AZ-Interview

Lothar Matthäus exklusiv: "Bei Havertz bekommt Bayern mächtig Konkurrenz"


Kai Havertz (l.) wird von zahlreichen europäischen Top-Klubs umworben.

Kai Havertz (l.) wird von zahlreichen europäischen Top-Klubs umworben.

Von Tabitha Nagy

Lothar Matthäus spricht in der AZ über das Interesse des FC Bayern an Leverkusen-Juwel Kai Havertz, den Kader der Münchner - und Philippe Coutinho.

München - Lothar Matthäus (58) war 1990 und 1991 Weltfußballer, mit dem FC Bayern wurde er sieben Mal Meister. Heute ist er als Sky-Experte tätig.

AZ: Herr Matthäus, die Transferperiode ist fast vorbei, langsam wird's Zeit für ein Fazit: Wer hat denn den nun besten Kader der Bundesliga, der FC Bayern oder Borussia Dortmund?
LOTHAR MATTHÄUS: Der FC Bayern hat den besten Kader und ist auch in dieser Saison Favorit auf die Meisterschaft. Dortmund hat seine Transfers früh getätigt, Bayern spät nachgelegt. Doch diese Verpflichtungen - Philippe Coutinho, Ivan Perisic und Michael Cuisance - verstärken die Mannschaft enorm, in der Spitze und in der Breite. Zudem sind die beiden französischen Weltmeister, Lucas Hernández und Benjamin Pavard, sehr flexible Spieler, die auf verschiedenen Positionen einsetzbar sind, das gilt auch für Coutinho. Bayerns Kader ist stark genug, um in der Bundesliga, dem Pokal und in der Champions League eine gute Rolle zu spielen.

Lothar Matthäus.

Lothar Matthäus.

Matthäus über die Bayern-Offensive: "Genügend Optionen"

Braucht es denn nicht noch einen defensivstarken Sechser und einen Back-up für Sturmstar Robert Lewandowski?
Nicht unbedingt. Speziell auf der Sechserposition bin ich anderer Meinung. Da haben die Bayern mit Javi Martínez einen ausgebildeten Sechser, mit Thiago einen spielstarken Sechser und mit Joshua Kimmich einen vielseitigen Spieler, der in der Nationalmannschaft auf dieser Position gesetzt ist. Wenn Bayern mal mit zwei Spielern hinter dem Zehner Coutinho oder Thomas Müller agiert, was vorkommen wird, dann können auch Corentin Tolisso, Leon Goretzka oder Cuisance auf der Doppelsechs spielen. Es sind also genügend Optionen vorhanden.

Und wie ist es mit einem weiteren Stürmer? Niko Kovac hat an Ex-Bayer Mario Mandzukic gedacht.
Man kennt Robert Lewandowski: Er hat kaum Ausfallzeiten. Ich hoffe, das bleibt so. Wenn etwas passieren sollte, muss man improvisieren, aber es gibt auch Möglichkeiten. Serge Gnabry spielt in der Nationalmannschaft in der Sturmspitze, auch Müller kann das. Unbedingter Handlungsbedarf ist nicht da. Wenn man Mandzukic allerdings zurückholen würde, hätte man eine Alternative als Nummer 9 - und einen Spieler, der über die Außenbahn kommen kann, wie bei Juventus Turin.

Zurück zu Bayern? Der kroatische Stürmer Mario Mandzukic.

Zurück zu Bayern? Der kroatische Stürmer Mario Mandzukic.

Matthäus zu Philippe Coutinho: "Ein exzellenter Spieler"

Sehen Sie nach der Coutinho-Verpflichtung Schwierigkeiten auf Thomas Müller zukommen?
Müller hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder durchgesetzt, wenn neue Stars kamen - auch gegen James Rodríguez. Natürlich ist Coutinho ein Spieler, der auf einer ähnlichen Position eingesetzt wird. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass man hinter Lewandowski mit Coutinho UND Müller spielen wird. Das ist zu offensiv, besonders in den heißen Partien der Champions League. Müller wird aufgrund der Wucht des Coutinho-Transfers wohl erstmal hinten anstehen müssen. Aber jeder beim FC Bayern weiß um seine Qualität, seine Wertigkeit. Um Thomas Müller ist mir nicht bange. Er wird seine Einsätze bekommen in dieser Saison.


Und doch: Ist Coutinho genau der Spieler, der die Bayern in der Champions League wieder zu einem Titelkandidaten macht?
Natürlich erhofft man sich das. Coutinho ist ein exzellenter Spieler, er stand schon bei Inter Mailand, Liverpool und Barcelona unter Vertrag. Bei Barça hat auch ein Neymar an der Seite von Lionel Messi nicht geglänzt. Coutinho war ein Opfer des Systems - und von Messi. Coutinho kann für Bayern auf höchstem Niveau den Unterschied machen, aber in der Champions braucht man natürlich auch Glück.

Inwiefern?
Es kommt auf die Auslosung an. Vor zwei Jahren hieß der Gegner des FC Bayern im Achtelfinale Besiktas Istanbul, vergangene Saison war es dann Liverpool, der spätere Sieger. Das kann man nicht vergleichen. Gegen Liverpool war das Problem, wie man ausgeschieden ist. Die letzte halbe Stunde im Rückspiel war erschreckend. Da hat man nicht die nötige Qualität und Stabilität gehabt. Ich hätte das Spiel gern mal zwei Monate später gesehen, als die Bayern-Mannschaft funktioniert hat.

Konkurrenten im offensiven Mittelfeld: Thomas Müller (l.) und der brasilianische Neuzugang Philippe Coutinho.

Konkurrenten im offensiven Mittelfeld: Thomas Müller (l.) und der brasilianische Neuzugang Philippe Coutinho.

Lothar Matthäus: Lob für Trainer Niko Kovac

Muss Kovac in dieser Champions-League-Saison ein besseres Ergebnis erzielen?
Wenn es nur nach den Ergebnissen geht, müssten ja nach dem Achtelfinale acht Mannschaften den Trainer rauswerfen. Die Spitze in Europa ist enger zusammengerückt, das muss man akzeptieren. Es gibt acht bis zehn Mannschaften, die die Champions League gewinnen können, eine davon ist der FC Bayern. Nuancen machen oft den Unterschied aus, persönliche Fehler, Entscheidungen des Schiedsrichters. Da kann man nicht immer den Trainer verantwortlich machen.

Wie bewerten Sie die bisherige Arbeit von Kovac?
Er ist professionell und hat in der vergangenen Saison mit dem Double etwas Außergewöhnliches geschafft, zudem einen Neun-Punkte-Rückstand in der Bundesliga aufgeholt. Für mich ist es irritierend, dass alles Negative immer gleich am Trainer festgemacht wird. Man muss Niko Kovac einfach in Ruhe arbeiten lassen.

"Außergewöhnlich": Matthäus lobt die Arbeit von Niko Kovac.

"Außergewöhnlich": Matthäus lobt die Arbeit von Niko Kovac.

Kai Havertz: Zukünftiger Weltfußballer?

Kommen wir noch zu Kai Havertz, einem Ihrer Lieblingsspieler. Wird er der nächste große Transfercoup des FC Bayern?
Ich weiß schon länger, dass Bayern an Havertz dran ist. Rudi Völler hat es bei "Sky" jetzt auch bestätigt. Vielleicht war das erste Angebot aus München nicht hoch genug. Klar ist aber auch: Das Jahr in Leverkusen mit Einsätzen in der Champions League wird Havertz guttun. Er ist gerade 20 Jahre alt geworden, in Leverkusen kann er sich in Ruhe entwickeln. Bei Bayern ist der Druck viel höher. Auch andere Spitzenvereine sind an Havertz interessiert, das ist kein Geheimnis. Ich bin mir sicher, dass es sein letztes Jahr in Leverkusen sein wird. Denn irgendwann kommt ein unmoralisches Angebot im dreistelligen Millionenbereich. Der FC Bayern ist im Rennen um diesen Topspieler, aber man muss sich gegen die große Konkurrenz in Europa mächtig strecken.

Trauen Sie Havertz eine Weltkarriere zu?
Er hat die Qualität dazu, Weltklasse zu werden und ist schon jetzt auf einem sehr guten Weg. Havertz kann sogar Weltfußballer werden, es wird ja mal wieder Zeit, dass ein Deutscher diese Auszeichnung erhält. Fast 30 Jahre ist es schon her, dass ich gewählt wurde. Wenn Havertz bei einem größeren Verein spielt und auch Titel gewinnt, wird er die Möglichkeit dazu haben.

Lesen Sie hier: Trotz Coutinho-Verpflichtung - Müller fürchtet nicht um Platz beim FC Bayern