langeweile vertrieben
Auf Platz eins und den VfL Wolfsburg schielen Sie bei acht Punkten Rückstand wahrscheinlich nicht mehr, oder?
Da noch ranzukommen wird ganz, ganz schwer, das stimmt. Aber trotzdem wird es spannend, denn man weiß ja nicht, wie die einzelnen Teams aus der Pause zurückkommen. Es ist noch nichts entschieden. Wir müssen den Fokus jetzt auf uns legen und alles, was geht, abrufen.
Wie haben Sie sich eigentlich selbst die Zeit im Lockdown so vertrieben?
Mit der Wiederaufnahme des Trainings und jetzt mit der Hotel-Quarantäne ist der Ablauf fest strukturiert, aber davor war es eigentlich gar nicht so viel anders als vor Corona-Zeiten. Ich habe sehr viel für mein Studium gemacht, einige Prüfungen und Hausarbeiten geschrieben. Außer dem habe ich mich ein bisschen um die private Buchhaltung gekümmert, um Abrechnungen und alles, was man gerne vor sich herschiebt. Dazu noch Sport, Haushalt, da bleibt gar nicht mehr so viel Zeit übrig. (lacht)
Haben Sie auch ein wenig in die USA geschaut, wo die Fußballspielerinnen vor Gericht für die gleichen Gehälter wie für die Männer stritten?
Ich hab es ein wenig in den Medien verfolgt, ja.
Vor allem Superstar Megan Rapinoe kämpft für Gleichberechtigung, äußert sich oft politisch - besonders gegen US-Präsident Donald Trump. Ist sie für Sie ein Vorbild im Frauenfußball?
Das muss jeder selbst entscheiden. Ich selbst sehe mich nicht unbedingt als Wortführerin. Ich habe meine feste Meinung und äußere sie auch, wenn ich danach gefragt werde und es auch angebracht ist. Man muss nicht zu allem und jedem was sagen. Was Rapinoe macht, ist ihre Sache. Ich würde mich aber nicht ganz so in den Mittelpunkt stellen und mich wohl auch nicht mit Staatsgewalten anlegen.
Darum wechselt Melanie Leupolz zum FC Chelsea
Aber haben die US-Spielerinnen mit ihrer Forderung nach gleicher Bezahlung recht?
Die Nationalspielerinnen der USA bringen jetzt schon seit vielen Jahren großartige Leistungen und sorgen für Titel. Daher finde ich schon, dass sie ein paar gute Argumente haben. Man kann das aber nicht mit dem deutschen Fußball vergleichen, speziell mit der Bundesliga. Uns Frauen fehlen da einfach so viele Einnahmen, TV-Gelder, Merchandising und so weiter. Ich habe ja schon mal gesagt, dass gleiche Bezahlung bei uns daher utopisch ist. Aber dennoch muss eine gewisse Entwicklung stattfinden, damit die deutsche Liga professioneller werden kann und auch für ausländische Profis interessant ist und bleibt. Das beginnt bei den Strukturen, betrifft aber auch die Gehälter der Spielerinnen.
Sind die Defizite in der deutschen Liga ein Grund, warum Sie nach London wechseln?
Nein. Klar kann man aus der deutschen Liga noch mehr rausholen, es muss auch einiges gemacht werden, um den Stellenwert in Europa zu behalten. Aber meine Entscheidung fiel deshalb, weil ich schon lange mal im Ausland spielen wollte. England erschien mir da am attraktivsten, weil sich die Liga gerade toll entwickelt. Und gerade Chelsea hat großes Interesse an mir gezeigt. Das Gesamtpaket hat einfach gestimmt.
Leupolz überzeugt: Chelsea hat enormes Potenzial
In England haben viele Premier-League-Klubs den Frauenfußball für sich entdeckt und vorangetrieben. Auch der Austausch zwischen Männer- und Frauenabteilungen soll sehr gut sein. Wie ist das denn beim FC Bayern?
Dadurch, dass wir am Campus sind und die Männer an der Säbener Straße, besteht eigentlich kaum echter Kontakt. Der engste Kontakt war damals, als wir die Meisterschaft gewonnen haben und zusammen mit den Männern auf dem Rathausbalkon gefeiert haben. Manchmal sind wir auch in der Allianz Arena und ich weiß, dass auch Serge Gnabry mal bei uns ein Spiel angeschaut hat. Aber das sind eher Einzelfälle. Was die Geschäftsstellen betrifft, gibt es schon eine zunehmende Vernetzung. Aber in England ist die gemeinsame Nutzung der bestehenden Strukturen weiter fortgeschritten, das stimmt. Ich denke, dass es für den Frauenfußball sehr hilfreich ist, wenn die Strukturen parallel genutzt werden und auch die Reichweite des Männerfußballs für den Frauenfußball verwendet wird.
Allerdings haben die Bayern-Männer Chelsea zuletzt derb in die Schranken gewiesen.
(lacht) Das hab ich auch gesehen. Bei den Frauen ist das aber schon noch etwas anderes. Im Team von Chelsea liegt ein enormes Potenzial. Sie sind jetzt schon Erster in der Liga und haben zuletzt einige starke Transfers getätigt. Ich glaube, dass da auch auf internationaler Ebene demnächst einiges möglich ist.