Einbruch gegen Köln
FC Bayern: Hansi Flicks Linksfuß-Abwehr zeigt noch Schwächen
17. Februar 2020, 17:53 Uhr aktualisiert am 18. Februar 2020, 10:09 Uhr
Hansi Flick ist in der Defensive zum Improvisieren gezwungen - sein Experiment mit drei Linksfüßen in der Viererkette geht gegen Köln jedoch komplett in die Hose. "In der Champions League dürfen wir uns das nicht erlauben", mahnt Thomas Müller.
München/Köln - "Die zweite Halbzeit war so, dass man eher ein bisschen verärgert ist", sagte Hansi Flick nach dem mehr oder weniger souveränen 4:1-Erfolg beim 1. FC Köln am Sonntagnachmittag.
Zuerst spielten seine Bayern nämlich besser als unter Pep Guardiola, dann allerdings trübte ein missglücktes Abwehr-Experiment die Stimmung gewaltig: Neun Tage vor dem Achtelfinal-Hinspiel der Champions League beim FC Chelsea mischten sich beim FC Bayern in die Freude über die wiedererlangte Tabellenführung Unsicherheit und Zweifel. Und das, obwohl die Münchner beim Sieg über die Geißböcke eine Halbzeit lang Zauber-Fußball geboten hatten.
Manuel Neuer sortierte den Hansi-Flick-Fußball aus der ersten Halbzeit sogar über dem von vielen nostalgisch verehrten Guardiola-Fußball ein. "Das Passspiel war so gut wie unter Pep. Von daher kann man schon einen Vergleich ziehen", sagte der Kapitän und Torhüter: "Aber damals haben wir unsere Chancen nicht so gut genutzt. Pep erinnert sich sicher, wie er das ein oder andere Mal frustriert auf der Bank saß."
Lucas Hernández bringt die Defensive ins Wanken
Der aktuelle Trainer Flick schien am Sonntag trotz Erkältung auf einen entspannten Mittag zuzusteuern. Robert Lewandowski (3. Minute), Kingsley Coman (5.) und Serge Gnabry (12.) hatten für die schnellste 3:0-Auswärtsführung des FC Bayern in der Bundesliga gesorgt. Zur Pause brachte Flick dann den lange verletzten Lucas Hernández für Jérôme Boateng. Und der 80-Millionen-Mann erwies sich als Unsicherheitsfaktor an der Seite von David Alaba in der Innenverteidigung. "Es war ein Test, ob wir gegen Chelsea so spielen können", verriet Neuer: "Bei so einem Halbzeit-Stand kann man es mal probieren."
Fakt ist: Der Schuss ging nach hinten los. "Es war nicht leicht mit zwei Innenverteidigern, die über den linken Fuß kommen", stellte Neuer fest und erkannte auch Folge-Probleme in der Offensive: "Das Aufbauspiel war so nicht einfach, wir mussten viele lange Bälle schlagen und hatten nicht mehr so viel Spielfluss." Doch vor allem hinten haperte es gewaltig: Die Bayern ließen im zweiten Durchgang zwölf Kölner Torschüsse zu. Die meisten nach dem zweiten missglückten Wechsel, von Joshua Kimmich zu Corentin Tolisso, der mit seiner Leistung all denen Argumente lieferte, die ihn als Verkaufs-Kandidaten sehen.
Boateng und Pavard gegen Paderborn gesperrt
Insgesamt dreimal zappelte der Ball in Durchgang zwei im Netz des Rekordmeisters. Zwei Tore von Jhon Cordoba wurden wegen Abseits-Stellung aberkannt, Mark Uths Tor (70.) nach dem 0:4 durch Gnabry (66.) zählte und am Ende musste Neuer mit zwei Glanzparaden eine Zitterpartie wie im Pokal gegen die TSG Hoffenheim, die nach 1:4-Rückstand beinahe noch zum Ausgleich gekommen wären, verhindern. Ein Umstand, der Flick sichtlich verärgerte.
Sein Problem: Vor dem Achtelfinal-Hinspiel beim FC Chelsea wird er keine weitere echte Test-Möglichkeit mehr bekommen. Denn am Freitag gegen Paderborn (20.30 Uhr, DAZN und im AZ-Liveticker) sind in Benjamin Pavard und Boateng zwei Spieler aus der aktuellen Stamm-Viererkette gesperrt - die Abwehrreihe stellt sich also von alleine auf.
Umso wichtiger ist es, dass die Offensive funktioniert. Und mit dem Tempo, der technischen Qualität und der Passsicherheit der ersten Halbzeit würde auch Chelsea sicher Probleme bekommen. "Ich habe uns selten so spielfreudig gesehen. Das war überragend. Zum Zungeschnalzen. Furios", schwärmte Thomas Müller, der als erster Spieler seit Beginn der Datenerfassung am 22. Spieltag schon 14 Tor-Vorlagen auf dem Konto hat.
Thomas Müller: "Wir fühlen uns wohl zu sicher"
Doch auch Müller schimpfte über die zweite Halbzeit: "Da haben wir es uns wieder zu bequem gemacht. Wir fühlen uns wohl zu sicher, machen es uns zu gemütlich. Das ist menschlich. Aber in der Champions League dürfen wir uns das nicht erlauben."
Am Ende drehte sich so viel schon um Chelsea, dass der spannende Vierkampf in der Bundesliga fast zur Nebensache geriet. Dabei zeigte Müller sich beeindruckt von den Verfolgern. "Die Konkurrenz ist diesmal gut", sagte er. Und hatte deshalb eine Hoffnung. "Vielleicht haben die Leipziger, Gladbacher und Dortmunder den Fernseher schon zur Halbzeit ausgemacht", erklärte Müller schelmisch grinsend: "Dann haben sie nicht gesehen, dass wir verwundbar sind." Hansi Flick ist es in jedem Fall nicht entgangen.
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