EM 2016
DFB-Team zieht souverän ins Viertelfinale ein
26. Juni 2016, 20:08 Uhr aktualisiert am 26. Juni 2016, 20:08 Uhr
Ein Auftritt, der Mut macht für den Klassiker gegen Spanien oder Italien. Mit Hochgeschwindigkeitsfußball ist Deutschland ins EM-Viertelfinale eingezogen. Boateng, Özil und Draxler schießen den noch zu niedrig ausgefallenen Sieg gegen die Slowakei heraus.
Der Weltmeister kommt auf Touren und ist bereit für die ganz großen K.o.-Spiele. Mit einem starken Auftritt und einem EM-Rekordsieg ist die deutsche Nationalmannschaft ins Viertelfinale der Fußball-Europameisterschaft gestürmt. Der rechtzeitig von einer Wadenverhärtung genesene Abwehrchef Jérôme Boateng mit seinem ersten Länderspiel-Tor (8. Minute), Mario Gomez (43.) und Julian Draxler (63.) sorgten am Sonntag in Lille für den ungefährdeten 3:0 (2:0)-Sieg gegen völlig überforderte Slowaken. Mit der überaus dominanten Vorstellung zeigte sich die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw bestens gerüstet für den Viertelfinal-Klassiker am Samstag (21.00 Uhr) in Bordeaux gegen Titelverteidiger Spanien oder Ex-Weltmeister Italien.
"Das ist so ein schöner Moment, den will ich genießen und gar nicht mehr zurückdenken. Es macht riesigen Spaß in dieser Mannschaft zu spielen", sagte Torschütze Gomez und blickte bereits auf das Viertelfinale: "Jetzt kommen die Spiele, auf die wir uns freuen. Deshalb sind wir ja zur Euro gefahren. Wir wollen den Titel ganz klar. Und dafür musst du auch solche Mannschaften schlagen."
Der starke Wolfsburger Draxler sprach derweil von einem "schönen Tag für die Mannschaft und mich". Boateng freute sich über sein erstes Tor im DFB-Dress. "Es wurde auch Zeit, dass er mal reingeht", sagte der Verteidiger, dessen Wade keine Probleme bereitete. Seine Auswechslung sei eine Vorsichtsmaßnahme gewesen.
Vor 44 312 Zuschauern im Stade Pierre-Mauroy hätte der Sieg noch weitaus höher ausfallen können. Wieder einmal war die Chancenverwertung das einzige Manko im deutschen Spiel, Mesut Özil vergab sogar einen Foulelfmeter mit historischer Dimension (13.). Es war der erste Fehlschuss vom Punkt bei einer EM seit dem Fauxpas von Uli Hoeneß im Elfmeterschießen beim verlorenen Finale 1976 gegen die Tschechoslowakei.
Die deutsche Auswahl konnte es diesmal verschmerzen. "Ich liebe K.o.-Spiele über alles", hatte Löw vor dem Wiedersehen mit den Slowaken angekündigt und wurde mit dem zehnten Sieg in einem Alles-oder-Nichts-Spiel unter seiner Führung belohnt. Nicht nur das Ergebnis, auch die Leistung dürften dem Coach gefallen haben. Die deutsche Elf ließ den Slowaken mit Dauerdruck und tollen Kombinationen kaum Luft zum Verschnaufen. Wieder einmal funktionierte das Gegenpressing im Mittelfeld durch das starke Duo Toni Kroos und Sami Khedira, dazu ließen in der Abwehr Boateng und Mats Hummels auch im vierten Spiel kein Gegentor zu.
Boateng war es auch, der dem dreimaligen Europameister einen perfekten Start bescherte. Nach einer Ecke von Kroos traf Boateng mit einem satten 18-Meter-Schuss, der von der slowakischen Hintermannschaft leicht abgefälscht wurde. Der Bayern-Verteidiger, der in seinem 63. Länderspiel erstmals traf, rannte nach dem Tor sofort zu Teamarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt und Physiotherapeut Klaus Eder. Die medizinische Abteilung hatte Boateng nach einer Wadenverhärtung im Spiel gegen Nordirland (1:0) wieder rechtzeitig fit bekommen.
Auch nach dem schnellsten deutschen Treffer bei einer EM-Endrunde ging das Spiel weiter nur in Richtung des slowakischen Tores. Und nur fünf Minuten später hätte Özil auf 2:0 erhöhen können, doch der Elfmeter des Ausnahmetechnikers war zu unplatziert geschossen, so dass Matus Kozacik parieren konnte. Zuvor hatte Martin Skrtel den deutschen Stoßstürmer Gomez umgerempelt.
Der vergebene Elfmeter brachte die DFB-Elf aber nicht aus dem Konzept. Özil hatte nach Kopfball-Vorlage von Gomez eine weitere hochkarätige Möglichkeit per Dropkick (24.), dazu vergaben Kroos (16.) und Khedira (26.) aus der Distanz. Eine weitere gute Gelegenheit besaß Julian Draxler mit einem Drehschuss. (39.). Der Wolfsburger war für Mario Götze in die Startelf gerückt und agierte wesentlich agiler als noch bei seinen ersten Auftritten.
Die vielen vergebenen Möglichkeiten hätten sich kurz vor der Pause beinahe gerächt, als Juraj Kucka nach einer Flanke des Berliners Peter Pekarik mit einem Kopfball Manuel Neuer zu einer Parade zwang (41.). Noch vor vier Wochen hatte der EM-Debütant ein Testspiel gegen Deutschland mit 3:1 bei Blitz und Donner in Augsburg gewonnen, was Löw als "Weckruf" bezeichnete.
Die Hoffnungen auf einen ähnlichen Coup sanken aber schon in der 43. Minute auf ein Minimum. Nach einer feinen Einzelaktion von Draxler traf Gomez aus kurzer Entfernung. Für den Torschützenkönig aus der Türkei war es das 29. Länderspiel-Tor und das fünfte bei einer EM, womit er zum deutschen Rekordschützen Jürgen Klinsmann aufschloss.
Nach dem Hochgeschwindigkeits-Fußball in der ersten Halbzeit schaltete die DFB-Auswahl einen Gang herunter, was den Slowaken die Chance zu eigenen Angriffen ermöglichte. Der Distanzschuss von Kucka stellte für Neuer aber keine Gefahr dar (49.). Entschieden war das Spiel endgültig mit dem Tor von Draxler, der seine starke Leistung mit dem Volleyschuss ins Netz nach Hummels' Kopfball-Vorlage krönte.
Der Treffer war sogleich das Signal an Löw, Kräfte für höhere Aufgaben zu schonen. Draxler und Boateng machten in der 72. Minute für Lukas Podolski und Benedikt Höwedes Platz. Kurz darauf durfte auch Kapitän Bastian Schweinsteiger bei seinem 16. EM-Einsatz weitere Minuten Einsatzzeit sammeln, als er für den gelb-vorbelasteten Khedira eingewechselt wurde.