Parteispenden-Affäre
Schaidingers Abrechnung: Exklusive Auszüge aus Buch des Regensburger Alt-OB
22. Juli 2024, 13:27 Uhr
Im Zuge der Regensburger Parteispendenaffäre wurde auch gegen den früheren Oberbürgermeister Hans Schaidinger (CSU) wegen des Verdachts der Bestechlichkeit ermittelt. Bis 2020 wurden sämtliche Verfahren gegen ihn eingestellt. Seine Erfahrungen aus dieser Zeit hat der 75-Jährige, der von 1996 bis 2014 an der Regensburger Stadtspitze stand, in dem Buch „Schlussabrechnung – (K)ein Kriminalroman“ festgehalten.
Das 160-Seiten-Buch erscheint im Verlag Attenkofer, zu dem auch die Regensburger Zeitung gehört. Ab Mitte September ist das Buch (21,80 Euro, ISBN: 978-3-947029-63-1) im Buchhandel und in den Geschäftsstellen der Mediengruppe Attenkofer erhältlich. Vorbestellungen sind ab sofort möglich unter www.verlag-attenkofer.de.
Ebenfalls ab Mitte September ist außerdem ein Podcast der Mediengruppe Attenkofer zum Thema auf Spotify abrufbar, „Die Akte Schaidinger“.
Im Folgenden drei exklusive Auszüge aus dem Buch.
Aus dem Vorwort
In den ersten Tagen nach meinem Amtsantritt im Mai 1996 konfrontierte ich meine Familie mit meiner Überlegung, dass ich, solange ich in Regensburg Oberbürgermeister wäre, auf keinen Fall in Regensburg eine Eigentumswohnung oder ein Haus kaufen wolle.
Wir lebten mit der Familie seit 1984 in unserem Haus in Regensburg, und ich wollte für meine Amtszeit sicher gehen, dass ich nicht wegen eines Immobilienkaufs eine zu große Nähe zu einem Immobilieninvestor oder Bauträger eingehen musste. Ich wollte mir selber nicht vorhalten müssen, hinsichtlich des Preises und der Konditionen eines Immobilienerwerbs mit einem Bauträger, mit dem ich dienstliche Berührungspunkte nicht vermeiden konnte, in Verhandlungen um günstige Konditionen treten zu müssen. Ich hatte mir auch vorgenommen, mich, solange ich Oberbürgermeister bin, nicht aktiv in eine Wahlkampffinanzierung einzuschalten und vor allem, nicht selbst um Parteispenden für einen Wahlkampf zu werben.
Wenn man sich um viele Dinge intensiv kümmern muss und dabei frei bleiben will von Einflüssen, die einem die Übersicht und die Unabhängigkeit bei den dienstlichen Entscheidungen nehmen können, dann gibt es nur eine Lösung: Distanz schaffen und Distanz halten.
Distanz zu den Themen, damit man den Überblick behalten und das Für und Wider einer Entscheidung unbefangen abwägen kann und Distanz zu Personen, damit man bei seinen Entscheidungen nicht unbewusst oder sogar bewusst fremden Einflüssen oder sogar persönlichen Abhängigkeiten ausgesetzt ist.
So habe ich es denn auch in Bezug auf beide Vorsätze während meiner ganzen Amtszeit gehalten. Nicht jedem, der gerne ein freundschaftliches Verhältnis mit mir neu aufbauen wollte, war das recht. Ich fand es trotzdem notwendig und war überzeugt davon. Natürlich habe ich keine Freundschaften aus früheren Zeiten bewusst beendet; aber die Tatsache, dass bei Freunden aus früherer Zeit das Wort umging, dass „... der Hans bei dienstlichen Themen freundschaftsresistent sei, ...“ zeigt, dass ich meine Einstellung wohl gut umsetzen und durchhalten konnte. Dass mich diese Überzeugung und das darauf basierende Verhalten nicht davor bewahren würde, einer insgesamt dreieinhalb Jahre währenden Verfolgung wegen angeblicher Korruptionsstraftaten ausgesetzt zu sein, hätte ich mir niemals träumen lassen.
Aus dem Kapitel: Der Beginn
Geschlagene 41 Tage später, am 19. Januar 2017, sitze ich in der Mittagszeit im Auto auf dem Weg zu einer Ausschusssitzung des BR-Rundfunkrats in München. Ich bin kurz vor dem Autobahnkreuz Eching, als mein Mobiltelefon läutet.
Ich nehme über die Freisprechanlage ab und ein Kriminalhauptkommissar (KHK) der Kriminalpolizeiinspektion Regensburg teilt mir mit, dass man einen Hausdurchsuchungsbeschluss habe und mit dem notwendigen Personal vor meiner Grundstückseinfahrt stünde; auf das Klingeln aber niemand öffne.
Im Nachhinein habe ich mich gewundert, dass ich in diesem Moment relativ ruhig geblieben bin. So biete ich an, an der nächsten Autobahnausfahrt umzudrehen und nach Regensburg zurückzukehren. Der KHK sichert mir zu, zu warten und in der Zwischenzeit keine weiteren Maßnahmen zu ergreifen. Natürlich überlege ich nach diesem Moment fieberhaft, was in der Zeit, bis ich zuhause bin, zu tun ist. Klar ist: ich brauche anwaltlichen Beistand. Deshalb halte ich kurz auf einem Autobahnparkplatz, um eine Anwältin anzurufen, die mich mehrfach in meiner Dienstzeit als Oberbürgermeister bei Vernehmungen, denen ich als Zeuge – nicht als Beschuldigter! – Folge leisten musste, als Zeugenbeistand begleitet hat. Wie es in solchen Fällen passiert, war diese Anwältin in einem Termin und nicht erreichbar. Aber immerhin hat mich ein Kanzleikollege kurz darauf zurückgerufen und mir einige Hinweise gegeben, die selbstverständlich erscheinen, die man bei so einer Anspannung aber nicht per se auf dem Schirm hat:
- freundlich, aber nicht devot auftreten,
- nicht drängeln lassen, sich Zeit für die sorgfältige Durchsicht des Durchsuchungsbeschlusses ausbitten,
- sich zurückhaltend kooperativ, aber nicht eilfertig verhalten,
- keine Aussagen zu den Beschuldigungen machen,
- keine Fragen beantworten,
- keine Unterlagen etc. freiwillig herausgeben,
- weder der Hausdurchsuchung noch der Mitnahme von Unterlagen oder Gegenständen zustimmen.
Die Hausdurchsuchung verlief förmlich, manche Suchvorgänge sind mir als nicht nachvollziehbar erinnerlich, manche Überlegungen der Beamten, bestimmte Dokumente schnell und ohne nähere Betrachtung beiseite zu legen, auch. Ich habe diesen massiven Eingriff in meine Privatsphäre wegen der Spannung, unter der man wohl unweigerlich in dieser Situation steht, relativ gelassen über mich ergehen lassen.
Erst in den Tagen danach ist mir der massive Grundrechtseingriff so richtig bewusst geworden. Unsere Katze hat da viel schneller reagiert. Sie war im Wohnbereich, als ich Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei eingelassen habe.
Schon nach einigen Minuten hat sie das Rückenfell aufgestellt, geknurrt und wollte nur noch raus, um nicht länger mit dem Durchsuchungspersonal in einem Raum sein zu müssen.
Aus dem Kapitel: Nomen est Omen? Die Nibelungenkaserne
Halt! Da war doch noch was? Ja, genau! Die Beschuldigung, ich hätte zu meiner Dienstzeit das Angebot für einen kostenlosen Segeltörn mit einer Segelyacht von BTT erhalten und angenommen. Auch das hätte natürlich ein Vorteil sein können, der zu Spekulationen Anlass hätte geben dürfen.
Im Zwischenbericht der Kriminalpolizei an die StA Regensburg vom 23. November 2016 berichtet die Kripo, dass der Geschäftsführer von BTT mir am 13. April 2014 geschrieben habe, die INO und die Saratoga stünden mir zur Verfügung. Nur zum besseren Verständnis: Die INO ist eine Segelyacht, die Saratoga ist ein Flugzeug.
Ich habe auf diese Offerte wie auf viele ähnliche, die man als Oberbürgermeister bekommt, nicht reagiert. Erst nach meiner Dienstzeit habe ich dann das Flugzeug – selbstverständlich gegen Kostenbeteiligung – genutzt. BTT war zu diesem Zeitpunkt ein Geschäftspartner, und der Geschäftsführer nach wie vor ein Bekannter, dessen Angebot ich nun, aus dem Amt geschieden, genauso annehmen durfte, wie dies jeder andere hätte tun dürfen. Darum gab es auch keine Geheimnisse. So habe ich nach einer Nutzung des Flugzeugs dem Geschäftsführer in einer E-Mail am 22. Mai 2014 geschrieben: „Ich war mit der Saratoga in Burgos, hat Spaß gemacht.“ Eben diese Mail aber war es, die die besondere Aufmerksamkeit der Ermittler weckte und offenbar auch ihre Phantasie: Aus dieser E-Mail nämlich schließt der Ermittler von der Kriminalpolizei Regensburg, dass damit erwiesen sei, „dass er [Schaidinger] dessen [T.] Boot genutzt hat.“ Dies war also der Ursprung der öffentlichen Verdächtigung eines Segeltörns mit der Segelyacht von T. Aber: Die Saratoga ist ein Flugzeug, kein Boot. Man könnte die Schlussfolgerung, die die Kriminalpolizei aus meiner E-Mail zieht, zunächst einmal nur lustig finden. Immerhin kann sich der Kriminalhauptkommissar nicht einmal sechs Zeilen lang in seinem Bericht merken, was er geschrieben hat. Zuerst schreibt er, dass die Saratoga ein Kleinflugzeug sei, sechs Zeilen weiter schreibt er unter Bezugnahme auf „Saratoga,“ dass dies ein Boot sei. Weiter geht aus seinem Text hervor, dass er davon überzeugt ist, dass man mit einem Boot nach Burgos segeln könne. Im hier gegebenen Kontext aber, wenn es um die Ehre und die Grundrechte eines Menschen geht, kann das nicht mehr lustig sein. Man kann solche „Feststellungen“ auch nicht mit mangelhafter Allgemeinbildung oder Schlampigkeit entschuldigen. Nicht jeder kann wissen, wo Burgos liegt. Aber dazu braucht man ja heutzutage gar keine Allgemeinbildung mehr und man muss auch nicht mühsam in Atlanten nachschauen. Heute kann man googeln. Innerhalb einer Minute kann man ermitteln, dass Burgos eine Stadt in Nordspanien ist, die circa 150 Kilometer vom Meer entfernt und auf circa 860 Meter Meereshöhe liegt. Daraus kann man leicht ablesen, dass man nach Burgos nicht mit einer Yacht segeln kann. Nur wenn man überhaupt nicht recherchiert, sondern sich ohne Sorgfalt etwas zusammenreimt, was einem selbst bei flüchtiger Durchsicht des selbst geschriebenen Textes als nicht stimmig auffallen müsste, kommt man zu einer solchen „Feststellung.“ Wenn es um 50 Cent ginge, wäre das schon schlecht, wenn es mit einer solchen falschen Behauptung um die Ehre eines Menschen geht, ist das schlicht unakzeptabel.