AZ-Exklusiv-Interview
Bayern-Kenner Stoiber: Hoeneß will als Präsident weitermachen
24. November 2018, 13:02 Uhr aktualisiert am 24. November 2018, 13:02 Uhr
Der frühere Ministerpräsident Edmund Stoiber spricht in der AZ über die Zukunft des FC Bayern - und schwärmt von Trainer Niko Kovac. "Er hat alle Anlagen. Er kann einer werden wie Jürgen Klopp".
München - AZ-Interview mit Dr. Edmund Stoiber. Der 77-Jährige war von 1993 bis 2007 Ministerpräsident Bayerns, seit 2007 ist er Ehrenvorsitzender der CSU. Er sitzt im Aufsichtsrat des FC Bayern.
AZ: Herr Stoiber, Uli Hoeneß hat angekündigt, dass der FC Bayern im Sommer 2019 kräftig in neue Spieler investieren wird. Sie als Aufsichtsrat entscheiden bei jedem Transfer über 25 Millionen Euro mit. Wie groß ist der finanzielle Spielraum des Klubs?
EDMUND STOIBER: Zunächst muss man sagen, dass der Umbruch bereits eingeleitet ist. Wir haben mit Kingsley Coman vor Jahren einen Spieler geholt, der alle Anlagen hat, ein großer internationaler Star zu werden. Der hat uns in den vergangenen Monaten natürlich gefehlt. Einen solchen Flügelstürmer sehe ich sonst nicht in der Bundesliga. Es gibt dazu auch Leon Goretzka, Serge Gnabry, Corentin Tolisso, Niklas Süle und Joshua Kimmich. Inzwischen ist auch bereits das 18-jährige Supertalent Alphonso Davies aus Kanada in München bei der Mannschaft. Kimmich ist in seinen jungen Jahren ein herausragender Spieler. Er hat Substanz - in jeder Beziehung. Es entwickelt sich gerade eine neue Achse, auch im Nationalteam: Mit Neuer, Süle, Kimmich, Gnabry und Goretzka. Da ist schon sehr viel Musik drin.
Und doch: Weitere Transfers sollen her, um international konkurrenzfähig zu bleiben. Von Investitionen in Höhe von bis zu 200 Millionen Euro ist die Rede.
Über genaue Summen möchte ich nicht reden. Was ich sagen kann: Wir haben für Tolisso damals 41,5 Millionen Euro ausgegeben. Da ist sicherlich noch mehr möglich. Und es muss ja etwas getan werden, wenn die beiden Großen, Franck Ribéry und Arjen Robben, nach zehn Jahren überragender Präsenz und Prägung des FC Bayern im Sommer 2019 ausscheiden. Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge werden rangehen an junge Talente. Man darf ja nicht vergessen, dass ein Spieler wie Weltmeister Benjamin Pavard eine Stütze in der Abwehr sein könnte. Im Sturm wird sicher auch noch etwas passieren. (Lesen Sie dazu hier: Diese Bayern-Stars spielen auf Bewährung)
James Rodríguez würde 42 Millionen kosten, falls Bayern die Kaufoption zieht. Wird das passieren?
James ist ein herausragender Spieler, das hat er oft bewiesen, vor allem im Champions-League-Halbfinale in Madrid vergangene Saison. Ich würde James mit seinen besonderen Begabungen zu gerne weiter bei Bayern sehen. Das ist schon einer, der ein Spiel lesen und entscheiden kann. Ich habe nichts anderes gehört, als dass man ernsthaft erwägt, diese Option zu ziehen.
Jupp Heynckes hat in der AZ gesagt, dass James eine "hochsensible Seele" sei. Muss sich Trainer Niko Kovac noch mehr um James kümmern?
Das tut Kovac bereits. Ich halte es für generell eine große Entscheidung, einen so jungen Trainer wie ihn zu Bayern zu holen. Er hat Frankfurt in der Relegation vor dem Abstieg gerettet und dann eine Mannschaft entwickelt, die in der Spitzengruppe der Bundesliga gespielt und den Pokal geholt hat. Kovac ist ein Trainer, der alle Anlagen hat. Er kann einer werden wie Jürgen Klopp, der in Mainz glänzend war und dann die große Identifikationsfigur in Dortmund und jetzt in Liverpool wurde. Eine solche Entwicklung halte ich auch bei Kovac für möglich.
Sie meinen, Kovac kann eine Karriere wie Klopp hinlegen?
Ja, ich traue ihm das zu. Er muss die Chance, die man ihm gegeben hat, jetzt nutzen. Wir haben intern klar gesagt: Der ist es, der kann es! Kovac kann wie Klopp von einem guten Trainer zu einem Spitzentrainer bei einem europäischen Topklub werden.
Aber wie viel Geduld kann sich der FC Bayern tatsächlich erlauben bei Kovac, wenn es weiter nicht optimal läuft?
Wir haben schon Geduld, Kovac kriegt die Zeit. Ich habe nicht den Eindruck, dass bei den Fans eine Katastrophenstimmung herrscht. Da akzeptiert man, dass wir uns in einem Umbruch befinden. Es ist jetzt die Herausforderung für Kovac, nach dem guten Beginn, den Rückschlägen und den Diskussionen, die es anscheinend in der Mannschaft gibt, dieses Team zu stabilisieren und zu zeigen: Ich bin ein Guter und ich werde noch besser.
Wäre es für die Bundesliga nach sechs Bayern-Meisterschaften nicht mal gut, wenn Dortmund den Titel holt?
Das fragen sie den Verkehrten (lacht). Es ist gar keine Frage, dass Dortmund eine hervorragende Mannschaft hat. Auch Gladbach spielt eine starke Saison, Leipzig ist ein echter Spitzenklub geworden. Es tut sich was in der Bundesliga. Die sieben Punkte Rückstand auf Dortmund sind viel, aber auf die ganze Saison bezogen sind das zwei Niederlagen und ein Remis, wobei der BVB auch ein tolles Torverhältnis hat. Es wird nicht leicht. Aber ich traue es unserer Mannschaft und Kovac zu. Ich bin seit über 50 Jahren Mitglied des Vereins und habe alle Bayern-Trainer in der Bundesliga erlebt. Wir hatten beim FC Bayern große Trainer. Da war Jupp Heynckes, der Überragende, da waren Cajkovski, Lattek, Hitzfeld, van Gaal und selbstverständlich Guardiola. Das sind Konzepttrainer gewesen. Ich traue es Kovac zu, in diese Liga aufzusteigen.
"Rummenigge hat die Qualität, ein Dax-Unternehmen zu führen"
Kommenden Freitag findet die Jahreshauptversammlung statt, im Jahr 2019 dann die nächste Präsidentenwahl. Werden Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge, dessen Vertrag 2019 ausläuft, bei Bayern weitermachen?
Absolut, da bin ich mir persönlich sicher. Kalle brauchen wir als Vorstandsvorsitzenden. Er macht das ausgezeichnet. Er hätte auch die Qualitäten, ein Dax-Unternehmen zu führen. Es werden in absehbarer Zeit Gespräche über eine Verlängerung stattfinden - oder Uli und er sprechen sogar schon. Uli will Gott sei Dank nach eigenem Bekunden 2019 noch mal antreten als Präsident. Aber auch mit der klaren Vorstellung, dass er in der nächsten Amtsperiode seine Nachfolge regeln will. In den nächsten drei Jahren werden die Weichen für die Zukunft gestellt.
Erkennen Sie bei Hoeneß eigentlich Parallelen zu Franz Josef Strauß?
Da gibt es Ähnlichkeiten. Strauß hat die CSU geprägt, er verkörpert diese großartige Partei bis heute am intensivsten. Bei Uli und dem FC Bayern ist es ähnlich. Er, Franz Beckenbauer und Rummenigge sind die alles überragenden Figuren dieses Vereins, wozu natürlich historisch auch der langjährige Präsident Kurt Landauer gehört. Die Bayern-Fans haben immer zu Uli gehalten, auch als er im Gefängnis war. Sie wollten ihn zurückhaben. Uli hat Bayern groß gemacht, er ist das Herz, die Seele des Vereins.
Kann Hoeneß seinen FC Bayern überhaupt loslassen?
Das Aufhören ist definitiv immer schwerer als das Anfangen (lacht). Das ist im Sport genauso wie in der Politik oder Wirtschaft. Ich habe großes Vertrauen in die Fähigkeit von Uli und Kalle, die richtigen Personen für ihre Nachfolge zu finden.
Wer könnte das sein? Die Namen Oliver Kahn und Philipp Lahm fallen immer wieder.
Man muss sich entscheiden, ob man weiter den Weg gehen kann, dass der Verein ehemalige überragende Fußballer an der Spitze hat. Ich wäre dafür, dass diese Besonderheit fortgesetzt wird. Die Frage ist, wer auch die betriebs- und volkswirtschaftlichen Voraussetzungen und die Führungsqualitäten dafür mitbringt. Mit dem Anspruch des FC Bayern, national und international erfolgreich zu sein. Wir haben ja große Ex-Spieler, die große Kommentatoren sind. Jeder kennt sie. Aber es ist ein Unterschied, ob du analysierst oder ob du eine Führungsposition in einem Topklub wie Bayern übernimmst. Es ist nicht die Norm, dass überragende Ex-Fußballer solche Aufgaben übernehmen. Ich hoffe, dass Hoeneß und Rummenigge es gelingt, dies fortzusetzen.
Lesen Sie in Teil zwei am Sonntag, was Edmund Stoiber über angebliche Super-League-Ambitionen des FC Bayern München sagt und wie der FC Bayern mit schwerreichen ausländischen Klubs mithalten will.