Dingolfing/Florida
Marco Sturm beendet seine Karriere: "Ich höre als glücklicher Mensch auf"
26. Januar 2014, 22:48 Uhr aktualisiert am 26. Januar 2014, 22:48 Uhr
Nach BMW war der 35-jährige Eishockeystar Marco Sturm Dingolfings größter Exportschlager. Mehr als 1 000 Spiele absolvierte der Außenstürmer in der besten Eishockeyliga der Welt und erzielte dabei mehr als 250 Treffer. Zudem nahm er an drei Olympiaden teil. Nach mehreren schweren Verletzungen schaffte er ein sensationelles Comeback in der vergangenen Saison in der DEL bei den Kölner "Haien". Doch nun macht Sturm endgültig Schluss und hängt seine Schlittschuhe an den Nagel. Im exklusiven Interview mit Andy Forster blickt der Dingolfinger Ausnahmesportler auf seine einzigartige Karriere zurück.
Marco nach langen Überlegungen hast du dich entschlossen, deine Karriere zu beenden. Was sind die Gründe?
Marco Sturm: Es war im Endeffekt dieselbe Situation wie im vergangenen Jahr. Ich habe im Sommer hart trainiert und natürlich auf eine Chance gehofft noch einmal in der NHL oder vielleicht sogar in Deutschland zu spielen. Doch letztendlich war der Wille nicht mehr da und deswegen habe ich mit entschlossen meine Karriere zu beenden. Wenn ich etwas mache dann natürlich mit hundertprozentiger Entschlossenheit.
Du hast lange überlegt und sicherlich lange mit dir gerungen. War es schwer den Rücktritt zu verkünden?
Marco Sturm: Natürlich war es eine schwere Entscheidung, da ich ja lange Eishockey gespielt habe und sowas gibt man nicht gerne auf. Doch mein Akku war leer und man muss ja auch sagen: Mir geht es gut, die Verletzungen sind auskuriert und jetzt genieße ich einfach die Zeit mit meiner Familie. Aber sicherlich tut es schon weh, dass ich jetzt nicht mehr Eishockey spiele.
Du hast mehr als 1 000 NHL-Spiele absolviert und dabei mehr als 200 Treffer erzielt. Zudem bist du deutscher Rekordspieler. Das klingt doch wie ein Märchen für einen deutschen Spieler...
Marco Sturm: Auf alle Fälle. Persönlich habe ich mehr erreicht als ich mir je erträumen hätte können. Wenn man die ganze Karriere betrachtet war es einfach eine überragende Sache und ich kann wahrlich stolz darauf sein. Vor allem hätte ich nicht gedacht, dass ich so lange in der NHL spiele und dann auch noch konstant meine Punkte und Tore erziele.
Die letzten Jahre waren hingegen sehr hart. Die vielen Verletzungen passierten in einer Phase, wo es eigentlich nur bergauf gegangen war...
Marco Sturm: Der erste Kreuzbandriss war im Endeffekt kein Problem. Da bin ich motiviert zurückgekommen und habe in der darauffolgenden Saison wieder mehr als 20 Treffer erzielt. Der Knackpunkt war letztendlich der zweite Kreuzbandriss. Das war natürlich auch für den Kopf sehr hart. Da hast du schon Recht.
Gleich in deinem ersten NHL-Spiel hast du für die San Jose "Sharks" einen Treffer erzielt. Kannst du dich eigentlich noch genau daran erinnern?
Marco Sturm: (lacht) Natürlich. Das war gegen Chicago und ich war zunächst auf der Strafbank. Als die Strafe abgelaufen war, hat Marty McSorley die Scheibe herausgespielt und ich im Alleingang das Tor erzielt. Sowas vergisst man nicht. Bevor du fragst: Den Puck habe ich immer noch. So ein Erinnerungsstück muss man sich aufheben.
Zu dieser Zeit hast du von der Presse den Spitznamen "The German Rocket" bekommen, da deine große Stärke die Schnelligkeit war. Hat er dir jemals gefallen?
Marco Sturm: Der Spitzname charakterisierte schon ein wenig meine Art Eishockey zu spielen. Die Schnelligkeit war meine große Stärke und vor allem nach dem zweiten Kreuzbandriss habe ich gemerkt, dass ich an diese Schnelligkeit nicht mehr herangekommen bin. Der Spitzname selbst war Titel eines Buches über mich und einige Reporter haben ihn mir gegeben. So oft habe ich ihn aber eigentlich nicht gehört.
Gibt es einen Moment in der NHL den du nie vergessen wirst? Welche Szenen und Treffer würden in einem "Sturmi`s Best-Of" nie fehlen?
Marco Sturm: Rückblickend gibt es sicherlich zwei oder drei Momente, die zu meinen persönlichen Favoriten gehören. So zum Beispiel das erste NHL-Spiel und das erste Tor in der NHL. Ein Höhepunkt war mit Sicherheit auch die etwas verrückte Play-Off-Serie gegen Montreal, als ich das entscheidende Tor erzielt habe. Nicht zu vergessen natürlich der Treffer in der Verlängerung in den Winter-Classics 2010 im Fenway-Park in Boston mit den Bruins gegen Philadelphia.
Du hattest in der NHL insgesamt sechs verschiedene Vereine beziehungsweise Stationen. Wo hat es dir am besten gefallen?
Marco Sturm: Ich hatte das Glück bei hervorragenden Vereinen zu spielen und jeder Verein hatte etwas Besonderes. Ich denke natürlich gern an die Zeit in San Jose zurück, weil es natürlich meine erste Station war. In Boston habe ich auch einige Jahre verbracht und viele Freunde kennengelernt. Letztendlich habe ich mich aber überall wohl gefühlt.
Du hast relativ früh mit dem Eishockey begonnen. Wer hat deiner Meinung nach den größten Anteil an deiner erfolgreichen Karriere?
Marco Sturm: Da gibt es viele. Zum Beispiel meinen Vater, der mich jeden Tag nach Landshut ins Training gefahren hat und mich gepusht hat. Generell sind die Eltern in dieser Phase sehr wichtig und auch beim EV Landshut bin ich im Nachwuchs hervorragend gefördert worden, bis hin zur Ersten Mannschaft.
Beim EV Landshut hat man schnell dein Talent erkannt und trotz der damaligen Ausländerschwemme auf dich gesetzt. Hat Manager Max Fedra damals viel Mut bewiesen?
Marco Sturm: Ich hätte natürlich auch woanders spielen können. Landshut hatte zu dieser Zeit eine Top-Mannschaft und man muss sich vorstellen: Da kommt ein 16-jähriger Bursche und will in diesem Spitzenteam viel Eiszeit. Max Fedra hat uns damals versprochen, dass ich diese Eiszeit bekomme und ein fester Bestandteil in der Mannschaft werde. Dieser Versprechen hat er eingehalten, sowie man ihn halt kennt. Das hat mir auch in den folgenden Jahren - insbesondere in den ersten NHL-Jahren - sehr viel gebracht.
Du hast letztes Jahr noch einmal in der DEL in Köln gespielt. Wie hat sich das Eishockey in Deutschlands in den letzten Jahren deiner Meinung nach entwickelt?
Marco Sturm: Die Entwicklung in der deutschen Eishockey-Liga ist in den vergangenen zehn Jahren mehr als positiv. Wichtig ist jetzt aber auch, dass man mit der Nationalmannschaft auch in die richtige Spur findet. Das Niveau in der Liga ist für deutsche Spieler ausgezeichnet.
Damit wären wir zwangsläufig beim Thema Nationalmannschaft. Du hast unter anderem drei Olympische Spiele für die deutsche Nationalmannschaft bestritten. Wie stolz ist man, wenn man bei Olympia für Deutschland aufläuft...
Marco Sturm: Die drei Olympiaturniere waren allesamt ein Highlight. Ob Vancouver, Turin oder Nagano: Jede Olympiade hat etwas Besonderes. Generell habe ich immer gerne für die Nationalmannschaft gespielt und war gerne bei den großen Turnieren dabei. Unter der Saison war ich ja nie dabei, da zu dieser Zeit die NHL-Saison gelaufen ist.
Es gab aber auch Kurioses mit der Nationalmannschaft: 2006 hast du bei der damaligen B-Weltmeisterschaft gegen Israel gespielt. Da gab es mit Sicherheit den einen oder anderen Spruch der Teamkollegen über den Eishockey-Zwerg?
Marco Sturm: Da waren schon ein paar lockere Sprüche dabei (lacht). Das war auf jeden Fall eine interessante Woche mit Spielen gegen Israel oder Japan. Doch viel wichtiger war für mich, dass ich dem deutschen Eishockey in dieser schweren Phase helfen wollte. Eines ist nämlich klar: Die deutsche Nationalmannschaft gehört in die A-Gruppe und das haben wir ja dann geschafft.
Nun zum Privaten: Was würdest du deinem Sohn entgegnen, wenn er den Papa fragt, ob er Eishockeyprofi werden kann...
Marco Sturm: (lacht) Das hat er natürlich schon. Er spielt ganz gut, aber ich werde ihm da natürlich keinen Druck machen. Das ist allein seine Entscheidung. Trotzdem muss ich sagen, dass ich dem Eishockey natürlich viel zu verdanken habe. Ich habe viel gelernt und zwar nicht nur wichtige Tugenden, sondern auch eine gewisse Eigenständigkeit. Ich bin ja schon mit 18 Jahren alleine in Amerika gewesen und das hat mir auch fürs Leben viel gebracht.
Wie schön ist es generell für dich die Zeit, die du jetzt mit deiner Familie verbringen kannst?
Marco Sturm: Die Familie war schon immer die Nummer eins für mich. Nun habe ich halt mehr Zeit für meine Frau und meine Kinder. Das ist natürlich eine schöne Zeit, die ich jetzt ausgiebig genieße. Trotzdem freue ich mich auf die Zukunft und mal schauen, was ich so vorhabe.
Du bist immer zu deinen niederbayerischen Wurzeln gestanden. Kommt jetzt auch das Heimweh nach der Karriere oder bleibst du in Amerika?
Marco Sturm: Ich bin gerne in Niederbayern, weil dort meine Familie und auch Freunde leben. In Amerika fühlen wir uns aber genauso wohl und haben deswegen vor, dort länger zu bleiben. Das Leben hier ist schon schön, aber man weiß nie, was in der Zukunft so passiert.
Wie sieht der Karriereplan nach der Spielerlaufbahn aus? Kann es einen Trainer Marco Sturm geben?
Marco Sturm: Das glaube ich eher nicht. Ich trainiere zwar momentan ein paar Jugendmannschaften und das macht mir riesigen Spaß, aber als Trainer im Profibereich werde ich mit großer Wahrscheinlichkeit nicht arbeiten.
Wie würdest du abschließend deine Karriere in ein paar Sätzen zusammenfassen?
Marco Sturm: Ich habe mir meinen absoluten Traum, den ich ab dem 14. Lebensjahr gehabt habe, ermöglicht. Die NHL war immer mein großes Ziel und ich habe dort lange Jahre verbracht. Dem zufolge bin ich ein glücklicher Mensch und blicke gern auf die schönste Zeit in meinem Leben zurück. Eishockey war immer meine große Leidenschaft.