AZ-Interview
Giulia Gwinn: "Ich bin jetzt schon total verliebt in München"
26. Juni 2020, 10:52 Uhr aktualisiert am 26. Juni 2020, 10:52 Uhr
Im AZ-Interview spricht Giulia Gwinn über ihre Lieblingsplätze, den Endspurt mit Bayern und Idol Kimmich: "Ich mag sein Auftreten".
München - Die 20-jährige Nationalspielerin Giulia Gwinn ist seit dieser Saison beim FC Bayern.
AZ: Frau Gwinn, Sie spielen nun seit knapp einem Jahr beim FC Bayern. Haben Sie sich in München schon eingelebt?
Giulia Gwinn: Total. Am Anfang war es ein bisschen komisch, ich wohne ja zum ersten Mal allein. Aber ich wurde super aufgenommen vom Team, und mit der Zeit habe ich mich echt heimisch gefühlt. Ich bin jetzt schon total verliebt in die Stadt!
Was mögen Sie an München?
Mein Lieblingsplatz ist der Sportplatz am FC Bayern Campus (lacht) ...
...das müssen Sie jetzt sagen!
(lacht) Nee, es ist tatsächlich so, dort verbringe ich ja die meiste Zeit, und wir haben super Bedingungen vor Ort. Ansonsten bin ich auch sehr gerne im Olympiapark oder im Englischen Garten. Und da ich ja gerne shoppe, faszinieren mich die vielen Gelegenheiten zum Einkaufen.
"Wir möchten auch mal Richtung Platz eins schauen"
Sie haben bei der WM 2019 in Frankreich den Durchbruch geschafft, Ihr Tor zum 1:0-Sieg gegen China hat Sie bekannt gemacht. Es folgten die Wahl zur besten jungen Spielerin des Turniers, zur Nationalspielerin des Jahres, und der Wechsel aus Freiburg zum FC Bayern. Was hat sich seitdem in Ihrem Leben verändert? Können Sie überhaupt noch unerkannt durch die Straßen gehen?
Das war schon krass: Vieles, was ich mir als junges Mädchen mal erträumt habe, ist in einem Jahr nach und nach aufeinandergefolgt, wie in einem Film. Ich habe das immer noch nicht richtig realisiert. Das sind alles Sachen, auf die ich stolz sein kann und die mir viel Selbstvertrauen gegeben haben. Was meine Stellung in der Öffentlichkeit angeht, ist es so, dass ich auf der Straße schon öfter erkannt und um ein Foto gebeten werde, auch die Anfragen der Medien nehmen zu. Ich genieße das, weil es für mich eine gewisse Wertschätzung für meine Leistung darstellt.
Am Sonntag treten Sie zum letzten Saisonspiel mit dem FC Bayern bei der SGS Essen an, Sie müssen gewinnen, um sich den Champions-League-Platz definitiv zu sichern. Wie fällt das Fazit Ihrer ersten Saison in München aus?
Beim FC Bayern herrscht natürlich eine andere Erwartungshaltung, als ich das aus Freiburg kannte. Hier wird erwartet, dass man um Titel mitspielt. Ich glaube, wir haben dazu auch die Qualität im Kader und stehen zurecht auf dem zweiten Platz. Allerdings haben wir im Lauf der Saison auch ein paar Punkte unnötig liegen gelassen. Zurzeit sind wir aber richtig gut drauf und seit zwölf Pflichtspielen ungeschlagen, deshalb bin ich guter Dinge, dass das am Sonntag mit einem Sieg klappen wird.
Was fehlt noch, um Dauermeister VfL Wolfsburg mal wieder vom Thron zu stoßen?
Wolfsburg spielt schon seit Jahren sehr, sehr konstant. Gerade gegen die vermeintlich schwächeren Teams sind sie sehr dominant. Das fehlt uns noch ein bisschen, wir haben zum Beispiel in Duisburg (2:2, d.Red.) oder gegen Leverkusen (1:2) gepatzt. Ich bin aber für nächste Saison sehr positiv gestimmt. Wir haben viele gute junge Spielerinnen und möchten natürlich auch mal Richtung Platz eins schauen.
Gwinn über Kimmichs Spendenaktion: "Es geht um das Signal"
In den vergangenen Jahren haben viele Ihrer Nationalelf-Kolleginnen die Bundesliga Richtung Ausland verlassen. Läuft der deutsche Frauenfußball Gefahr, abgehängt zu werden?
Die Ligen in Spanien, England und Frankreich machen sehr viel für den Frauenfußball, investieren viel. Als deutsche Liga müssen wir jetzt dranbleiben, damit uns nicht der Rang abgelaufen wird. Ich sehe uns Spielerinnen in der Verantwortung, einfach guten Fußball zu spielen und dadurch Werbung für unsere Liga und uns zu machen, so dass auch bei uns noch mehr getan wird. Beim FC Barcelona zum Beispiel werden Frauen und Männer immer zusammen vermarktet. Das ist eine Idee, die man in Zukunft noch mehr verfolgen könnte.
Für Sie war es immer ein Traum, für den FC Bayern zu spielen. Sie waren als Kind schon Bayern-Fan.
Ja, das wurde mir in die Wiege gelegt, ich war von klein auf schon im Bayern-Trikot unterwegs. Meine ganze Familie - wir kommen ja vom Bodensee - war und ist Bayern-verrückt.
Wer ist Ihr Idol?
Joshua Kimmich. Er spielte als Rechtsverteidiger eine ähnliche Position wie ich. Ich mag seine Spielweise, seine Veranlagung, sein Auftreten auf und neben dem Platz. Von ihm kann ich mir immer was abschauen.
Sie unterstützen auch die Spendenaktion "We kick Corona", die Kimmich mit Leon Goretzka gestartet hat.
Ich hatte mir schon länger überlegt, mich sozial zu engagieren. Die Initiative von Kimmich und Goretzka hat mich von Anfang an total angesprochen. Anfangs hatte ich Bedenken, weil ich im Vergleich zu den Männer-Profis nicht so viel spenden kann, aber es geht ja nicht um die Höhe der Summe. Es geht um das Signal.
"Ich möchte mich als Stammspielerin bei Bayern etablieren"
Zum Fußball sind Sie gekommen, weil Sie mit Ihren Brüdern auf dem Bolzplatz neben dem Elternhaus gekickt haben. Jetzt sind Ihre Brüder sicherlich Ihre größten Fans.
Anfangs war das etwas schwierig, weil es natürlich an der Ehre kratzt, wenn die kleine Schwester besser ist als sie. Von daher musste ich mich durchsetzen. Aber ich hatte immer die Unterstützung und bald waren meine Brüder sehr stolz auf mich. Wann immer es die Zeit zulässt, besuchen sie mich in München oder kommen zu den Spielen.
Ihr Vertrag beim FC Bayern läuft noch bis 2022. Wo sehen Sie sich in zwei Jahren?
Ich wünsche mir, dass wir mit unserem jungen Team langfristig etwas aufbauen und dass wir uns über Jahre weiterentwickeln. Persönlich möchte ich mich als Stammspielerin etablieren und mit der Zeit in eine gewisse Führungsrolle hineinwachsen. Ich will so viel Spielzeit und so viele Erfolge wie möglich einsammeln.
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