AZ-Interview mit Löwen-Legende Werner Lorant
Löwen-Legende: "1860 in der Bundesliga erlebe ich nicht mehr"
21. November 2018, 6:00 Uhr aktualisiert am 21. November 2018, 6:25 Uhr
Löwen-Legende Lorant wird heute 70. In der AZ spricht er über den Klub, seine Karriere und die heutige Generation der Profis: "Waschlappen".
Der 70-Jährige Werner Lorant aus Welver (Nordrhein-Westfalen) spielte unter anderem für Essen, Dortmund und Frankfurt. Seine erfolgreichste Zeit als Trainer hatte er beim TSV 1860, den er zwischen 1992 und 2001 von der Drittklassigkeit bis in die Qualifikation zur Champions League führte. Heute lebt er in Waging am See.
AZ: Herr Lorant, ein Sechzger wird 70 - wir gratulieren zum Runden.
WERNER LORANT: Danke sehr! Ich bin gesund, mir gehts gut. Da kann ich mich mit 70 Lenzen nicht beklagen, oder?
Die Zeit der Löwen-Legende Lorant ist vorbei
Wie begehen Sie Ihren Ehrentag?
Dazu gehört ein Besuch bei meiner Mutter, das ist doch ganz klar. Sie ist schon 99 Jahre und wohnt in meiner Heimat (Welver in Nordrhein-Westfalen, d. Red.), aber sie ist noch gut in Schuss. Am Wochenende wird dann nachgefeiert, in Waging am See. Da lebe ich jetzt, fühle ich mich wohl und habe meine Ruhe.
Ein Fußballverein müsste also nicht mehr anrufen?
Nee. Ich hab noch ein paar Klubs geholfen, dass sie nicht absteigen müssen. Aber meine Zeit ist vorbei. Da lauf ich lieber mit Jackson (seinem Hund, d. Red.) am See herum.
Lorant über 1860: "Das war meine schönste Zeit"
Wie oft denken Sie an Ihre Karriere als Spieler, Trainer und Ihre größten Erfolge beim TSV 1860 zurück?
Natürlich denkt man noch daran. Ich hab eine Kiste daheim, da sind jede Menge Erinnerungen drin. Als ich Spieler war und Trainer. Außerdem will immer noch irgendjemand was von Sechzig wissen. (lacht) Meine Jahre dort haben mich geprägt, das war meine schönste Zeit. Zehn Jahre bei einem Verein, welcher Trainer schafft das heutzutage noch?
Kaum einer. Warum passten eigentlich Werner Lorant und die Löwen zwischen 1992 und 2001, als Sie den Klub als Drittliga-Aufsteiger bis in die Qualifikation zur Champions League geführt haben, so gut zusammen?
Ich war der Trainer und für das Sportliche zuständig. Ich hatte meinen Präsidenten (Karl-Heinz Wildmoser, d. Red.), der hat sich um den Rest gekümmert. Uns hat niemand dreingeredet. Auf dem Platz haben mir Bernhard Winkler und Peter Pacult die Tore geschossen, ich hatte Kämpfer drin wie den Thomas Miller - an dem kam keiner so leicht vorbei. Und haben die mal nicht gespurt, habe ich ihnen gezeigt, wo es langgeht. Das waren keine solchen Waschlappen wie heute.
Die jungen Spieler werden verhätschelt
Wie die heutige Spielergeneration?
Die Spieler sind doch heutzutage alle weichgespült. Keine Typen mehr! Mölders und Grimaldi sind welche, aber die jungen Spieler werden verhätschelt. Die brauchen alle jemanden zum Händchenhalten. Letztens, als ich mit Peter Grosser, Manni Schwabl und Miller bei der Christl saß (Estermann, Wirtin des Löwen-Stüberls, d. Red.), sind alle vorbeigelaufen nach dem Training. Die konnten nicht einmal "Guten Tag" sagen.
Wie beurteilen Sie die Spieler auf dem Rasen?
Wenigstens spielen sie nicht mehr in der Regionalliga. Dritte Liga ist schon besser, aber Sechzig München gehört woanders hin. Fertig.
Ihr einstiger Spieler Daniel Bierofka hat die Löwen aus der Regionalliga zum Aufstieg geführt. Welches Zeugnis stellen Sie ihm aus?
Er macht das schon ganz gut, auch wenn ich seine Jungs härter anpacken würde. Die letzten Ergebnisse waren nicht gerade rosig, aber das wird sich schon wieder ändern. Der Biero hat das Zeug dazu, länger zu bleiben als diese ganzen anderen Trainer nach mir. "Lass Dir von keinem dreinreden", habe ich ihm letztens gesagt. Das ist aber schwierig in einem Verein, wo sie alle mitreden wollen.
"Die Bayern stellen sich ausnahmsweise noch blöder an"
Die Vereinspolitik ist geprägt von Konflikten zwischen den Löwen-Bossen und Investor Hasan Ismaik. Haben Sie ein Erfolgsrezept parat?
Da sehe ich schwarz. Sechzig hat sich finanziell von Ismaik abhängig gemacht. Das zu kleine Grünwalder und die Jugendarbeit sind auch Puzzleteile, die momentan nicht passen. Jetzt wollen sie keine Schulden mehr, aber zahlen soll Ismaik trotzdem. Wer soll das noch verstehen? Sechzig zieht die 50+1-Regel, der Investor will sie weghaben. Wenn es funktionieren soll, müssen sie es doch intern selbst regeln. Ende! Aber eins muss ich auch sagen: Die Bayern stellen sich ausnahmsweise noch blöder an.
Was meinen Sie denn damit konkret?
Die Pressekonferenz mit Uli Hoeneß und Kalle Rummenigge - zum Totlachen! Und sie spielen einen Fußball, da kriege ich Augenkrebs. Bei Sechzig wackelt der Trainer ausnahmsweise mal nicht, dafür drüben an der Säbener. Der (Niko Kovac, d. Red.) war auch nur in Frankfurt gut. Bei den Bayern scheint er nicht auszukommen mit den großen Stars. Ein Jupp Heynckes hätte sich da nix vormachen lassen. Wenn ihr mich fragt, muss der Kovac weg - genauso wie der Bundestrainer.
Sie hätten Jogi Löw nach der WM gefeuert?
Aber hallo! Sagt doch schon alles, wenn Deutschland in der Vorrunde ausscheidet. Dann nimmt der diesen Sané (Leroy Sané, d. Red.) nicht mit. Jetzt sieht man, was der drauf hat. Und wenn so einer nicht spurt, musst du ihn als Trainer hinkriegen - und nicht zuhause lassen. Jetzt sind die auch noch abgestiegen. Und warum? Weil die Guten auf der Bank sitzen. Man sieht doch, woran man sich orientieren muss: Die Jungs von Borussia Dortmund spielen einen gepflegten Fußball, mit schnellen, gefährlichen Spielern vorne. Der Löw hat solche auch und lässt sie nicht spielen. An seiner Stelle würde ich Konsequenzen ziehen.
Lorants Geburtstagswunsch: "Sechzig muss hoch!"
Sprechen wir über Ihren Rauswurf bei Sechzig im Jahr 2001. Inwieweit hat das Ende Ihrer Ära, an die Sie bei anderen Vereinen nie anknüpfen konnten, an Ihnen genagt?
Überhaupt nicht. Das war doch ganz normal, dass der Präsident nach den ganzen Jahren mal sagt: "Ich will etwas anderes." Ich hatte eine schöne Zeit in der Türkei, in China und in der Slowakei. Sechzig war ja selber schuld. Zwei Jahre später - zack bumm, sind sie wieder abgestiegen.
Kürzlich war zu lesen, dass Sie die Polizei mit Alkohol am Steuer erwischt hat.
Ach, das ist schon über ein Jahr her. Ich hatte ein paar Bier zuviel, aber habe ja keinen umgefahren. Bezahlt habe ich nix, aber Sozialstunden im Altenheim gemacht und bei allem geholfen, was so anfiel. Da liegen ältere Leute, die werden von keinem mehr besucht. So will ich nicht enden.
Bleibt nur noch eins zu klären: Ihr Geburtstagswunsch an Sechzig?
Sechzig muss hoch! Aber das kann ich mir lange wünschen. Ich glaube: 1860 in der Bundesliga erlebe ich nicht mehr. Muss ich eben auch 100 werden, wie meine Mutter - dann hätte Sechzig zumindest ein bisschen mehr Zeit.