AZ-Interview mit Walter Junghans

Bayern-Torwart in Anfield: Ein Bild, das um die Welt ging


Erinnerung an Anfield: "Es erinnert mich noch heute an dieses Spiel und hängt bei mir zu Hause", sagt Junghans über das berühmte Foto, das ihn vor "The Kop" zeigt.

Erinnerung an Anfield: "Es erinnert mich noch heute an dieses Spiel und hängt bei mir zu Hause", sagt Junghans über das berühmte Foto, das ihn vor "The Kop" zeigt.

Von André Wagner

Walter Junghans stand 1981 beim letzten Duell der Bayern gegen Liverpool im Tor. Im Interview mit der AZ spricht er über ein spezielles Bild und eine einzigartige Atmosphäre.

München - AZ-Interview mit Walter Junghans: Der 61-Jährige stand zwischen 1977 und 1982 in 67 Spielen zwischen den Bayern-Pfosten, so auch beim letzten Gastspiel der Münchner in Liverpool.

AZ: Herr Junghans, das letzte Gastspiel des FC Bayern an der Anfield Road liegt unglaubliche 38 Jahre zurück. Am 8. April 1981 standen Sie im Tor und holten beim FC Liverpool ein 0:0. Wie haben Sie dieses Hinspiel im Europapokal der Landesmeister erlebt?
WALTER JUNGHANS: Ich war damals noch sehr jung, 22 Jahre. Von daher stellte das für mich eine außergewöhnliche Situation dar: ein Halbfinale! Ich war vor dem Spiel schon ziemlich angespannt, das muss ich zugeben. Wer hat schon die Möglichkeit, als so junger Kerl in einem Europacup-Halbfinale in der Startelf zu stehen? Dass ich dann zu null spielen konnte - ganz speziell.

Wie war die Atmosphäre in Anfield? Als Torwart vor "The Kop" zu stehen, der Stehplatz-Tribüne, mit 30.000 Plätzen die damals größte in Europa?
Einzigartig. Aber niemals unfair. Von den Rängen ist nichts in den Strafraum geflogen wie das sonst des Öfteren in Madrid oder in anderen südeuropäischen Stadien der Fall war. Auf dem Platz war das Geschehen hitzig, aber insgesamt okay.

Bei Youtube kann man ein paar Szenen von jenem Spiel finden. Die weißen Bayern-Trikots waren durch den matschigen Rasen bald nicht mehr weiß. Und Sie haben einige Bälle rausgefischt.
Der Platz war in keinem guten Zustand, sehr tief - aber für uns damals der Normalzustand, das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen mit den perfekten Bedingungen in nahezu allen Stadien. Das 0:0 war gerecht, wir konnten damit ganz gut leben. Es gab Chancen auf beiden Seiten, wir hätten ein Tor machen können.

Machen müssen. Die Stürmer Karl-Heinz Rummenigge und Dieter Hoeneß hatten gute Chancen, dazu kam ein Lattenschuss und ein nicht gegebener Elfmeter an Rummenigge.
Wir sind trotzdem mit einem guten Gefühl ins Rückspiel zwei Wochen später im Olympiastadion. Das 1:1 in München war sehr bitter, wegen der Auswärtstorregelung haben wir mit zwei Unentschieden das Finale verpasst.

Das Liverpool dann in Paris mit 1:0 gegen Real gewann. Zurück zur Anfield Road: Wie konnten Sie sich damals auf die Gegner vorbereiten?
Fast gar nicht. Vielleicht hat man mal das ein oder andere Spiel im Fernsehen gesehen, ein paar Ausschnitte höchstens. Das waren ganz andere Zeiten! Heutzutage schneiden die Videoanalysten jede erdenkliche Szene für den jeweiligen Gegenspieler zurecht.

Reisen ins Ungewisse.
Ein bisschen Abenteuer, ja. England war jetzt nicht so weit weg, bei Reisen nach Osteuropa war das alles noch extremer.

Das berühmte Foto mit Ihnen und den tausenden Gesichtern in Ihrem Nacken...
...erinnert mich noch heute an dieses Spiel und hängt bei mir zu Hause. Wenn ich das anschaue, denke ich manchmal: Bist du das wirklich?

Warum?
Weil ich wenige Jahre zuvor beinahe meine Karriere beenden musste.

Wie kam das?
1977 bin ich von meinem Jugendverein SC Victoria Hamburg nach München gewechselt, erhielt einen Vertrag als Olympia-Amateur. Nach eineinhalb Jahren habe ich mir den Arm gebrochen, bei einer OP musste mir eine Platte eingesetzt werden. Also war ich froh, dass mein Vertrag verlängert wurde. Nach Sepp Maiers schwerem Autounfall (am 14. Juli 1979, d. Red.) und dessen Karriereende kam ich zur neuen Saison plötzlich in die erste Elf - mit der Platte im Arm. Das ging alles so brutal schnell. Ein Freund schrieb einmal: Weißt du, dass du der jüngste Torhüter bist, der als Stammspieler Meister (1980, d. Red.) wurde? Wusste ich damals nicht.

Was trauen Sie den Bayern in den Duellen mit Liverpool zu?
Alles. Unsere Mannschaft ist stark genug, dort zu bestehen. Aber wie so häufig werden auf diesem Niveau Details entscheiden, Kleinigkeiten.

Was halten Sie von Liverpools Keeper Alisson Becker?
Für mich ist er einer der Top-5-Torhüter weltweit. Aber Manuel Neuer ist ein außergewöhnlicher Torhüter. Einzigartig, wie er seine Qualität über Jahre auf konstant hohem Niveau hält.

Und wenn er wegen seiner Daumen-Verletzung in Liverpool nicht auflaufen kann?
Sollte Sven Ulreich spielen, habe ich keinerlei Bedenken. Sven hat letzte Saison, als Manuel lange verletzt gefehlt hat, eine sehr gute Runde gespielt.

1982 verpflichteten die Bayern den Belgier Jean-Marie Pfaff als neue Nummer eins, Sie wechselten zum FC Schalke.
Da hatte ich keine einfache Zeit, zwischen gut und brutal schwierig inklusive Abstieg 1983 und Wiederaufstieg 1984. Ich mag den Verein trotzdem immer noch, bekomme jedes Jahr zum Geburtstag Blumen.

1987 gingen Sie zu Hertha BSC in die damals drittklassige Oberliga.
Auch dort habe ich alles erlebt, zwei Aufstiege, einen Abstieg.

Anders als auf Schalke wurden Sie Publikumsliebling.
Es war eine besondere Beziehung, noch heute fiebere ich mit der Hertha mit. Da ist immer noch viel Sympathie.

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